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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
heit und viel Lebenslust und Herzensgüte verrieten.
Man nannte sie die "Kleine", was sie sich nur ge¬
fallen lassen mußte, weil die schöne, schlanke Mama
noch um eine Hand breit höher war.

Eben hatte sich Effi wieder erhoben, um ab¬
wechselnd nach links und rechts ihre turnerischen
Drehungen zu machen, als die von ihrer Stickerei
gerade wieder aufblickende Mama ihr zurief: "Effi,
eigentlich hättest Du doch wohl Kunstreiterin werden
müssen. Immer am Trapez, immer Tochter der Luft.
Ich glaube beinah, daß Du so was möchtest."

"Vielleicht, Mama. Aber wenn es so wäre,
wer wäre schuld? Von wem hab' ich es? Doch
nur von Dir. Oder meinst Du von Papa? Da
mußt Du nun selber lachen. Und dann, warum
steckst Du mich in diesen Hänger, in diesen Jungens¬
kittel? Mitunter denk' ich, ich komme noch wieder
in kurze Kleider. Und wenn ich die erst wieder
habe, dann knix' ich auch wieder wie ein Backfisch,
und wenn dann die Rathenower herüber kommen,
setze ich mich auf Oberst Goetze's Schoß und reite
hopp, hopp. Warum auch nicht? Dreiviertel ist er
Onkel und nur ein Viertel Kourmacher. Du bist schuld.
Warum kriege ich keine Staatskleider? Warum
machst Du keine Dame aus mir?"

"Möchtest Du's?"

Effi Brieſt
heit und viel Lebensluſt und Herzensgüte verrieten.
Man nannte ſie die „Kleine“, was ſie ſich nur ge¬
fallen laſſen mußte, weil die ſchöne, ſchlanke Mama
noch um eine Hand breit höher war.

Eben hatte ſich Effi wieder erhoben, um ab¬
wechſelnd nach links und rechts ihre turneriſchen
Drehungen zu machen, als die von ihrer Stickerei
gerade wieder aufblickende Mama ihr zurief: „Effi,
eigentlich hätteſt Du doch wohl Kunſtreiterin werden
müſſen. Immer am Trapez, immer Tochter der Luft.
Ich glaube beinah, daß Du ſo was möchteſt.“

„Vielleicht, Mama. Aber wenn es ſo wäre,
wer wäre ſchuld? Von wem hab' ich es? Doch
nur von Dir. Oder meinſt Du von Papa? Da
mußt Du nun ſelber lachen. Und dann, warum
ſteckſt Du mich in dieſen Hänger, in dieſen Jungens¬
kittel? Mitunter denk' ich, ich komme noch wieder
in kurze Kleider. Und wenn ich die erſt wieder
habe, dann knix' ich auch wieder wie ein Backfiſch,
und wenn dann die Rathenower herüber kommen,
ſetze ich mich auf Oberſt Goetze's Schoß und reite
hopp, hopp. Warum auch nicht? Dreiviertel iſt er
Onkel und nur ein Viertel Kourmacher. Du biſt ſchuld.
Warum kriege ich keine Staatskleider? Warum
machſt Du keine Dame aus mir?“

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[4/0013] Effi Brieſt heit und viel Lebensluſt und Herzensgüte verrieten. Man nannte ſie die „Kleine“, was ſie ſich nur ge¬ fallen laſſen mußte, weil die ſchöne, ſchlanke Mama noch um eine Hand breit höher war. Eben hatte ſich Effi wieder erhoben, um ab¬ wechſelnd nach links und rechts ihre turneriſchen Drehungen zu machen, als die von ihrer Stickerei gerade wieder aufblickende Mama ihr zurief: „Effi, eigentlich hätteſt Du doch wohl Kunſtreiterin werden müſſen. Immer am Trapez, immer Tochter der Luft. Ich glaube beinah, daß Du ſo was möchteſt.“ „Vielleicht, Mama. Aber wenn es ſo wäre, wer wäre ſchuld? Von wem hab' ich es? Doch nur von Dir. Oder meinſt Du von Papa? Da mußt Du nun ſelber lachen. Und dann, warum ſteckſt Du mich in dieſen Hänger, in dieſen Jungens¬ kittel? Mitunter denk' ich, ich komme noch wieder in kurze Kleider. Und wenn ich die erſt wieder habe, dann knix' ich auch wieder wie ein Backfiſch, und wenn dann die Rathenower herüber kommen, ſetze ich mich auf Oberſt Goetze's Schoß und reite hopp, hopp. Warum auch nicht? Dreiviertel iſt er Onkel und nur ein Viertel Kourmacher. Du biſt ſchuld. Warum kriege ich keine Staatskleider? Warum machſt Du keine Dame aus mir?“ „Möchteſt Du's?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/13>, abgerufen am 25.11.2024.