in seinem nur zu begreiflichen Unmuth über die Kränkung, die der Appell an den niederlausitzischen Landvogt ihm bereitet hatte, beschloß jetzt den kleinen Vasallen, der ihm diesen Tort angethan, seine starke Hand fühlen zu lassen. Bis dahin war alles mehr oder weniger unverschuldete Säumniß gewesen, wenigstens so weit der Bischof in Person mitspielte, nunmehr aber schob auch dieser die Rechtsgebung absichtlich hinaus, behauptete daß den Angaben des Queiß nicht ohne Weitres Glauben zu schenken sei, und ver- langte von ihm (dem Queiß), daß er sich dem Gerichts-Zuge nach Friedersdorf, allwo der Schäfer einen Unterschlupf gefunden, anschließen solle, damit gleich an Ort und Stelle Kläger und Beklagter einander gegenüber gestellt und ihre Sache gehört werden könne. Dieser Aufforderung aber, weil er dem Bischof nicht traute, widerstrebte der v. Queiß, und verlangte nur immer ein- dringlicher und hartnäckiger eine Verhaftung des Schäfers.
Eine Folge davon war, daß der Zug selbst unterblieb.
Erbittert über dies Verfahren, entschloß sich Queiß "wegen ihm verweigerten Rechtes" Rache zu nehmen und wandte sich an Otto v. Schlieben auf Baruth und den Ritter Nickel v. Minckwitz auf Sonnenwalde, mit welchen beiden er übereinkam, den wegen seines Stolzes überall im Lande wenig geliebten Bischof in seiner Stadt Fürstenwalde heimzusuchen und nach Sonnenwalde hin ge- fangen zu setzen.
Alle drei: Minckwitz, Schlieben und Queiß (welcher letztre von jetzt ab zurücktritt) hatten in Kürze 60 Reiter beisammen, mit denen sie den 7. Juli 1528 aufbrachen. Unterwegs aber vergrößerte sich ihr Zug bis auf 400 Berittene, darunter auch ein Kracht von Lindenberg und die beiden Löschebrands von Saarow und Pieskow.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Juli hielten sie vor Fürsten- walde. Die Thore waren selbstverständlich geschlossen, und Minck- witz ersann eine List, um ohne Lärm und Gefahr in die Stadt hinein zu kommen. Er hatte nämlich erkundschaftet, daß einige polnische Frachtfuhrleute, die zu früher Morgenstunde weiter öst- lich auf Frankfurt und die Oder zu wollten, in einer Vorstadts- Ausspannung Quartier genommen hätten, und schickte deshalb den Herrmann Schnipperling, einen v. Schliebenschen Diener, in eben
in ſeinem nur zu begreiflichen Unmuth über die Kränkung, die der Appell an den niederlauſitziſchen Landvogt ihm bereitet hatte, beſchloß jetzt den kleinen Vaſallen, der ihm dieſen Tort angethan, ſeine ſtarke Hand fühlen zu laſſen. Bis dahin war alles mehr oder weniger unverſchuldete Säumniß geweſen, wenigſtens ſo weit der Biſchof in Perſon mitſpielte, nunmehr aber ſchob auch dieſer die Rechtsgebung abſichtlich hinaus, behauptete daß den Angaben des Queiß nicht ohne Weitres Glauben zu ſchenken ſei, und ver- langte von ihm (dem Queiß), daß er ſich dem Gerichts-Zuge nach Friedersdorf, allwo der Schäfer einen Unterſchlupf gefunden, anſchließen ſolle, damit gleich an Ort und Stelle Kläger und Beklagter einander gegenüber geſtellt und ihre Sache gehört werden könne. Dieſer Aufforderung aber, weil er dem Biſchof nicht traute, widerſtrebte der v. Queiß, und verlangte nur immer ein- dringlicher und hartnäckiger eine Verhaftung des Schäfers.
Eine Folge davon war, daß der Zug ſelbſt unterblieb.
Erbittert über dies Verfahren, entſchloß ſich Queiß „wegen ihm verweigerten Rechtes“ Rache zu nehmen und wandte ſich an Otto v. Schlieben auf Baruth und den Ritter Nickel v. Minckwitz auf Sonnenwalde, mit welchen beiden er übereinkam, den wegen ſeines Stolzes überall im Lande wenig geliebten Biſchof in ſeiner Stadt Fürſtenwalde heimzuſuchen und nach Sonnenwalde hin ge- fangen zu ſetzen.
