zu Haus, dessen anwesende Mitglieder nicht ermangelten, mir "Hankel's Ablage", "Hache's Gruß", den "Gingang-Berg" und ähnlich wunderlich benannte Punkte vorzustellen. Aber der Zeu- thener-See ist doch schon Vorterrain; die Villen hören auf, der Einfluß der Hauptstadt schwindet und die eigentliche "Wendei" beginnt. Die Ufer, still und einförmig. Nur dann und wann ein Gehöft, das sein Strohdach unter Eichen versteckt; dahinter ein Birkicht, ein zweites und drittes, coulissenartig in die Land- schaft gestellt. Am Horizonte der schwarze Strich eines Kiefern- waldes. Sonst nichts als Rohr und Wiese, und ein schmaler Gerstenstreifen dazwischen; ein Habichtpaar in Lüften, das im Spiel sich jagt; von Zeit zu Zeit ein Angler, der von seinem Boot oder einem halbverfallenen Steg aus die Schnur in's Wasser wirft. Wenig Menschen, noch weniger Geschichte. Selbst der Feind mied diese Stelle. Darum fehlen hier auch die Schlacht- felder auf viele Meilen hin. In einer alten Chronik heißt es: "Der 30 jährige Krieg kam nicht hieher, weil ihm die Gegend zu arm und abgelegen war." Er wußte wohl, was er that. Wie ein Feuer ohne Nahrung, wär' er in diesem See- und Spree- gebiet erloschen.
Der Grundzug der Wendei, wenigstens an dieser Stelle, ist Trauer und Einsamkeit.
Um Mittag hatten wir die Südspitze des Zeuthener-Sees erreicht; von fern her blickte der Königs-Wusterhausener Thurm zu uns herüber. Dann fuhren wir in die Neumühler-Schmalung ein, die den Zeuthener-See mit dem Krüpel-See verbindet, endlich aus dieser Schmalung in den Krüpel-See selbst.
Die Landschaftsbilder blieben dieselben und wechselten erst, als wir, bei Dorf Cablow, aus der bis dahin befahrenen Seen- Kette der wendischen Spree in diese selbst gelangten. Nicht viel breiter als ein Torfgraben, zieht sie hier die Grenze zwischen dem Teltow'schen und dem Beeskow-Storkow'schen Kreis, bis sie, nach einer Wegstrecke von kaum einer Meile, bei dem Dorfe Gussow abermals zu einem See sich breitet, dem Dolgen-See. Unsere Fahrt verlangsamte sich jetzt, da mittlerweile beinahe völlige Windstille eingetreten war; erst eine bei Sonnenuntergang auf- springende Brise führte uns glücklich über den See bis Dolgenbrod.
zu Haus, deſſen anweſende Mitglieder nicht ermangelten, mir „Hankel’s Ablage“, „Hache’s Gruß“, den „Gingang-Berg“ und ähnlich wunderlich benannte Punkte vorzuſtellen. Aber der Zeu- thener-See iſt doch ſchon Vorterrain; die Villen hören auf, der Einfluß der Hauptſtadt ſchwindet und die eigentliche „Wendei“ beginnt. Die Ufer, ſtill und einförmig. Nur dann und wann ein Gehöft, das ſein Strohdach unter Eichen verſteckt; dahinter ein Birkicht, ein zweites und drittes, couliſſenartig in die Land- ſchaft geſtellt. Am Horizonte der ſchwarze Strich eines Kiefern- waldes. Sonſt nichts als Rohr und Wieſe, und ein ſchmaler Gerſtenſtreifen dazwiſchen; ein Habichtpaar in Lüften, das im Spiel ſich jagt; von Zeit zu Zeit ein Angler, der von ſeinem Boot oder einem halbverfallenen Steg aus die Schnur in’s Waſſer wirft. Wenig Menſchen, noch weniger Geſchichte. Selbſt der Feind mied dieſe Stelle. Darum fehlen hier auch die Schlacht- felder auf viele Meilen hin. In einer alten Chronik heißt es: „Der 30 jährige Krieg kam nicht hieher, weil ihm die Gegend zu arm und abgelegen war.“ Er wußte wohl, was er that. Wie ein Feuer ohne Nahrung, wär’ er in dieſem See- und Spree- gebiet erloſchen.
