All dies machte den größten Lärm, und als Luther in Wittenberg davon hörte, war er höchst unzufrieden und schrieb an einen Freund: "Ich habe hier weiter Nichts erfahren, als daß Nikolaus von Minckwitz mit einer zusammengebrachten Schaar die Stadt Fürstenwalde, den Sitz des lebusischen Bischofs, über- fallen hat. Ich weiß nicht, aus welchem Grunde und zu welchem Zweck. Es mißfällt mir aber außerordentlich, wenn gleich es heißt, daß Alles ohne Mord und Brand geschehen und daß vielmehr nur geplündert worden sei. Wenn ich von Mißfallen spreche, so heg' ich ein solches nicht blos darum, weil sich das Unternehmen gegen die staatliche Gewalt richtete, sondern namentlich deshalb, weil es das Evangelium mit einer neuen großen Gehässigkeit belastet. So zwingt man uns, die Unschuldigen, für die Frevelthaten anderer zu büßen. Gäbe doch Christus, daß dem ein Ende sei, vor allem aber, daß jener Minckwitz nicht noch Schlimmeres begehe. Was übrigens den Lebuser Bischof betrifft, so soll er in der ganzen Mark überall verhaßt sein."
In dieser Annahme "von dem allgemeinen Verhaßtsein des Bischofs" mochte Luther im Großen und Ganzen Recht haben; andrerseits aber war es nicht minder gewiß, daß er, der Bischof, beim Kurfürsten Joachim in hohen Gnaden stand. Ungesäumt ließ dieser letztre denn auch einen Befehl ergehen, in welchem er das ganze märkische Land aufforderte, seine Kraft einzusetzen, um vor Sonnenwalde zu ziehn und das alte Minckwitzen-Schloß zu zerstören. Es fehlte nicht an Geneigtheit, diesem Befehle nachzu- kommen, und blos aus der Stadt Wittstock erschienen 140 wohl- bewaffnete Bürger, die der Havelberger Bischof in Person dem Kurfürsten und seinem Heere zuführte, welches letztre sich bei Berlin zusammenzog und nach der Angabe mehrerer in dem spätern Prozeß als Zeugen auftretenden Edelleute, aus 6000 Reitern und 40,000 Mann Fußvolk bestand. Aber auch Minckwitz war nicht müßig. Er suchte nicht blos sein Schloß, das ohnehin für fast uneinnehmbar galt, in noch besseren Vertheidigungszustand zu setzen, sondern ging auch außer Landes, um Truppen anzuwerben, mit denen er, wenn Joachim vor Sonnenwalde zöge, seinerseits in die Mark einfallen wollte.
Keinenfalls war Minckwitz gefährdeter als der Kurfürst, eine
Fontane, Wanderungen. IV. 4
All dies machte den größten Lärm, und als Luther in Wittenberg davon hörte, war er höchſt unzufrieden und ſchrieb an einen Freund: „Ich habe hier weiter Nichts erfahren, als daß Nikolaus von Minckwitz mit einer zuſammengebrachten Schaar die Stadt Fürſtenwalde, den Sitz des lebuſiſchen Biſchofs, über- fallen hat. Ich weiß nicht, aus welchem Grunde und zu welchem Zweck. Es mißfällt mir aber außerordentlich, wenn gleich es heißt, daß Alles ohne Mord und Brand geſchehen und daß vielmehr nur geplündert worden ſei. Wenn ich von Mißfallen ſpreche, ſo heg’ ich ein ſolches nicht blos darum, weil ſich das Unternehmen gegen die ſtaatliche Gewalt richtete, ſondern namentlich deshalb, weil es das Evangelium mit einer neuen großen Gehäſſigkeit belaſtet. So zwingt man uns, die Unſchuldigen, für die Frevelthaten anderer zu büßen. Gäbe doch Chriſtus, daß dem ein Ende ſei, vor allem aber, daß jener Minckwitz nicht noch Schlimmeres begehe. Was übrigens den Lebuſer Biſchof betrifft, ſo ſoll er in der ganzen Mark überall verhaßt ſein.“
In dieſer Annahme „von dem allgemeinen Verhaßtſein des Biſchofs“ mochte Luther im Großen und Ganzen Recht haben; andrerſeits aber war es nicht minder gewiß, daß er, der Biſchof, beim Kurfürſten Joachim in hohen Gnaden ſtand. Ungeſäumt ließ dieſer letztre denn auch einen Befehl ergehen, in welchem er das ganze märkiſche Land aufforderte, ſeine Kraft einzuſetzen, um vor Sonnenwalde zu ziehn und das alte Minckwitzen-Schloß zu zerſtören. Es fehlte nicht an Geneigtheit, dieſem Befehle nachzu- kommen, und blos aus der Stadt Wittſtock erſchienen 140 wohl- bewaffnete Bürger, die der Havelberger Biſchof in Perſon dem Kurfürſten und ſeinem Heere zuführte, welches letztre ſich bei Berlin zuſammenzog und nach der Angabe mehrerer in dem ſpätern Prozeß als Zeugen auftretenden Edelleute, aus 6000 Reitern und 40,000 Mann Fußvolk beſtand. Aber auch Minckwitz war nicht müßig. Er ſuchte nicht blos ſein Schloß, das ohnehin für faſt uneinnehmbar galt, in noch beſſeren Vertheidigungszuſtand zu ſetzen, ſondern ging auch außer Landes, um Truppen anzuwerben, mit denen er, wenn Joachim vor Sonnenwalde zöge, ſeinerſeits in die Mark einfallen wollte.
