immer die Ehemänner in ihrer Bedrängniß und that Alles "um der Kinder willen". Hanne war eine gute Frau und zärtliche Mutter; zudem hielt ihre Erkenntniß gerade die Höhe von Schmöck- witz. Sie gab also unserem Kahnis einen herzhaften Kuß, zum Zeichen, daß sie mit Allem einverstanden sei. Und das ist immer das Beste was Frauen thun können."
Capitain Backhusen nickte abermals zustimmend.
"Gesagt, gethan. Viel Zeit war ohnehin nicht zu verlieren. Unsere Fährleute gingen rasch an's Werk, und das Einschiffen ihrer Habseligkeiten begann. Das große Fährboot hatte ja Platz vollauf. Betten und Wiege, die Bibel und die Kuckucksuhr, die Kinder und die Ziege wurden geladen, und ehe die Sonne unter war, fuhren alle Insassen von Kahniswall, nichts weiter als die kahlen Wände zurücklassend, nach der Insel im Seddin-See hin- über. Da der Seddin-See nur eine Insel hat, so muß es Robins- Eiland gewesen sein. Hier bezogen sie zunächst ein Camp, in dessen Mitte Kahnis aus Balken und Bohlen eine Wohnstätte zusammen- nagelte, die halb Blockhaus, halb Bretterhütte war. Der Winter setzte alsbald hart ein; aber wer wie Kahnis drei Jahre lang von dem Fährpfennig der Gosener Colonisten und dem Markt-Ertrage seines Fischkastens gelebt hatte, der war eben nicht verwöhnt. Zudem verstand er sich darauf, den Unbilden der Witterung zu begegnen. Schilf, das er in dichten Bündeln auf sein Block- und Bretterhaus packte, dazu ein darüber gebreitetes altes Segeltuch, gaben Schutz gegen Regen und Kälte; eine Feuerstelle war bald aufgemauert, und lange bevor die Ostersonne im Seddin-See sich spiegelte, fand Kahnis, daß die alte Kuckucks-Wanduhr auf der Insel gerade so gut schlüge, wie daheim auf Kahniswall. Die Ziege gab Milch; an Fischen und Sumpfvögeln war Ueberfluß, und als die Brutzeit heran kam, lagen die Enten- und Kibitzeier zu vielen Hunderten rings um die Insel her. Allsonnabendlich brachte er seine Fische nach Cöpenick, kaufte Wochenbrot, und beobachtete das politische Wetterglas, vor Allem die Cöpenicker und ihre Ein- quartierung. Was er da sah und hörte, machte ihn nur fester in seinem Entschluß, das Kriegswetter erst vorüber ziehen zu lassen; das Franzosenzeug war gerade so, wie er es sich gedacht hatte, aber das Weiberzeug war viel schlimmer. Er beglückwünschte sich
immer die Ehemänner in ihrer Bedrängniß und that Alles „um der Kinder willen“. Hanne war eine gute Frau und zärtliche Mutter; zudem hielt ihre Erkenntniß gerade die Höhe von Schmöck- witz. Sie gab alſo unſerem Kahnis einen herzhaften Kuß, zum Zeichen, daß ſie mit Allem einverſtanden ſei. Und das iſt immer das Beſte was Frauen thun können.“
Capitain Backhuſen nickte abermals zuſtimmend.
