werdender Beleuchtung durch unsere Thür hereinschienen; nur von Zeit zu Zeit wandte sich der Blick auch unserer nächsten Umgebung, vor Allem der Cajüte selber und ihrer compendiösen Einrichtung zu. Es fehlte Nichts. Von der in Zapfen hängenden, alle Be- wegungen des Bootes mitmachenden Lampen-Vorrichtung an bis zu der kleinen Druckmaschine herab, die die Cigarrenspitzen ab- schneidet, war Alles da. Flaschen, Gläser und Flacons standen eingepaßt in ihren Behältern; überall Polster und Kissen, jeder Gegenstand des Comforts und der Toilette vertreten. Eß- und Spieltische konnten aufgeklappt oder ausgezogen werden. Das Ganze beständig an jene Carlsbader Etuis erinnernd, die in zwei zusammenpassenden Nußschalen eine Scheere, einen Fingerhut, einen Bindlochstecher und eine Nadelbüchse enthalten, während man doch annehmen sollte, daß der Fingerhut allein schon ausreichen müßte, das Etui zu füllen.
Nach dem Frühstück, dem namentlich unser Supercargo durch allerhand culinarische Apercus eine höhere Weihe zu geben wußte, stiegen wir auf Deck, und hatten nun die Wald- und Wasser- Landschaft, die wir, während der letzten Stunde, nur in Ausschnitten kennen gelernt hatten, in ihrer Totalität vor uns. Ein klarer, lichter Tag; blauer Himmel und Sonne, und doch ein feiner grauer Nebelschleier, der, über Wasser und Landschaft liegend, Alles milderte und dämpfte. An den Ufern hin -- ein seltener An- blick im norddeutschen Flachland -- standen hochaufgeschichtete Holzmeiler, bestimmt, zu Kohle verbrannt zu werden. Wie mir versichert wurde, eine Folge des Raupenfraßes, der nur noch diese Verwendung der geschädigten Kiefernwaldungen gestattet, oder sie doch als die vortheilhafteste erscheinen läßt. Zwischen den Holz- meilern, und auf eine weite Strecke hin mit ihnen abwechselnd, erhoben sich die Kolossalbauten der Berliner Eiswerke, die, halb wie Riesenschuppen einer Fabrik-Anlage, halb wie die Gradir- wände einer Saline dreinschauten. Zu meiner Ueberraschung erfuhr ich, daß auch zu Zeiten Feuer in ihnen ausbricht.
Eingesprenkelt in diese Meiler und Eiswerke, die auf weithin die Ufer beherrschen und ihnen den Charakter geben, präsentirten sich auch Villen-Anlagen, die in allen erdenklichen Spielarten, namentlich im italienischen und englischen Castell-Stil, zu uns
werdender Beleuchtung durch unſere Thür hereinſchienen; nur von Zeit zu Zeit wandte ſich der Blick auch unſerer nächſten Umgebung, vor Allem der Cajüte ſelber und ihrer compendiöſen Einrichtung zu. Es fehlte Nichts. Von der in Zapfen hängenden, alle Be- wegungen des Bootes mitmachenden Lampen-Vorrichtung an bis zu der kleinen Druckmaſchine herab, die die Cigarrenſpitzen ab- ſchneidet, war Alles da. Flaſchen, Gläſer und Flacons ſtanden eingepaßt in ihren Behältern; überall Polſter und Kiſſen, jeder Gegenſtand des Comforts und der Toilette vertreten. Eß- und Spieltiſche konnten aufgeklappt oder ausgezogen werden. Das Ganze beſtändig an jene Carlsbader Etuis erinnernd, die in zwei zuſammenpaſſenden Nußſchalen eine Scheere, einen Fingerhut, einen Bindlochſtecher und eine Nadelbüchſe enthalten, während man doch annehmen ſollte, daß der Fingerhut allein ſchon ausreichen müßte, das Etui zu füllen.
