Betracht und ich fürchte fast, daß es auch an Historischem Ihnen nicht viel herausgeben wird."
"Es ist leider, wie Sie sagen. Ich war ein paar Stunden in Pieskow und dachte da wenigstens von den Löschebrands allerlei zu hören. Aber die Gruft ist zugeschüttet und die Grabsteine sind fort. Und es muß doch seinerzeit eine berühmte Familie ge- wesen sein."
"Gewiß, gewiß, und ich habe sie selber noch in guten Um- ständen gekannt, wenigstens unsre Pieskowsche Linie, trotzdem es schon auf die Neige ging. Und das alles seit Anno 93."
"Ei, das klingt ja gerad' als ob wir in Frankreich wären. In Frankreich, wie Sie wissen, datirt alles von Quatre-vingt-treize. Steht es damit in irgend einem Zusammenhange?"
Nicht in dem geringsten. Es handelt sich bei diesem Anno 93 um nichts mehr und nichts weniger als um die Pieskowsche Glocke, von der eine alte Prophezeihung sagte: "so lange die klingt, so lange dauert der Löschebrandten Glück." Und die Prophezeihung hielt auch Wort, und die Löschebrands waren nicht blos die Herren hier um den Schermützel herum, sie waren auch große Herren überhaupt und galten bei Hof und waren versippt und verschwägert mit allem, was reich und vornehm im Lande war. Ihr Liebstes aber war der "Dienst", und weil es immer schöne, stattliche Leute waren, so waren ihnen auch die schönsten und stattlichsten Regi- menter immer nur gerade gut genug, und alles, was als Lösche- brand in der Sarrow-Pieskowschen Taufliste stand, stand zwanzig Jahre später in der Rangliste der Garde du Corps und Gens- darmes. Es waren ächte Junkers, eigensinnig und hochmüthig, und ließen die Leute reden, und trotzdem sie nach Sitte jener Zeit über ihre Mittel hinaus lebten und eine wunderliche Wirth- schaft führten, erhielten sie sich doch in einem guten und zuletzt wenigstens in einem leidlichen Vermögens-Zustande, weil sich in alten Familien immer wieder was zusammenerbt."
"Aber freilich .."
".. Der Krug geht so lange zu Wasser bis er bricht, und als Pfingsten 93 kam und am Abend vorher das Fest eingeläutet werden sollte, da klapperte die Glocke, die beim Volke seit lange nur "der Löschebrandten Glück" hieß und sieben Menschenalter lang
Betracht und ich fürchte faſt, daß es auch an Hiſtoriſchem Ihnen nicht viel herausgeben wird.“
„Es iſt leider, wie Sie ſagen. Ich war ein paar Stunden in Pieskow und dachte da wenigſtens von den Löſchebrands allerlei zu hören. Aber die Gruft iſt zugeſchüttet und die Grabſteine ſind fort. Und es muß doch ſeinerzeit eine berühmte Familie ge- weſen ſein.“
„Gewiß, gewiß, und ich habe ſie ſelber noch in guten Um- ſtänden gekannt, wenigſtens unſre Pieskowſche Linie, trotzdem es ſchon auf die Neige ging. Und das alles ſeit Anno 93.“
„Ei, das klingt ja gerad’ als ob wir in Frankreich wären. In Frankreich, wie Sie wiſſen, datirt alles von Quatre-vingt-treize. Steht es damit in irgend einem Zuſammenhange?“