„Geſagt, gethan. Viel Zeit war ohnehin nicht zu verlieren. Unſere Fährleute gingen raſch an’s Werk, und das Einſchiffen ihrer Habſeligkeiten begann. Das große Fährboot hatte ja Platz vollauf. Betten und Wiege, die Bibel und die Kuckucksuhr, die Kinder und die Ziege wurden geladen, und ehe die Sonne unter war, fuhren alle Inſaſſen von Kahniswall, nichts weiter als die kahlen Wände zurücklaſſend, nach der Inſel im Seddin-See hin- über. Da der Seddin-See nur eine Inſel hat, ſo muß es Robins- Eiland geweſen ſein. Hier bezogen ſie zunächſt ein Camp, in deſſen Mitte Kahnis aus Balken und Bohlen eine Wohnſtätte zuſammen- nagelte, die halb Blockhaus, halb Bretterhütte war. Der Winter ſetzte alsbald hart ein; aber wer wie Kahnis drei Jahre lang von dem Fährpfennig der Goſener Coloniſten und dem Markt-Ertrage ſeines Fiſchkaſtens gelebt hatte, der war eben nicht verwöhnt. Zudem verſtand er ſich darauf, den Unbilden der Witterung zu begegnen. Schilf, das er in dichten Bündeln auf ſein Block- und Bretterhaus packte, dazu ein darüber gebreitetes altes Segeltuch, gaben Schutz gegen Regen und Kälte; eine Feuerſtelle war bald aufgemauert, und lange bevor die Oſterſonne im Seddin-See ſich ſpiegelte, fand Kahnis, daß die alte Kuckucks-Wanduhr auf der Inſel gerade ſo gut ſchlüge, wie daheim auf Kahniswall. Die Ziege gab Milch; an Fiſchen und Sumpfvögeln war Ueberfluß, und als die Brutzeit heran kam, lagen die Enten- und Kibitzeier zu vielen Hunderten rings um die Inſel her. Allſonnabendlich brachte er ſeine Fiſche nach Cöpenick, kaufte Wochenbrot, und beobachtete das politiſche Wetterglas, vor Allem die Cöpenicker und ihre Ein- quartierung. Was er da ſah und hörte, machte ihn nur feſter in ſeinem Entſchluß, das Kriegswetter erſt vorüber ziehen zu laſſen; das Franzoſenzeug war gerade ſo, wie er es ſich gedacht hatte, aber das Weiberzeug war viel ſchlimmer. Er beglückwünſchte ſich
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immer die Ehemänner in ihrer Bedrängniß und that Alles „um
der Kinder willen“. Hanne war eine gute Frau und zärtliche
Mutter; zudem hielt ihre Erkenntniß gerade die Höhe von Schmöck-
witz. Sie gab alſo unſerem Kahnis einen herzhaften Kuß, zum
Zeichen, daß ſie mit Allem einverſtanden ſei. Und das iſt immer
das Beſte was Frauen thun können.“
Capitain Backhuſen nickte abermals zuſtimmend.
„Geſagt, gethan. Viel Zeit war ohnehin nicht zu verlieren.
Unſere Fährleute gingen raſch an’s Werk, und das Einſchiffen
ihrer Habſeligkeiten begann. Das große Fährboot hatte ja Platz
vollauf. Betten und Wiege, die Bibel und die Kuckucksuhr, die
Kinder und die Ziege wurden geladen, und ehe die Sonne unter
war, fuhren alle Inſaſſen von Kahniswall, nichts weiter als die
kahlen Wände zurücklaſſend, nach der Inſel im Seddin-See hin-
über. Da der Seddin-See nur eine Inſel hat, ſo muß es Robins-
Eiland geweſen ſein. Hier bezogen ſie zunächſt ein Camp, in deſſen
Mitte Kahnis aus Balken und Bohlen eine Wohnſtätte zuſammen-
nagelte, die halb Blockhaus, halb Bretterhütte war. Der Winter
ſetzte alsbald hart ein; aber wer wie Kahnis drei Jahre lang von
dem Fährpfennig der Goſener Coloniſten und dem Markt-Ertrage
ſeines Fiſchkaſtens gelebt hatte, der war eben nicht verwöhnt.
Zudem verſtand er ſich darauf, den Unbilden der Witterung zu
begegnen. Schilf, das er in dichten Bündeln auf ſein Block- und
Bretterhaus packte, dazu ein darüber gebreitetes altes Segeltuch,
gaben Schutz gegen Regen und Kälte; eine Feuerſtelle war bald
aufgemauert, und lange bevor die Oſterſonne im Seddin-See ſich
ſpiegelte, fand Kahnis, daß die alte Kuckucks-Wanduhr auf der
Inſel gerade ſo gut ſchlüge, wie daheim auf Kahniswall. Die
Ziege gab Milch; an Fiſchen und Sumpfvögeln war Ueberfluß, und
als die Brutzeit heran kam, lagen die Enten- und Kibitzeier zu
vielen Hunderten rings um die Inſel her. Allſonnabendlich brachte
er ſeine Fiſche nach Cöpenick, kaufte Wochenbrot, und beobachtete
das politiſche Wetterglas, vor Allem die Cöpenicker und ihre Ein-
quartierung. Was er da ſah und hörte, machte ihn nur feſter in
ſeinem Entſchluß, das Kriegswetter erſt vorüber ziehen zu laſſen;
das Franzoſenzeug war gerade ſo, wie er es ſich gedacht hatte,
aber das Weiberzeug war viel ſchlimmer. Er beglückwünſchte ſich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/86>, abgerufen am 25.11.2024.
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