Die beiden Itzenplitzischen Frauen-Portraits, die dieselbe Wand schmücken, sind in Ausdruck und Vortragsweise nur Durchschnitt. Alles Interesse verbleibt also ihm, und wer die Geschichte dieses vielfach verkannten und unterschätzten Mannes dermaleinst zu schreiben gedenkt, wird an diesen Groß-Rietzer Bildnissen nicht vorübergehen dürfen. Sie lehren uns manches in seinem Leben und Charakter verstehn.
Inzwischen war die Sonne gesunken, und als wir jetzt aus dem Saal auf die große Freitreppe hinaustraten, stand der Voll- mond bereits in aller Klarheit am Himmel. Ihn als Leuchte zur Seite, gingen wir auf die nahgelegene Kirche zu, hinter deren Fenstern ich ein paar Epithaphien und Trophäen in ihrem flimmernden Schmucke von Waffen und Goldbuchstaben erkannte. Dieser flimmernde Schmuck aber war nicht das, was meine Schritte hierher gelenkt hatte, vielmehr hielt ich mich jetzt auf die Mitte des Kirchhofs zu, wo von einer Gruppe von Ahorn-Platanen umstellt, ein großer Granit, ein Doppel-Grabstein lag, auf dem einfach die Namen standen: "J. C. v. Woellner und C. A. C. v. Woellner, geb. von Itzenplitz. Sonst nichts, weder Spruch, noch Inschrift. Um die Stätte her war braunes Laub hoch zu- sammengefegt und predigte wie der Stein selber von der Ver- gänglichkeit irdischer Dinge.
Moll war uns auf den Kirchhof gefolgt. Er schien einen Augenblick zu Reflexionen in dem eben angedeuteten Sinne ge- neigt, gab es aber doch auf und begnügte sich schließlich mit einer einfachen Wetterbetrachtung: "Ich dachte der Wind würd' uns einen Regen zusammenfegen. Aber es is nichts. Sehen Sie sich blos den Mond an; er hat nich mal 'nen Hof und steht so blank da wie'n Zehnmarkstück."
"Es is richtig. Aber Moll, warum sagen Sie blos Zehn- markstück?"
"Jott, ich dachte, vor die Gegend ..."
Und damit gingen wir auf das Gasthaus zu, wo mein Mammon- und Adelsfreund schon ein Zimmer für mich und zwar "auf der rechten Giebelseite" bestellt hatte.
"Gott, Moll, das ist ja die Mondseite."
Die beiden Itzenplitziſchen Frauen-Portraits, die dieſelbe Wand ſchmücken, ſind in Ausdruck und Vortragsweiſe nur Durchſchnitt. Alles Intereſſe verbleibt alſo ihm, und wer die Geſchichte dieſes vielfach verkannten und unterſchätzten Mannes dermaleinſt zu ſchreiben gedenkt, wird an dieſen Groß-Rietzer Bildniſſen nicht vorübergehen dürfen. Sie lehren uns manches in ſeinem Leben und Charakter verſtehn.
Inzwiſchen war die Sonne geſunken, und als wir jetzt aus dem Saal auf die große Freitreppe hinaustraten, ſtand der Voll- mond bereits in aller Klarheit am Himmel. Ihn als Leuchte zur Seite, gingen wir auf die nahgelegene Kirche zu, hinter deren Fenſtern ich ein paar Epithaphien und Trophäen in ihrem flimmernden Schmucke von Waffen und Goldbuchſtaben erkannte. Dieſer flimmernde Schmuck aber war nicht das, was meine Schritte hierher gelenkt hatte, vielmehr hielt ich mich jetzt auf die Mitte des Kirchhofs zu, wo von einer Gruppe von Ahorn-Platanen umſtellt, ein großer Granit, ein Doppel-Grabſtein lag, auf dem einfach die Namen ſtanden: „J. C. v. Woellner und C. A. C. v. Woellner, geb. von Itzenplitz. Sonſt nichts, weder Spruch, noch Inſchrift. Um die Stätte her war braunes Laub hoch zu- ſammengefegt und predigte wie der Stein ſelber von der Ver- gänglichkeit irdiſcher Dinge.
Moll war uns auf den Kirchhof gefolgt. Er ſchien einen Augenblick zu Reflexionen in dem eben angedeuteten Sinne ge- neigt, gab es aber doch auf und begnügte ſich ſchließlich mit einer einfachen Wetterbetrachtung: „Ich dachte der Wind würd’ uns einen Regen zuſammenfegen. Aber es is nichts. Sehen Sie ſich blos den Mond an; er hat nich mal ’nen Hof und ſteht ſo blank da wie’n Zehnmarkſtück.“
„Es is richtig. Aber Moll, warum ſagen Sie blos Zehn- markſtück?“
„Jott, ich dachte, vor die Gegend …“
Und damit gingen wir auf das Gaſthaus zu, wo mein Mammon- und Adelsfreund ſchon ein Zimmer für mich und zwar „auf der rechten Giebelſeite“ beſtellt hatte.
„Gott, Moll, das iſt ja die Mondſeite.“
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Alles Intereſſe verbleibt alſo ihm, und wer die Geſchichte dieſes
vielfach verkannten und unterſchätzten Mannes dermaleinſt zu
ſchreiben gedenkt, wird an dieſen Groß-Rietzer Bildniſſen nicht
vorübergehen dürfen. Sie lehren uns manches in ſeinem Leben
und Charakter verſtehn.
Inzwiſchen war die Sonne geſunken, und als wir jetzt aus
dem Saal auf die große Freitreppe hinaustraten, ſtand der Voll-
mond bereits in aller Klarheit am Himmel. Ihn als Leuchte
zur Seite, gingen wir auf die nahgelegene Kirche zu, hinter deren
Fenſtern ich ein paar Epithaphien und Trophäen in ihrem
flimmernden Schmucke von Waffen und Goldbuchſtaben erkannte.
Dieſer flimmernde Schmuck aber war nicht das, was meine
Schritte hierher gelenkt hatte, vielmehr hielt ich mich jetzt auf die
Mitte des Kirchhofs zu, wo von einer Gruppe von Ahorn-Platanen
umſtellt, ein großer Granit, ein Doppel-Grabſtein lag, auf dem
einfach die Namen ſtanden: „J. C. v. Woellner und C. A. C.
v. Woellner, geb. von Itzenplitz. Sonſt nichts, weder Spruch,
noch Inſchrift. Um die Stätte her war braunes Laub hoch zu-
ſammengefegt und predigte wie der Stein ſelber von der Ver-
gänglichkeit irdiſcher Dinge.
Moll war uns auf den Kirchhof gefolgt. Er ſchien einen
Augenblick zu Reflexionen in dem eben angedeuteten Sinne ge-
neigt, gab es aber doch auf und begnügte ſich ſchließlich mit einer
einfachen Wetterbetrachtung: „Ich dachte der Wind würd’ uns
einen Regen zuſammenfegen. Aber es is nichts. Sehen Sie ſich
blos den Mond an; er hat nich mal ’nen Hof und ſteht ſo blank
da wie’n Zehnmarkſtück.“
„Es is richtig. Aber Moll, warum ſagen Sie blos Zehn-
markſtück?“
„Jott, ich dachte, vor die Gegend …“
Und damit gingen wir auf das Gaſthaus zu, wo mein
Mammon- und Adelsfreund ſchon ein Zimmer für mich und zwar
„auf der rechten Giebelſeite“ beſtellt hatte.
„Gott, Moll, das iſt ja die Mondſeite.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/58>, abgerufen am 28.11.2024.
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