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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, andere sind der
Ansicht, es sei die Gräfin von Orlamünde; darin
aber sind beide einig, daß es das Bildnis der Dame
sei, die seither in der Geschichte der Hohenzollern
unter dem Namen der ,weißen Frau' eine gewisse
Berühmtheit erlangt hat."

"Das hab' ich gut getroffen," sagte Effi, während
sie das Buch bei Seite schob; "ich will mir die
Nerven beruhigen, und das Erste, was ich lese, ist
die Geschichte von der weißen Frau, vor der ich mich
gefürchtet habe, so lang' ich denken kann. Aber da nun
das Gruseln 'mal da ist, will ich doch auch zu Ende lesen."

Und sie schlug wieder auf und las weiter:
"... Eben dies alte Porträt (dessen Original in der
Hohenzollernschen Familiengeschichte solche Rolle spielt)
spielt als Bild auch eine Rolle in der Spezial¬
geschichte des Schlosses Eremitage, was wohl damit
zusammenhängt, daß es an einer dem Fremden
unsichtbaren Tapetentür hängt, hinter der sich eine
vom Souterrain her hinaufführende Treppe befindet.
Es heißt, daß, als Napoleon hier übernachtete, die
,weiße Frau' aus dem Rahmen herausgetreten und
auf sein Bett zugeschritten sei. Der Kaiser, entsetzt
auffahrend, habe nach seinem Adjutanten gerufen
und bis an sein Lebensende mit Entrüstung von
diesem "maudit chateau" gesprochen."

Effi Brieſt
Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, andere ſind der
Anſicht, es ſei die Gräfin von Orlamünde; darin
aber ſind beide einig, daß es das Bildnis der Dame
ſei, die ſeither in der Geſchichte der Hohenzollern
unter dem Namen der ‚weißen Frau‘ eine gewiſſe
Berühmtheit erlangt hat.“

„Das hab' ich gut getroffen,“ ſagte Effi, während
ſie das Buch bei Seite ſchob; „ich will mir die
Nerven beruhigen, und das Erſte, was ich leſe, iſt
die Geſchichte von der weißen Frau, vor der ich mich
gefürchtet habe, ſo lang' ich denken kann. Aber da nun
das Gruſeln 'mal da iſt, will ich doch auch zu Ende leſen.“

Und ſie ſchlug wieder auf und las weiter:
„… Eben dies alte Porträt (deſſen Original in der
Hohenzollernſchen Familiengeſchichte ſolche Rolle ſpielt)
ſpielt als Bild auch eine Rolle in der Spezial¬
geſchichte des Schloſſes Eremitage, was wohl damit
zuſammenhängt, daß es an einer dem Fremden
unſichtbaren Tapetentür hängt, hinter der ſich eine
vom Souterrain her hinaufführende Treppe befindet.
Es heißt, daß, als Napoleon hier übernachtete, die
‚weiße Frau‘ aus dem Rahmen herausgetreten und
auf ſein Bett zugeſchritten ſei. Der Kaiſer, entſetzt
auffahrend, habe nach ſeinem Adjutanten gerufen
und bis an ſein Lebensende mit Entrüſtung von
dieſem „maudit château“ geſprochen.“

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[116/0125] Effi Brieſt Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, andere ſind der Anſicht, es ſei die Gräfin von Orlamünde; darin aber ſind beide einig, daß es das Bildnis der Dame ſei, die ſeither in der Geſchichte der Hohenzollern unter dem Namen der ‚weißen Frau‘ eine gewiſſe Berühmtheit erlangt hat.“ „Das hab' ich gut getroffen,“ ſagte Effi, während ſie das Buch bei Seite ſchob; „ich will mir die Nerven beruhigen, und das Erſte, was ich leſe, iſt die Geſchichte von der weißen Frau, vor der ich mich gefürchtet habe, ſo lang' ich denken kann. Aber da nun das Gruſeln 'mal da iſt, will ich doch auch zu Ende leſen.“ Und ſie ſchlug wieder auf und las weiter: „… Eben dies alte Porträt (deſſen Original in der Hohenzollernſchen Familiengeſchichte ſolche Rolle ſpielt) ſpielt als Bild auch eine Rolle in der Spezial¬ geſchichte des Schloſſes Eremitage, was wohl damit zuſammenhängt, daß es an einer dem Fremden unſichtbaren Tapetentür hängt, hinter der ſich eine vom Souterrain her hinaufführende Treppe befindet. Es heißt, daß, als Napoleon hier übernachtete, die ‚weiße Frau‘ aus dem Rahmen herausgetreten und auf ſein Bett zugeſchritten ſei. Der Kaiſer, entſetzt auffahrend, habe nach ſeinem Adjutanten gerufen und bis an ſein Lebensende mit Entrüſtung von dieſem „maudit château“ geſprochen.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/125>, abgerufen am 26.11.2024.