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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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selben so lange, bis die Falkoniere kommen und ihn aufnehmen.
Die Falkoniere aber bringen den Reiher dem Ober- oder Hof-
Jägermeister, und dieser präsentiret ihn dem Könige, von dem er
mit einem Ring gebeitzet und sodann wieder in die freie Luft ge-
lassen wird. Manchmal geschiehet es, daß der Reiher von zwei,
drei und vier Falken in der Luft gestoßen und angefallen, da-
durch aber die Lust desto größer wird. Ist der Tag glücklich, so
werden fünf, sechs und noch mehr Reiher gefangen und gebeitzet.

So war es in den Tagen Friedrich Wilhelm's I. An die
Stelle dieser "Reiherbeitzen" ist jetzt ein ebenfalls dem Mittelalter
entstammendes Reiherschießen getreten, das weniger eine Jagd als
eine Zielübung ist, und im Bereiche moderner Erscheinungen am
besten mit dem Taubenschießen auf unseren Schützenfesten verglichen
werden kann. Nur mit dem nicht unwesentlichen Unterschiede, daß
die Taube, wenigstens heutzutage, von Holz, der Reiher aber
lebendig ist.

Diese Reiherjagden, die, statt mit dem Falken, mit der Büchse
in der Hand unternommen werden, finden jetzt alljährlich in der
zweiten Hälfte des Juli statt. Dann ist die junge Brut groß ge-
nug, um einen jagdbaren Vogel von wünschenswerther Schußfläche
abzugeben und doch wiederum nicht groß, d. h. nicht flügge genug,
um sich, gleich den Alten, der drohenden Gefahr durch Flucht ent-
ziehen zu können. So stehen sie dann aufrecht in den hohen
Nestern, kreischen und schreien, und werden herunter geschossen.
Ein sonderbarer, dem Gefühle des Nicht-Jägers widersprechender
Sport, über den indeß andererseits, wie über manches Aehnliche
aus der Sphäre des high life, ohne Sentimentalitäten hinwegge-
gangen werden muß. Es sind dies eben Ueberbleibsel aus ver-
gangenen Jahrhunderten her, mit denen, weil sie einem ganzen
System von Anschauungen angehören, nicht ohne Weiteres aufge-
räumt werden kann, Dinge des Herkommens, zum Theil auch der
praktischen Bewährung, nicht des persönlichen Geschmacks. Tradi-
tion und Repräsentation schreiben immer noch, innerhalb des Hof-
lebens, die Gesetze. Uebrigens mag hier eingeschaltet sein, daß
unser Kronprinz, ein passionirter Reiherjäger, das bequeme Schießen
aus dem Neste verschmäht und es vorzieht, den um die Herbstzeit

ſelben ſo lange, bis die Falkoniere kommen und ihn aufnehmen.
Die Falkoniere aber bringen den Reiher dem Ober- oder Hof-
Jägermeiſter, und dieſer präſentiret ihn dem Könige, von dem er
mit einem Ring gebeitzet und ſodann wieder in die freie Luft ge-
laſſen wird. Manchmal geſchiehet es, daß der Reiher von zwei,
drei und vier Falken in der Luft geſtoßen und angefallen, da-
durch aber die Luſt deſto größer wird. Iſt der Tag glücklich, ſo
werden fünf, ſechs und noch mehr Reiher gefangen und gebeitzet.

So war es in den Tagen Friedrich Wilhelm’s I. An die
Stelle dieſer „Reiherbeitzen“ iſt jetzt ein ebenfalls dem Mittelalter
entſtammendes Reiherſchießen getreten, das weniger eine Jagd als
eine Zielübung iſt, und im Bereiche moderner Erſcheinungen am
beſten mit dem Taubenſchießen auf unſeren Schützenfeſten verglichen
werden kann. Nur mit dem nicht unweſentlichen Unterſchiede, daß
die Taube, wenigſtens heutzutage, von Holz, der Reiher aber
lebendig iſt.

