bahn bis Cafe Lubow zurück. Eine Strecke von rund drei Meilen. Ich darf sagen, es wird dabei mehr Kunst gezeigt, als mancher von uns Spreefahrern erwarten möchte."
"Und wer entscheidet über Sieg und Preis?"
"Die Schiedsrichter. Und dieses Schiedsrichteramt ist nun freilich das Schwerste von Allem. Es handelt sich nämlich immer wieder darum, durch minutiöseste Rechnungen festzustellen, wie viele halbe und viertel Secunden Vergütigung jedes Boot im Verhältniß zu seiner Größe zu empfangen oder zu gewähren hat. Nur nach dem Resultat dieser Berechnung werden die Preise vertheilt, so daß es vorkommen kann, daß das drittschnellste Boot leer ausgeht und das drittlangsamste gewinnt."
"Es würde mich freuen, an einer dieser Regatten Theil nehmen zu dürfen."
"Da lad' ich Sie auf nächstes Jahr an Bord der "Sphinx". Sie sollen uns willkommen sein. Ja, es ist ein Vergnügen, wie es kein größeres gibt, solche Wettfahrt mit vollen Segeln, zumal wenn es stark windet, und nun allerhand Unberechenbarkeiten hier zu Havarien führen, dort Boot und Mannschaft mit Niederlage bedrohen. So das letzte Mal. Wir musterten 31 Fahrzeuge, ein wundervoller Anblick; aber nur 25 erreichten das Ziel. Die anderen sechs hatten Schiffbruch gelitten. Der "Elektra", unserem schönsten und größten Boot, brach der Mast glatt über Deck ab und stürzte sammt der Takelage in den Seddin-See; der "Styx" rannte fest; der "Forelle" platzte von dem mächtigen Segeldruck die Wanten- verbolzung und hob sich aus dem Schiffskörper heraus; der "Sturmvogel" zog Wasser und mußte Gummiplatten auf die Lecks nageln, um sich zu halten. Ein nicht geringerer Unfall traf die "Undine". Ihr riß der Leitwagen aus, der das Segel hält und zwar gerad' in dem kritischen Moment des Lavirens. Aber Willy Krüger, der sie führte, setzte sich als lebender Ballast auf den Leit- wagen und ließ sich halb durch die Wellen schleppen. So glückte es ihm, die Regatta wenn nicht siegreich, so doch ruhmreich mit auszusegeln."
"Das klingt gut. Es würde mich nach dem Allen kaum Wunder nehmen, Ihren Seglerclub zu einer Vorschule für unsere Flotte heranwachsen zu sehen."
bahn bis Café Lubow zurück. Eine Strecke von rund drei Meilen. Ich darf ſagen, es wird dabei mehr Kunſt gezeigt, als mancher von uns Spreefahrern erwarten möchte.“
„Und wer entſcheidet über Sieg und Preis?“
„Die Schiedsrichter. Und dieſes Schiedsrichteramt iſt nun freilich das Schwerſte von Allem. Es handelt ſich nämlich immer wieder darum, durch minutiöſeſte Rechnungen feſtzuſtellen, wie viele halbe und viertel Secunden Vergütigung jedes Boot im Verhältniß zu ſeiner Größe zu empfangen oder zu gewähren hat. Nur nach dem Reſultat dieſer Berechnung werden die Preiſe vertheilt, ſo daß es vorkommen kann, daß das drittſchnellſte Boot leer ausgeht und das drittlangſamſte gewinnt.“
„Es würde mich freuen, an einer dieſer Regatten Theil nehmen zu dürfen.“
