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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Ja, gnäd'ger Herr. Ich machte mir ein Lager
an der Erde dicht neben ihr. Und ich mußte ihre
Hand halten, und dann schlief sie ein."

"Und sie schläft noch?"

"Ganz fest."

"Das ist mir ängstlich, Johanna. Man kann
sich gesund schlafen, aber auch krank. Wir müssen
sie wecken, natürlich vorsichtig, daß sie nicht wieder
erschrickt. Und Friedrich soll das Frühstück nicht
bringen; ich will warten, bis die gnäd'ge Frau da
ist. Und machen Sie's geschickt."


Eine halbe Stunde später kam Effi. Sie sah
reizend aus, ganz blaß, und stützte sich auf Johanna.
Als sie aber Innstetten's ansichtig wurde, stürzte sie
auf ihn zu und umarmte und küßte ihn. Und dabei
liefen ihr die Thränen übers Gesicht. "Ach, Geert,
Gott sei Dank, daß Du da bist. Nun ist alles wieder
gut. Du darfst nicht wieder fort, Du darfst mich
nicht wieder allein lassen."

"Meine liebe Effi ... stellen Sie hin, Friedrich,
ich werde schon alles zurecht machen ... meine liebe
Effi, ich lasse Dich ja nicht allein aus Rücksichts¬
losigkeit oder Laune, sondern weil es so sein muß;
ich habe keine Wahl, ich bin ein Mann im Dienst,

Th. Fontane, Effi Briest. 9
Effi Brieſt

„Ja, gnäd'ger Herr. Ich machte mir ein Lager
an der Erde dicht neben ihr. Und ich mußte ihre
Hand halten, und dann ſchlief ſie ein.“

„Und ſie ſchläft noch?“

„Ganz feſt.“

„Das iſt mir ängſtlich, Johanna. Man kann
ſich geſund ſchlafen, aber auch krank. Wir müſſen
ſie wecken, natürlich vorſichtig, daß ſie nicht wieder
erſchrickt. Und Friedrich ſoll das Frühſtück nicht
bringen; ich will warten, bis die gnäd'ge Frau da
iſt. Und machen Sie's geſchickt.“


Eine halbe Stunde ſpäter kam Effi. Sie ſah
reizend aus, ganz blaß, und ſtützte ſich auf Johanna.
Als ſie aber Innſtetten's anſichtig wurde, ſtürzte ſie
auf ihn zu und umarmte und küßte ihn. Und dabei
liefen ihr die Thränen übers Geſicht. „Ach, Geert,
Gott ſei Dank, daß Du da biſt. Nun iſt alles wieder
gut. Du darfſt nicht wieder fort, Du darfſt mich
nicht wieder allein laſſen.“

„Meine liebe Effi … ſtellen Sie hin, Friedrich,
ich werde ſchon alles zurecht machen … meine liebe
Effi, ich laſſe Dich ja nicht allein aus Rückſichts¬
loſigkeit oder Laune, ſondern weil es ſo ſein muß;
ich habe keine Wahl, ich bin ein Mann im Dienſt,

Th. Fontane, Effi Brieſt. 9
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[129/0138] Effi Brieſt „Ja, gnäd'ger Herr. Ich machte mir ein Lager an der Erde dicht neben ihr. Und ich mußte ihre Hand halten, und dann ſchlief ſie ein.“ „Und ſie ſchläft noch?“ „Ganz feſt.“ „Das iſt mir ängſtlich, Johanna. Man kann ſich geſund ſchlafen, aber auch krank. Wir müſſen ſie wecken, natürlich vorſichtig, daß ſie nicht wieder erſchrickt. Und Friedrich ſoll das Frühſtück nicht bringen; ich will warten, bis die gnäd'ge Frau da iſt. Und machen Sie's geſchickt.“ Eine halbe Stunde ſpäter kam Effi. Sie ſah reizend aus, ganz blaß, und ſtützte ſich auf Johanna. Als ſie aber Innſtetten's anſichtig wurde, ſtürzte ſie auf ihn zu und umarmte und küßte ihn. Und dabei liefen ihr die Thränen übers Geſicht. „Ach, Geert, Gott ſei Dank, daß Du da biſt. Nun iſt alles wieder gut. Du darfſt nicht wieder fort, Du darfſt mich nicht wieder allein laſſen.“ „Meine liebe Effi … ſtellen Sie hin, Friedrich, ich werde ſchon alles zurecht machen … meine liebe Effi, ich laſſe Dich ja nicht allein aus Rückſichts¬ loſigkeit oder Laune, ſondern weil es ſo ſein muß; ich habe keine Wahl, ich bin ein Mann im Dienſt, Th. Fontane, Effi Brieſt. 9

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/138>, abgerufen am 25.11.2024.