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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Dies Sofa nämlich, dessen Geburt um wenig¬
stens fünfzig Jahre zurückliegt, ist noch nach einem
altmodischen Versenkungsprinzip gebaut, und wer sich
ihm anvertraut, ohne vorher einen Kissenturm unter¬
geschoben zu haben, sinkt ins Bodenlose, jedenfalls
aber gerade tief genug, um die Kniee wie ein Monu¬
ment aufragen zu lassen." All dies wurde seitens
der Trippelli mit eben so viel Bonhommie wie
Sicherheit hingesprochen, in einem Tone, der aus¬
drücken sollte: ,Du bist die Baronin Innstetten, ich
bin die Trippelli.'

Gieshübler liebte seine Künstlerfreundin en¬
thusiastisch und dachte hoch von ihren Talenten; aber
all seine Begeisterung konnte ihn doch nicht blind
gegen die Thatsache machen, daß ihr von gesell¬
schaftlicher Feinheit nur ein bescheidenes Maß zu
teil geworden war. Und diese Feinheit war gerade
das, was er persönlich kultivierte. "Liebe Marietta,"
nahm er das Wort, "Sie haben eine so reizend
heitere Behandlung solcher Fragen; aber was mein
Sofa betrifft, so haben Sie wirklich unrecht, und
jeder Sachverständige mag zwischen uns entscheiden.
Selbst ein Mann wie Fürst Kotschukoff ..."

"Ach, ich bitte Sie, Gieshübler, lassen Sie doch
den. Immer Kotschukoff. Sie werden mich bei
der gnäd'gen Frau hier noch in den Verdacht bringen,

Effi Brieſt

„Dies Sofa nämlich, deſſen Geburt um wenig¬
ſtens fünfzig Jahre zurückliegt, iſt noch nach einem
altmodiſchen Verſenkungsprinzip gebaut, und wer ſich
ihm anvertraut, ohne vorher einen Kiſſenturm unter¬
geſchoben zu haben, ſinkt ins Bodenloſe, jedenfalls
aber gerade tief genug, um die Kniee wie ein Monu¬
ment aufragen zu laſſen.“ All dies wurde ſeitens
der Trippelli mit eben ſo viel Bonhommie wie
Sicherheit hingeſprochen, in einem Tone, der aus¬
drücken ſollte: ,Du biſt die Baronin Innſtetten, ich
bin die Trippelli.‘

Gieshübler liebte ſeine Künſtlerfreundin en¬
thuſiaſtiſch und dachte hoch von ihren Talenten; aber
all ſeine Begeiſterung konnte ihn doch nicht blind
gegen die Thatſache machen, daß ihr von geſell¬
ſchaftlicher Feinheit nur ein beſcheidenes Maß zu
teil geworden war. Und dieſe Feinheit war gerade
das, was er perſönlich kultivierte. „Liebe Marietta,“
nahm er das Wort, „Sie haben eine ſo reizend
heitere Behandlung ſolcher Fragen; aber was mein
Sofa betrifft, ſo haben Sie wirklich unrecht, und
jeder Sachverſtändige mag zwiſchen uns entſcheiden.
Selbſt ein Mann wie Fürſt Kotſchukoff …“

„Ach, ich bitte Sie, Gieshübler, laſſen Sie doch
den. Immer Kotſchukoff. Sie werden mich bei
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[151/0160] Effi Brieſt „Dies Sofa nämlich, deſſen Geburt um wenig¬ ſtens fünfzig Jahre zurückliegt, iſt noch nach einem altmodiſchen Verſenkungsprinzip gebaut, und wer ſich ihm anvertraut, ohne vorher einen Kiſſenturm unter¬ geſchoben zu haben, ſinkt ins Bodenloſe, jedenfalls aber gerade tief genug, um die Kniee wie ein Monu¬ ment aufragen zu laſſen.“ All dies wurde ſeitens der Trippelli mit eben ſo viel Bonhommie wie Sicherheit hingeſprochen, in einem Tone, der aus¬ drücken ſollte: ,Du biſt die Baronin Innſtetten, ich bin die Trippelli.‘ Gieshübler liebte ſeine Künſtlerfreundin en¬ thuſiaſtiſch und dachte hoch von ihren Talenten; aber all ſeine Begeiſterung konnte ihn doch nicht blind gegen die Thatſache machen, daß ihr von geſell¬ ſchaftlicher Feinheit nur ein beſcheidenes Maß zu teil geworden war. Und dieſe Feinheit war gerade das, was er perſönlich kultivierte. „Liebe Marietta,“ nahm er das Wort, „Sie haben eine ſo reizend heitere Behandlung ſolcher Fragen; aber was mein Sofa betrifft, ſo haben Sie wirklich unrecht, und jeder Sachverſtändige mag zwiſchen uns entſcheiden. Selbſt ein Mann wie Fürſt Kotſchukoff …“ „Ach, ich bitte Sie, Gieshübler, laſſen Sie doch den. Immer Kotſchukoff. Sie werden mich bei der gnäd'gen Frau hier noch in den Verdacht bringen,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/160>, abgerufen am 28.11.2024.