Daß ich des Großen Werdepunkt erseh', Hinauf zur Quelle denn der wendschen Spree, Die, räthselvoll, in Sumpf und Sandes mitten Im Dunkel ruht, bezweifelt und bestritten.
Am 6. Juli Vormittags empfing ich folgende vom Tage vorher datirten Zeilen: "Sehr geehrter Herr. Es würde mich außer- ordentlich freuen, Sie an einer Bootexpedition theilnehmen zu sehen, die Seitens der "Sphinx" am 7. früh von Cöpenick aus unternommen und bis Teupitz ausgedehnt werden soll. Es handelt sich, nach vorgängiger Passirung befahrenerer Wasserstraßen, um ein Vordringen bis zu den See- und Quellgebieten der "wendischen Spree", Gebiete, die selbst Ihnen vielleicht auf ihren märkischen Wanderungen unerschlossen geblieben sind. Einer brieflichen Rück- äußerung bedarf es nicht; ich und einige Freunde sehen Ihrem Eintreffen am 6. Abends mit Bestimmtheit entgegen. Sie finden uns an Bord. Ihr Backhusen." -- In einer Nachschrift war hin- zugefügt, daß die "Sphinx" bereits im Laufe des Tages an der Südspitze der Cöpenicker Schloßinsel vor Anker gehen werde.
Diese Zeilen versetzten mich in eine Aufregung, als ob es sich um ein Vordringen bis zu den See- und Quellgebieten des Nils gehandelt hätte. Und so wird es immer sein. Die Erfüllung eines Lieblingswunsches, sei der Wunsch selber wie er wolle, be- rührt uns wie Weihnachtsfreude. Das Herz bleibt ein Kind. Ich war sofort entschlossen, an der Expedition Theil zu nehmen, breitete den "Kreis Teltow" vor mir aus, und schwelgte vorweg in den
An Bord der „Sphinx“.
Daß ich des Großen Werdepunkt erſeh’, Hinauf zur Quelle denn der wendſchen Spree, Die, räthſelvoll, in Sumpf und Sandes mitten Im Dunkel ruht, bezweifelt und beſtritten.
Am 6. Juli Vormittags empfing ich folgende vom Tage vorher datirten Zeilen: „Sehr geehrter Herr. Es würde mich außer- ordentlich freuen, Sie an einer Bootexpedition theilnehmen zu ſehen, die Seitens der „Sphinx“ am 7. früh von Cöpenick aus unternommen und bis Teupitz ausgedehnt werden ſoll. Es handelt ſich, nach vorgängiger Paſſirung befahrenerer Waſſerſtraßen, um ein Vordringen bis zu den See- und Quellgebieten der „wendiſchen Spree“, Gebiete, die ſelbſt Ihnen vielleicht auf ihren märkiſchen Wanderungen unerſchloſſen geblieben ſind. Einer brieflichen Rück- äußerung bedarf es nicht; ich und einige Freunde ſehen Ihrem Eintreffen am 6. Abends mit Beſtimmtheit entgegen. Sie finden uns an Bord. Ihr Backhuſen.“ — In einer Nachſchrift war hin- zugefügt, daß die „Sphinx“ bereits im Laufe des Tages an der Südſpitze der Cöpenicker Schloßinſel vor Anker gehen werde.
Dieſe Zeilen verſetzten mich in eine Aufregung, als ob es ſich um ein Vordringen bis zu den See- und Quellgebieten des Nils gehandelt hätte. Und ſo wird es immer ſein. Die Erfüllung eines Lieblingswunſches, ſei der Wunſch ſelber wie er wolle, be- rührt uns wie Weihnachtsfreude. Das Herz bleibt ein Kind. Ich war ſofort entſchloſſen, an der Expedition Theil zu nehmen, breitete den „Kreis Teltow“ vor mir aus, und ſchwelgte vorweg in den
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An Bord der „Sphinx“.
Daß ich des Großen Werdepunkt erſeh’,
Hinauf zur Quelle denn der wendſchen Spree,
Die, räthſelvoll, in Sumpf und Sandes mitten
Im Dunkel ruht, bezweifelt und beſtritten.
Am 6. Juli Vormittags empfing ich folgende vom Tage vorher
datirten Zeilen: „Sehr geehrter Herr. Es würde mich außer-
ordentlich freuen, Sie an einer Bootexpedition theilnehmen zu
ſehen, die Seitens der „Sphinx“ am 7. früh von Cöpenick aus
unternommen und bis Teupitz ausgedehnt werden ſoll. Es handelt
ſich, nach vorgängiger Paſſirung befahrenerer Waſſerſtraßen, um
ein Vordringen bis zu den See- und Quellgebieten der „wendiſchen
Spree“, Gebiete, die ſelbſt Ihnen vielleicht auf ihren märkiſchen
Wanderungen unerſchloſſen geblieben ſind. Einer brieflichen Rück-
äußerung bedarf es nicht; ich und einige Freunde ſehen Ihrem
Eintreffen am 6. Abends mit Beſtimmtheit entgegen. Sie finden
uns an Bord. Ihr Backhuſen.“ — In einer Nachſchrift war hin-
zugefügt, daß die „Sphinx“ bereits im Laufe des Tages an der
Südſpitze der Cöpenicker Schloßinſel vor Anker gehen werde.
Dieſe Zeilen verſetzten mich in eine Aufregung, als ob es ſich
um ein Vordringen bis zu den See- und Quellgebieten des Nils
gehandelt hätte. Und ſo wird es immer ſein. Die Erfüllung
eines Lieblingswunſches, ſei der Wunſch ſelber wie er wolle, be-
rührt uns wie Weihnachtsfreude. Das Herz bleibt ein Kind. Ich
war ſofort entſchloſſen, an der Expedition Theil zu nehmen, breitete
den „Kreis Teltow“ vor mir aus, und ſchwelgte vorweg in den
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. [57]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/73>, abgerufen am 26.11.2024.
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