Dieſe Reiherjagden, die, ſtatt mit dem Falken, mit der Büchſe
in der Hand unternommen werden, finden jetzt alljährlich in der
zweiten Hälfte des Juli ſtatt. Dann iſt die junge Brut groß ge-
nug, um einen jagdbaren Vogel von wünſchenswerther Schußfläche
abzugeben und doch wiederum nicht groß, d. h. nicht flügge genug,
um ſich, gleich den Alten, der drohenden Gefahr durch Flucht ent-
ziehen zu können. So ſtehen ſie dann aufrecht in den hohen
Neſtern, kreiſchen und ſchreien, und werden herunter geſchoſſen.
Ein ſonderbarer, dem Gefühle des Nicht-Jägers widerſprechender
Sport, über den indeß andererſeits, wie über manches Aehnliche
aus der Sphäre des high life, ohne Sentimentalitäten hinwegge-
gangen werden muß. Es ſind dies eben Ueberbleibſel aus ver-
gangenen Jahrhunderten her, mit denen, weil ſie einem ganzen
Syſtem von Anſchauungen angehören, nicht ohne Weiteres aufge-
räumt werden kann, Dinge des Herkommens, zum Theil auch der
praktiſchen Bewährung, nicht des perſönlichen Geſchmacks. Tradi-
tion und Repräſentation ſchreiben immer noch, innerhalb des Hof-
lebens, die Geſetze. Uebrigens mag hier eingeſchaltet ſein, daß
unſer Kronprinz, ein paſſionirter Reiherjäger, das bequeme Schießen
aus dem Neſte verſchmäht und es vorzieht, den um die Herbſtzeit

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[80/0096] ſelben ſo lange, bis die Falkoniere kommen und ihn aufnehmen. Die Falkoniere aber bringen den Reiher dem Ober- oder Hof- Jägermeiſter, und dieſer präſentiret ihn dem Könige, von dem er mit einem Ring gebeitzet und ſodann wieder in die freie Luft ge- laſſen wird. Manchmal geſchiehet es, daß der Reiher von zwei, drei und vier Falken in der Luft geſtoßen und angefallen, da- durch aber die Luſt deſto größer wird. Iſt der Tag glücklich, ſo werden fünf, ſechs und noch mehr Reiher gefangen und gebeitzet. So war es in den Tagen Friedrich Wilhelm’s I. An die Stelle dieſer „Reiherbeitzen“ iſt jetzt ein ebenfalls dem Mittelalter entſtammendes Reiherſchießen getreten, das weniger eine Jagd als eine Zielübung iſt, und im Bereiche moderner Erſcheinungen am beſten mit dem Taubenſchießen auf unſeren Schützenfeſten verglichen werden kann. Nur mit dem nicht unweſentlichen Unterſchiede, daß die Taube, wenigſtens heutzutage, von Holz, der Reiher aber lebendig iſt. Dieſe Reiherjagden, die, ſtatt mit dem Falken, mit der Büchſe in der Hand unternommen werden, finden jetzt alljährlich in der zweiten Hälfte des Juli ſtatt. Dann iſt die junge Brut groß ge- nug, um einen jagdbaren Vogel von wünſchenswerther Schußfläche abzugeben und doch wiederum nicht groß, d. h. nicht flügge genug, um ſich, gleich den Alten, der drohenden Gefahr durch Flucht ent- ziehen zu können. So ſtehen ſie dann aufrecht in den hohen Neſtern, kreiſchen und ſchreien, und werden herunter geſchoſſen. Ein ſonderbarer, dem Gefühle des Nicht-Jägers widerſprechender Sport, über den indeß andererſeits, wie über manches Aehnliche aus der Sphäre des high life, ohne Sentimentalitäten hinwegge- gangen werden muß. Es ſind dies eben Ueberbleibſel aus ver- gangenen Jahrhunderten her, mit denen, weil ſie einem ganzen Syſtem von Anſchauungen angehören, nicht ohne Weiteres aufge- räumt werden kann, Dinge des Herkommens, zum Theil auch der praktiſchen Bewährung, nicht des perſönlichen Geſchmacks. Tradi- tion und Repräſentation ſchreiben immer noch, innerhalb des Hof- lebens, die Geſetze. Uebrigens mag hier eingeſchaltet ſein, daß unſer Kronprinz, ein paſſionirter Reiherjäger, das bequeme Schießen aus dem Neſte verſchmäht und es vorzieht, den um die Herbſtzeit

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/96>, abgerufen am 24.11.2024.