„Da lad’ ich Sie auf nächſtes Jahr an Bord der „Sphinx“. Sie ſollen uns willkommen ſein. Ja, es iſt ein Vergnügen, wie es kein größeres gibt, ſolche Wettfahrt mit vollen Segeln, zumal wenn es ſtark windet, und nun allerhand Unberechenbarkeiten hier zu Havarien führen, dort Boot und Mannſchaft mit Niederlage bedrohen. So das letzte Mal. Wir muſterten 31 Fahrzeuge, ein wundervoller Anblick; aber nur 25 erreichten das Ziel. Die anderen ſechs hatten Schiffbruch gelitten. Der „Elektra“, unſerem ſchönſten und größten Boot, brach der Maſt glatt über Deck ab und ſtürzte ſammt der Takelage in den Seddin-See; der „Styx“ rannte feſt; der „Forelle“ platzte von dem mächtigen Segeldruck die Wanten- verbolzung und hob ſich aus dem Schiffskörper heraus; der „Sturmvogel“ zog Waſſer und mußte Gummiplatten auf die Lecks nageln, um ſich zu halten. Ein nicht geringerer Unfall traf die „Undine“. Ihr riß der Leitwagen aus, der das Segel hält und zwar gerad’ in dem kritiſchen Moment des Lavirens. Aber Willy Krüger, der ſie führte, ſetzte ſich als lebender Ballaſt auf den Leit- wagen und ließ ſich halb durch die Wellen ſchleppen. So glückte es ihm, die Regatta wenn nicht ſiegreich, ſo doch ruhmreich mit auszuſegeln.“
„Das klingt gut. Es würde mich nach dem Allen kaum Wunder nehmen, Ihren Seglerclub zu einer Vorſchule für unſere Flotte heranwachſen zu ſehen.“
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bahn bis Café Lubow zurück. Eine Strecke von rund drei Meilen.
Ich darf ſagen, es wird dabei mehr Kunſt gezeigt, als mancher
von uns Spreefahrern erwarten möchte.“
„Und wer entſcheidet über Sieg und Preis?“
„Die Schiedsrichter. Und dieſes Schiedsrichteramt iſt nun
freilich das Schwerſte von Allem. Es handelt ſich nämlich immer
wieder darum, durch minutiöſeſte Rechnungen feſtzuſtellen, wie viele
halbe und viertel Secunden Vergütigung jedes Boot im Verhältniß
zu ſeiner Größe zu empfangen oder zu gewähren hat. Nur nach
dem Reſultat dieſer Berechnung werden die Preiſe vertheilt, ſo daß
es vorkommen kann, daß das drittſchnellſte Boot leer ausgeht und
das drittlangſamſte gewinnt.“
„Es würde mich freuen, an einer dieſer Regatten Theil nehmen
zu dürfen.“
„Da lad’ ich Sie auf nächſtes Jahr an Bord der „Sphinx“.
Sie ſollen uns willkommen ſein. Ja, es iſt ein Vergnügen, wie
es kein größeres gibt, ſolche Wettfahrt mit vollen Segeln, zumal
wenn es ſtark windet, und nun allerhand Unberechenbarkeiten hier
zu Havarien führen, dort Boot und Mannſchaft mit Niederlage
bedrohen. So das letzte Mal. Wir muſterten 31 Fahrzeuge, ein
wundervoller Anblick; aber nur 25 erreichten das Ziel. Die anderen
ſechs hatten Schiffbruch gelitten. Der „Elektra“, unſerem ſchönſten
und größten Boot, brach der Maſt glatt über Deck ab und ſtürzte
ſammt der Takelage in den Seddin-See; der „Styx“ rannte feſt;
der „Forelle“ platzte von dem mächtigen Segeldruck die Wanten-
verbolzung und hob ſich aus dem Schiffskörper heraus; der
„Sturmvogel“ zog Waſſer und mußte Gummiplatten auf die Lecks
nageln, um ſich zu halten. Ein nicht geringerer Unfall traf die
„Undine“. Ihr riß der Leitwagen aus, der das Segel hält und
zwar gerad’ in dem kritiſchen Moment des Lavirens. Aber Willy
Krüger, der ſie führte, ſetzte ſich als lebender Ballaſt auf den Leit-
wagen und ließ ſich halb durch die Wellen ſchleppen. So glückte
es ihm, die Regatta wenn nicht ſiegreich, ſo doch ruhmreich mit
auszuſegeln.“
„Das klingt gut. Es würde mich nach dem Allen kaum Wunder
nehmen, Ihren Seglerclub zu einer Vorſchule für unſere Flotte
heranwachſen zu ſehen.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/79>, abgerufen am 26.11.2024.
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