Nicht in dem geringſten. Es handelt ſich bei dieſem Anno 93 um nichts mehr und nichts weniger als um die Pieskowſche Glocke, von der eine alte Prophezeihung ſagte: „ſo lange die klingt, ſo lange dauert der Löſchebrandten Glück.“ Und die Prophezeihung hielt auch Wort, und die Löſchebrands waren nicht blos die Herren hier um den Schermützel herum, ſie waren auch große Herren überhaupt und galten bei Hof und waren verſippt und verſchwägert mit allem, was reich und vornehm im Lande war. Ihr Liebſtes aber war der „Dienſt“, und weil es immer ſchöne, ſtattliche Leute waren, ſo waren ihnen auch die ſchönſten und ſtattlichſten Regi- menter immer nur gerade gut genug, und alles, was als Löſche- brand in der Sarrow-Pieskowſchen Taufliſte ſtand, ſtand zwanzig Jahre ſpäter in der Rangliſte der Garde du Corps und Gens- darmes. Es waren ächte Junkers, eigenſinnig und hochmüthig, und ließen die Leute reden, und trotzdem ſie nach Sitte jener Zeit über ihre Mittel hinaus lebten und eine wunderliche Wirth- ſchaft führten, erhielten ſie ſich doch in einem guten und zuletzt wenigſtens in einem leidlichen Vermögens-Zuſtande, weil ſich in alten Familien immer wieder was zuſammenerbt.“
„Aber freilich ..“
„.. Der Krug geht ſo lange zu Waſſer bis er bricht, und als Pfingſten 93 kam und am Abend vorher das Feſt eingeläutet werden ſollte, da klapperte die Glocke, die beim Volke ſeit lange nur „der Löſchebrandten Glück“ hieß und ſieben Menſchenalter lang
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Betracht und ich fürchte faſt, daß es auch an Hiſtoriſchem Ihnen
nicht viel herausgeben wird.“
„Es iſt leider, wie Sie ſagen. Ich war ein paar Stunden
in Pieskow und dachte da wenigſtens von den Löſchebrands allerlei
zu hören. Aber die Gruft iſt zugeſchüttet und die Grabſteine
ſind fort. Und es muß doch ſeinerzeit eine berühmte Familie ge-
weſen ſein.“
„Gewiß, gewiß, und ich habe ſie ſelber noch in guten Um-
ſtänden gekannt, wenigſtens unſre Pieskowſche Linie, trotzdem es
ſchon auf die Neige ging. Und das alles ſeit Anno 93.“
„Ei, das klingt ja gerad’ als ob wir in Frankreich wären.
In Frankreich, wie Sie wiſſen, datirt alles von Quatre-vingt-treize.
Steht es damit in irgend einem Zuſammenhange?“
Nicht in dem geringſten. Es handelt ſich bei dieſem Anno 93
um nichts mehr und nichts weniger als um die Pieskowſche Glocke,
von der eine alte Prophezeihung ſagte: „ſo lange die klingt, ſo
lange dauert der Löſchebrandten Glück.“ Und die Prophezeihung
hielt auch Wort, und die Löſchebrands waren nicht blos die Herren
hier um den Schermützel herum, ſie waren auch große Herren
überhaupt und galten bei Hof und waren verſippt und verſchwägert
mit allem, was reich und vornehm im Lande war. Ihr Liebſtes
aber war der „Dienſt“, und weil es immer ſchöne, ſtattliche Leute
waren, ſo waren ihnen auch die ſchönſten und ſtattlichſten Regi-
menter immer nur gerade gut genug, und alles, was als Löſche-
brand in der Sarrow-Pieskowſchen Taufliſte ſtand, ſtand zwanzig
Jahre ſpäter in der Rangliſte der Garde du Corps und Gens-
darmes. Es waren ächte Junkers, eigenſinnig und hochmüthig,
und ließen die Leute reden, und trotzdem ſie nach Sitte jener
Zeit über ihre Mittel hinaus lebten und eine wunderliche Wirth-
ſchaft führten, erhielten ſie ſich doch in einem guten und zuletzt
wenigſtens in einem leidlichen Vermögens-Zuſtande, weil ſich in
alten Familien immer wieder was zuſammenerbt.“
„Aber freilich ..“
„.. Der Krug geht ſo lange zu Waſſer bis er bricht, und
als Pfingſten 93 kam und am Abend vorher das Feſt eingeläutet
werden ſollte, da klapperte die Glocke, die beim Volke ſeit lange
nur „der Löſchebrandten Glück“ hieß und ſieben Menſchenalter lang
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/52>, abgerufen am 28.11.2024.
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