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Fontane, Wanderungen. IV. 4
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All dies machte den größten Lärm, und als Luther in
Wittenberg davon hörte, war er höchſt unzufrieden und ſchrieb an
einen Freund: „Ich habe hier weiter Nichts erfahren, als daß
Nikolaus von Minckwitz mit einer zuſammengebrachten Schaar
die Stadt Fürſtenwalde, den Sitz des lebuſiſchen Biſchofs, über-
fallen hat. Ich weiß nicht, aus welchem Grunde und zu welchem
Zweck. Es mißfällt mir aber außerordentlich, wenn gleich es heißt,
daß Alles ohne Mord und Brand geſchehen und daß vielmehr nur
geplündert worden ſei. Wenn ich von Mißfallen ſpreche, ſo heg’
ich ein ſolches nicht blos darum, weil ſich das Unternehmen gegen
die ſtaatliche Gewalt richtete, ſondern namentlich deshalb, weil es
das Evangelium mit einer neuen großen Gehäſſigkeit belaſtet. So
zwingt man uns, die Unſchuldigen, für die Frevelthaten anderer
zu büßen. Gäbe doch Chriſtus, daß dem ein Ende ſei, vor allem
aber, daß jener Minckwitz nicht noch Schlimmeres begehe. Was
übrigens den Lebuſer Biſchof betrifft, ſo ſoll er in der ganzen
Mark überall verhaßt ſein.“
In dieſer Annahme „von dem allgemeinen Verhaßtſein des
Biſchofs“ mochte Luther im Großen und Ganzen Recht haben;
andrerſeits aber war es nicht minder gewiß, daß er, der Biſchof,
beim Kurfürſten Joachim in hohen Gnaden ſtand. Ungeſäumt
ließ dieſer letztre denn auch einen Befehl ergehen, in welchem er
das ganze märkiſche Land aufforderte, ſeine Kraft einzuſetzen, um
vor Sonnenwalde zu ziehn und das alte Minckwitzen-Schloß zu
zerſtören. Es fehlte nicht an Geneigtheit, dieſem Befehle nachzu-
kommen, und blos aus der Stadt Wittſtock erſchienen 140 wohl-
bewaffnete Bürger, die der Havelberger Biſchof in Perſon dem
Kurfürſten und ſeinem Heere zuführte, welches letztre ſich bei Berlin
zuſammenzog und nach der Angabe mehrerer in dem ſpätern
Prozeß als Zeugen auftretenden Edelleute, aus 6000 Reitern und
40,000 Mann Fußvolk beſtand. Aber auch Minckwitz war nicht
müßig. Er ſuchte nicht blos ſein Schloß, das ohnehin für faſt
uneinnehmbar galt, in noch beſſeren Vertheidigungszuſtand zu
ſetzen, ſondern ging auch außer Landes, um Truppen anzuwerben,
mit denen er, wenn Joachim vor Sonnenwalde zöge, ſeinerſeits
in die Mark einfallen wollte.
Keinenfalls war Minckwitz gefährdeter als der Kurfürſt, eine
Fontane, Wanderungen. IV. 4
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/65>, abgerufen am 27.11.2024.
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