Der Grundzug der Wendei, wenigſtens an dieſer Stelle, iſt Trauer und Einſamkeit.
Um Mittag hatten wir die Südſpitze des Zeuthener-Sees erreicht; von fern her blickte der Königs-Wuſterhauſener Thurm zu uns herüber. Dann fuhren wir in die Neumühler-Schmalung ein, die den Zeuthener-See mit dem Krüpel-See verbindet, endlich aus dieſer Schmalung in den Krüpel-See ſelbſt.
Die Landſchaftsbilder blieben dieſelben und wechſelten erſt, als wir, bei Dorf Cablow, aus der bis dahin befahrenen Seen- Kette der wendiſchen Spree in dieſe ſelbſt gelangten. Nicht viel breiter als ein Torfgraben, zieht ſie hier die Grenze zwiſchen dem Teltow’ſchen und dem Beeskow-Storkow’ſchen Kreis, bis ſie, nach einer Wegſtrecke von kaum einer Meile, bei dem Dorfe Guſſow abermals zu einem See ſich breitet, dem Dolgen-See. Unſere Fahrt verlangſamte ſich jetzt, da mittlerweile beinahe völlige Windſtille eingetreten war; erſt eine bei Sonnenuntergang auf- ſpringende Briſe führte uns glücklich über den See bis Dolgenbrod.
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zu Haus, deſſen anweſende Mitglieder nicht ermangelten, mir
„Hankel’s Ablage“, „Hache’s Gruß“, den „Gingang-Berg“ und
ähnlich wunderlich benannte Punkte vorzuſtellen. Aber der Zeu-
thener-See iſt doch ſchon Vorterrain; die Villen hören auf, der
Einfluß der Hauptſtadt ſchwindet und die eigentliche „Wendei“
beginnt. Die Ufer, ſtill und einförmig. Nur dann und wann
ein Gehöft, das ſein Strohdach unter Eichen verſteckt; dahinter
ein Birkicht, ein zweites und drittes, couliſſenartig in die Land-
ſchaft geſtellt. Am Horizonte der ſchwarze Strich eines Kiefern-
waldes. Sonſt nichts als Rohr und Wieſe, und ein ſchmaler
Gerſtenſtreifen dazwiſchen; ein Habichtpaar in Lüften, das im
Spiel ſich jagt; von Zeit zu Zeit ein Angler, der von ſeinem
Boot oder einem halbverfallenen Steg aus die Schnur in’s
Waſſer wirft. Wenig Menſchen, noch weniger Geſchichte. Selbſt
der Feind mied dieſe Stelle. Darum fehlen hier auch die Schlacht-
felder auf viele Meilen hin. In einer alten Chronik heißt es:
„Der 30 jährige Krieg kam nicht hieher, weil ihm die Gegend zu
arm und abgelegen war.“ Er wußte wohl, was er that. Wie
ein Feuer ohne Nahrung, wär’ er in dieſem See- und Spree-
gebiet erloſchen.
Der Grundzug der Wendei, wenigſtens an dieſer Stelle, iſt
Trauer und Einſamkeit.
Um Mittag hatten wir die Südſpitze des Zeuthener-Sees
erreicht; von fern her blickte der Königs-Wuſterhauſener Thurm
zu uns herüber. Dann fuhren wir in die Neumühler-Schmalung
ein, die den Zeuthener-See mit dem Krüpel-See verbindet, endlich
aus dieſer Schmalung in den Krüpel-See ſelbſt.
Die Landſchaftsbilder blieben dieſelben und wechſelten erſt,
als wir, bei Dorf Cablow, aus der bis dahin befahrenen Seen-
Kette der wendiſchen Spree in dieſe ſelbſt gelangten. Nicht viel
breiter als ein Torfgraben, zieht ſie hier die Grenze zwiſchen dem
Teltow’ſchen und dem Beeskow-Storkow’ſchen Kreis, bis ſie, nach
einer Wegſtrecke von kaum einer Meile, bei dem Dorfe Guſſow
abermals zu einem See ſich breitet, dem Dolgen-See. Unſere
Fahrt verlangſamte ſich jetzt, da mittlerweile beinahe völlige
Windſtille eingetreten war; erſt eine bei Sonnenuntergang auf-
ſpringende Briſe führte uns glücklich über den See bis Dolgenbrod.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/91>, abgerufen am 27.11.2024.
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