Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Effi Briest
kannst Du nur sagen "bloß Konsuln". Das ist doch
etwas sehr Hohes und Großes, und ich möchte bei¬
nah' sagen Furchtbares. Konsuln, das sind doch die
mit dem Rutenbündel, draus, glaub' ich, ein Beil
heraussah."

"Nicht ganz, Effi. Die heißen Liktoren."

"Richtig, die heißen Liktoren. Aber Konsuln
ist doch auch etwas sehr Vornehmes und Hochgesetz¬
liches. Brutus war doch ein Konsul."

"Ja, Brutus war ein Konsul. Aber unsere
sind ihm nicht sehr ähnlich und begnügen sich damit,
mit Zucker und Kaffee zu handeln oder eine Kiste
mit Apfelsinen aufzubrechen und verkaufen Dir dann
das Stück pro zehn Pfennige."

"Nicht möglich."

"Sogar gewiß. Es sind kleine, pfiffige Kauf¬
leute, die, wenn fremdländische Schiffe hier einlaufen
und in irgend einer Geschäftsfrage nicht recht aus
noch ein wissen, die dann mit ihrem Rate zur Hand
sind, und wenn sie diesen Rat gegeben und irgend
einem holländischen oder portugiesischen Schiff einen
Dienst geleistet haben, so werden sie zuletzt zu be¬
glaubigten Vertretern solcher fremder Staaten, und
gerade so viele Botschafter und Gesandte, wie wir in
Berlin haben, so viele Konsuln haben wir auch in
Kessin, und wenn irgend ein Festtag ist, und es

Effi Brieſt
kannſt Du nur ſagen „bloß Konſuln“. Das iſt doch
etwas ſehr Hohes und Großes, und ich möchte bei¬
nah' ſagen Furchtbares. Konſuln, das ſind doch die
mit dem Rutenbündel, draus, glaub' ich, ein Beil
herausſah.“

„Nicht ganz, Effi. Die heißen Liktoren.“

„Richtig, die heißen Liktoren. Aber Konſuln
iſt doch auch etwas ſehr Vornehmes und Hochgeſetz¬
liches. Brutus war doch ein Konſul.“

„Ja, Brutus war ein Konſul. Aber unſere
ſind ihm nicht ſehr ähnlich und begnügen ſich damit,
mit Zucker und Kaffee zu handeln oder eine Kiſte
mit Apfelſinen aufzubrechen und verkaufen Dir dann
das Stück pro zehn Pfennige.“

„Nicht möglich.“

„Sogar gewiß. Es ſind kleine, pfiffige Kauf¬
leute, die, wenn fremdländiſche Schiffe hier einlaufen
und in irgend einer Geſchäftsfrage nicht recht aus
noch ein wiſſen, die dann mit ihrem Rate zur Hand
ſind, und wenn ſie dieſen Rat gegeben und irgend
einem holländiſchen oder portugieſiſchen Schiff einen
Dienſt geleiſtet haben, ſo werden ſie zuletzt zu be¬
glaubigten Vertretern ſolcher fremder Staaten, und
gerade ſo viele Botſchafter und Geſandte, wie wir in
Berlin haben, ſo viele Konſuln haben wir auch in
Keſſin, und wenn irgend ein Feſttag iſt, und es

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0100" n="91"/><fw place="top" type="header">Effi Brie&#x017F;t<lb/></fw>kann&#x017F;t Du nur &#x017F;agen &#x201E;bloß Kon&#x017F;uln&#x201C;. Das i&#x017F;t doch<lb/>
etwas &#x017F;ehr Hohes und Großes, und ich möchte bei¬<lb/>
nah' &#x017F;agen Furchtbares. Kon&#x017F;uln, das &#x017F;ind doch die<lb/>
mit dem Rutenbündel, draus, glaub' ich, ein Beil<lb/>
heraus&#x017F;ah.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht ganz, Effi. Die heißen Liktoren.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Richtig, die heißen Liktoren. Aber Kon&#x017F;uln<lb/>
i&#x017F;t doch auch etwas &#x017F;ehr Vornehmes und Hochge&#x017F;etz¬<lb/>
liches. Brutus war doch ein Kon&#x017F;ul.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Ja, Brutus war ein Kon&#x017F;ul. Aber un&#x017F;ere<lb/>
&#x017F;ind ihm nicht &#x017F;ehr ähnlich und begnügen &#x017F;ich damit,<lb/>
mit Zucker und Kaffee zu handeln oder eine Ki&#x017F;te<lb/>
mit Apfel&#x017F;inen aufzubrechen und verkaufen Dir dann<lb/>
das Stück pro zehn Pfennige.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nicht möglich.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Sogar gewiß. Es &#x017F;ind kleine, pfiffige Kauf¬<lb/>
leute, die, wenn fremdländi&#x017F;che Schiffe hier einlaufen<lb/>
und in irgend einer Ge&#x017F;chäftsfrage nicht recht aus<lb/>
noch ein wi&#x017F;&#x017F;en, die dann mit ihrem Rate zur Hand<lb/>
&#x017F;ind, und wenn &#x017F;ie die&#x017F;en Rat gegeben und irgend<lb/>
einem holländi&#x017F;chen oder portugie&#x017F;i&#x017F;chen Schiff einen<lb/>
Dien&#x017F;t gelei&#x017F;tet haben, &#x017F;o werden &#x017F;ie zuletzt zu be¬<lb/>
glaubigten Vertretern &#x017F;olcher fremder Staaten, und<lb/>
gerade &#x017F;o viele Bot&#x017F;chafter und Ge&#x017F;andte, wie wir in<lb/>
Berlin haben, &#x017F;o viele Kon&#x017F;uln haben wir auch in<lb/>
Ke&#x017F;&#x017F;in, und wenn irgend ein Fe&#x017F;ttag i&#x017F;t, und es<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0100] Effi Brieſt kannſt Du nur ſagen „bloß Konſuln“. Das iſt doch etwas ſehr Hohes und Großes, und ich möchte bei¬ nah' ſagen Furchtbares. Konſuln, das ſind doch die mit dem Rutenbündel, draus, glaub' ich, ein Beil herausſah.“ „Nicht ganz, Effi. Die heißen Liktoren.“ „Richtig, die heißen Liktoren. Aber Konſuln iſt doch auch etwas ſehr Vornehmes und Hochgeſetz¬ liches. Brutus war doch ein Konſul.“ „Ja, Brutus war ein Konſul. Aber unſere ſind ihm nicht ſehr ähnlich und begnügen ſich damit, mit Zucker und Kaffee zu handeln oder eine Kiſte mit Apfelſinen aufzubrechen und verkaufen Dir dann das Stück pro zehn Pfennige.“ „Nicht möglich.“ „Sogar gewiß. Es ſind kleine, pfiffige Kauf¬ leute, die, wenn fremdländiſche Schiffe hier einlaufen und in irgend einer Geſchäftsfrage nicht recht aus noch ein wiſſen, die dann mit ihrem Rate zur Hand ſind, und wenn ſie dieſen Rat gegeben und irgend einem holländiſchen oder portugieſiſchen Schiff einen Dienſt geleiſtet haben, ſo werden ſie zuletzt zu be¬ glaubigten Vertretern ſolcher fremder Staaten, und gerade ſo viele Botſchafter und Geſandte, wie wir in Berlin haben, ſo viele Konſuln haben wir auch in Keſſin, und wenn irgend ein Feſttag iſt, und es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/100
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/100>, abgerufen am 27.11.2024.