Nach dem Frühſtück, dem namentlich unſer Supercargo durch allerhand culinariſche Aperçus eine höhere Weihe zu geben wußte, ſtiegen wir auf Deck, und hatten nun die Wald- und Waſſer- Landſchaft, die wir, während der letzten Stunde, nur in Ausſchnitten kennen gelernt hatten, in ihrer Totalität vor uns. Ein klarer, lichter Tag; blauer Himmel und Sonne, und doch ein feiner grauer Nebelſchleier, der, über Waſſer und Landſchaft liegend, Alles milderte und dämpfte. An den Ufern hin — ein ſeltener An- blick im norddeutſchen Flachland — ſtanden hochaufgeſchichtete Holzmeiler, beſtimmt, zu Kohle verbrannt zu werden. Wie mir verſichert wurde, eine Folge des Raupenfraßes, der nur noch dieſe Verwendung der geſchädigten Kiefernwaldungen geſtattet, oder ſie doch als die vortheilhafteſte erſcheinen läßt. Zwiſchen den Holz- meilern, und auf eine weite Strecke hin mit ihnen abwechſelnd, erhoben ſich die Koloſſalbauten der Berliner Eiswerke, die, halb wie Rieſenſchuppen einer Fabrik-Anlage, halb wie die Gradir- wände einer Saline dreinſchauten. Zu meiner Ueberraſchung erfuhr ich, daß auch zu Zeiten Feuer in ihnen ausbricht.
Eingeſprenkelt in dieſe Meiler und Eiswerke, die auf weithin die Ufer beherrſchen und ihnen den Charakter geben, präſentirten ſich auch Villen-Anlagen, die in allen erdenklichen Spielarten, namentlich im italieniſchen und engliſchen Caſtell-Stil, zu uns
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werdender Beleuchtung durch unſere Thür hereinſchienen; nur von
Zeit zu Zeit wandte ſich der Blick auch unſerer nächſten Umgebung,
vor Allem der Cajüte ſelber und ihrer compendiöſen Einrichtung
zu. Es fehlte Nichts. Von der in Zapfen hängenden, alle Be-
wegungen des Bootes mitmachenden Lampen-Vorrichtung an bis
zu der kleinen Druckmaſchine herab, die die Cigarrenſpitzen ab-
ſchneidet, war Alles da. Flaſchen, Gläſer und Flacons ſtanden
eingepaßt in ihren Behältern; überall Polſter und Kiſſen, jeder
Gegenſtand des Comforts und der Toilette vertreten. Eß- und
Spieltiſche konnten aufgeklappt oder ausgezogen werden. Das
Ganze beſtändig an jene Carlsbader Etuis erinnernd, die in zwei
zuſammenpaſſenden Nußſchalen eine Scheere, einen Fingerhut, einen
Bindlochſtecher und eine Nadelbüchſe enthalten, während man doch
annehmen ſollte, daß der Fingerhut allein ſchon ausreichen müßte,
das Etui zu füllen.
Nach dem Frühſtück, dem namentlich unſer Supercargo durch
allerhand culinariſche Aperçus eine höhere Weihe zu geben wußte,
ſtiegen wir auf Deck, und hatten nun die Wald- und Waſſer-
Landſchaft, die wir, während der letzten Stunde, nur in Ausſchnitten
kennen gelernt hatten, in ihrer Totalität vor uns. Ein klarer,
lichter Tag; blauer Himmel und Sonne, und doch ein feiner grauer
Nebelſchleier, der, über Waſſer und Landſchaft liegend, Alles
milderte und dämpfte. An den Ufern hin — ein ſeltener An-
blick im norddeutſchen Flachland — ſtanden hochaufgeſchichtete
Holzmeiler, beſtimmt, zu Kohle verbrannt zu werden. Wie mir
verſichert wurde, eine Folge des Raupenfraßes, der nur noch dieſe
Verwendung der geſchädigten Kiefernwaldungen geſtattet, oder ſie
doch als die vortheilhafteſte erſcheinen läßt. Zwiſchen den Holz-
meilern, und auf eine weite Strecke hin mit ihnen abwechſelnd,
erhoben ſich die Koloſſalbauten der Berliner Eiswerke, die, halb
wie Rieſenſchuppen einer Fabrik-Anlage, halb wie die Gradir-
wände einer Saline dreinſchauten. Zu meiner Ueberraſchung erfuhr
ich, daß auch zu Zeiten Feuer in ihnen ausbricht.
Eingeſprenkelt in dieſe Meiler und Eiswerke, die auf weithin
die Ufer beherrſchen und ihnen den Charakter geben, präſentirten
ſich auch Villen-Anlagen, die in allen erdenklichen Spielarten,
namentlich im italieniſchen und engliſchen Caſtell-Stil, zu uns
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/82>, abgerufen am 25.11.2024.
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