Alle drei: Minckwitz, Schlieben und Queiß (welcher letztre von jetzt ab zurücktritt) hatten in Kürze 60 Reiter beiſammen, mit denen ſie den 7. Juli 1528 aufbrachen. Unterwegs aber vergrößerte ſich ihr Zug bis auf 400 Berittene, darunter auch ein Kracht von Lindenberg und die beiden Löſchebrands von Saarow und Pieskow.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Juli hielten ſie vor Fürſten- walde. Die Thore waren ſelbſtverſtändlich geſchloſſen, und Minck- witz erſann eine Liſt, um ohne Lärm und Gefahr in die Stadt hinein zu kommen. Er hatte nämlich erkundſchaftet, daß einige polniſche Frachtfuhrleute, die zu früher Morgenſtunde weiter öſt- lich auf Frankfurt und die Oder zu wollten, in einer Vorſtadts- Ausſpannung Quartier genommen hätten, und ſchickte deshalb den Herrmann Schnipperling, einen v. Schliebenſchen Diener, in eben
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in ſeinem nur zu begreiflichen Unmuth über die Kränkung, die
der Appell an den niederlauſitziſchen Landvogt ihm bereitet hatte,
beſchloß jetzt den kleinen Vaſallen, der ihm dieſen Tort angethan,
ſeine ſtarke Hand fühlen zu laſſen. Bis dahin war alles mehr
oder weniger unverſchuldete Säumniß geweſen, wenigſtens ſo weit
der Biſchof in Perſon mitſpielte, nunmehr aber ſchob auch dieſer
die Rechtsgebung abſichtlich hinaus, behauptete daß den Angaben
des Queiß nicht ohne Weitres Glauben zu ſchenken ſei, und ver-
langte von ihm (dem Queiß), daß er ſich dem Gerichts-Zuge
nach Friedersdorf, allwo der Schäfer einen Unterſchlupf gefunden,
anſchließen ſolle, damit gleich an Ort und Stelle Kläger und
Beklagter einander gegenüber geſtellt und ihre Sache gehört werden
könne. Dieſer Aufforderung aber, weil er dem Biſchof nicht
traute, widerſtrebte der v. Queiß, und verlangte nur immer ein-
dringlicher und hartnäckiger eine Verhaftung des Schäfers.
Eine Folge davon war, daß der Zug ſelbſt unterblieb.
Erbittert über dies Verfahren, entſchloß ſich Queiß „wegen
ihm verweigerten Rechtes“ Rache zu nehmen und wandte ſich an
Otto v. Schlieben auf Baruth und den Ritter Nickel v. Minckwitz
auf Sonnenwalde, mit welchen beiden er übereinkam, den wegen
ſeines Stolzes überall im Lande wenig geliebten Biſchof in ſeiner
Stadt Fürſtenwalde heimzuſuchen und nach Sonnenwalde hin ge-
fangen zu ſetzen.
Alle drei: Minckwitz, Schlieben und Queiß (welcher letztre
von jetzt ab zurücktritt) hatten in Kürze 60 Reiter beiſammen,
mit denen ſie den 7. Juli 1528 aufbrachen. Unterwegs aber
vergrößerte ſich ihr Zug bis auf 400 Berittene, darunter auch
ein Kracht von Lindenberg und die beiden Löſchebrands von
Saarow und Pieskow.
In der Nacht vom 8. auf den 9. Juli hielten ſie vor Fürſten-
walde. Die Thore waren ſelbſtverſtändlich geſchloſſen, und Minck-
witz erſann eine Liſt, um ohne Lärm und Gefahr in die Stadt
hinein zu kommen. Er hatte nämlich erkundſchaftet, daß einige
polniſche Frachtfuhrleute, die zu früher Morgenſtunde weiter öſt-
lich auf Frankfurt und die Oder zu wollten, in einer Vorſtadts-
Ausſpannung Quartier genommen hätten, und ſchickte deshalb den
Herrmann Schnipperling, einen v. Schliebenſchen Diener, in eben
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/62>, abgerufen am 27.11.2024.
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