von der Art, wie man ihnen auf Weinbergen und Wirthschafts- höfen als Eingang in Sprit- oder Eiskeller begegnet.
Es war also mit nur geringen Erwartungen, daß ich die Kirche betrat. Aber freilich auch dies Wenige sollte kaum erfüllt werden. An der einen Wand hingen ein paar Todtenkronen und Immortellenkränze, während über dem Altar ein Abendmahlsbild paradirte, darauf Judas um kein Haar breit schlimmer aussah als die zwölf andern, Christus mit eingerechnet. Ich übersah rasch, daß hier wenig zu machen sei, wollt' aber das Meine ge- than haben und sagte: "Sie wissen doch, daß es früher eine Löschebrandsche Kirche war und daß viele Löschebrands hier be- graben wurden?"
"Ich habe davon gehört, unser alter Emeritus ..."
"Und da wundert es mich, hier nichts als kahle Wände zu finden. Einer aus der Familie war mit Feldmarschall Illo ver- schwägert, ein andrer fiel bei Fehrbellin, und ein dritter soll sich gegen die Türken ausgezeichnet und dem Kuprili die große Pro- phetenfahne mit eigner Hand entrissen haben. Ich nenne nur diese drei. Nach meinen Erfahrungen nun auf diesem Gebiete geht man in unsren märkischen Familien über solche Dinge nicht gleichgültig fort, und wenn auch selbstverständlich die großen Ge- schichtsbücher nicht Zeit und Platz haben, ein Aufhebens davon zu machen, so thuen es doch die Kirchen und Krypten überall da, wo solche Schwertmagen und Kriegsgurgeln zu Hause waren. Und da gibt es denn immer allerlei Fahnenfetzen und zerbröckelte Feld- marschallsstäbe, Kettenkugeln und Stulpstiefel, und unter Um- ständen auch wohl rostige Degen, mit denen ein Bruder den andern über den Haufen gestochen. Ist denn garnicht so was hier? Es ist doch eigentlich genable für eine berühmte alte Fa- milie, wenn all dergleichen bei Todten und Lebendigen fehlt. Es darf nicht fehlen. Es muß dergleichen geben."
"Und es hat auch dergleichen gegeben. Hier in dieser Kirche. Wenn ich sage "dergleichen", so mein' ich nicht Degen mit Bruder- mord, denn ich will mir nichts an den Hals reden. Aber Grab- steine mit Inschriften und Engelsköpfen, und einen kupfernen Sarg mit einem Kuckfenster oben, all das und manch andres noch war da. Darüber ist kein Zweifel.
von der Art, wie man ihnen auf Weinbergen und Wirthſchafts- höfen als Eingang in Sprit- oder Eiskeller begegnet.
Es war alſo mit nur geringen Erwartungen, daß ich die Kirche betrat. Aber freilich auch dies Wenige ſollte kaum erfüllt werden. An der einen Wand hingen ein paar Todtenkronen und Immortellenkränze, während über dem Altar ein Abendmahlsbild paradirte, darauf Judas um kein Haar breit ſchlimmer ausſah als die zwölf andern, Chriſtus mit eingerechnet. Ich überſah raſch, daß hier wenig zu machen ſei, wollt’ aber das Meine ge- than haben und ſagte: „Sie wiſſen doch, daß es früher eine Löſchebrandſche Kirche war und daß viele Löſchebrands hier be- graben wurden?“
„Ich habe davon gehört, unſer alter Emeritus …“
„Und da wundert es mich, hier nichts als kahle Wände zu finden. Einer aus der Familie war mit Feldmarſchall Illo ver- ſchwägert, ein andrer fiel bei Fehrbellin, und ein dritter ſoll ſich gegen die Türken ausgezeichnet und dem Kuprili die große Pro- phetenfahne mit eigner Hand entriſſen haben. Ich nenne nur dieſe drei. Nach meinen Erfahrungen nun auf dieſem Gebiete geht man in unſren märkiſchen Familien über ſolche Dinge nicht gleichgültig fort, und wenn auch ſelbſtverſtändlich die großen Ge- ſchichtsbücher nicht Zeit und Platz haben, ein Aufhebens davon zu machen, ſo thuen es doch die Kirchen und Krypten überall da, wo ſolche Schwertmagen und Kriegsgurgeln zu Hauſe waren. Und da gibt es denn immer allerlei Fahnenfetzen und zerbröckelte Feld- marſchallsſtäbe, Kettenkugeln und Stulpſtiefel, und unter Um- ſtänden auch wohl roſtige Degen, mit denen ein Bruder den andern über den Haufen geſtochen. Iſt denn garnicht ſo was hier? Es iſt doch eigentlich gênable für eine berühmte alte Fa- milie, wenn all dergleichen bei Todten und Lebendigen fehlt. Es darf nicht fehlen. Es muß dergleichen geben.“
„Und es hat auch dergleichen gegeben. Hier in dieſer Kirche. Wenn ich ſage „dergleichen“, ſo mein’ ich nicht Degen mit Bruder- mord, denn ich will mir nichts an den Hals reden. Aber Grab- ſteine mit Inſchriften und Engelsköpfen, und einen kupfernen Sarg mit einem Kuckfenſter oben, all das und manch andres noch war da. Darüber iſt kein Zweifel.
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von der Art, wie man ihnen auf Weinbergen und Wirthſchafts-
höfen als Eingang in Sprit- oder Eiskeller begegnet.
Es war alſo mit nur geringen Erwartungen, daß ich die
Kirche betrat. Aber freilich auch dies Wenige ſollte kaum erfüllt
werden. An der einen Wand hingen ein paar Todtenkronen und
Immortellenkränze, während über dem Altar ein Abendmahlsbild
paradirte, darauf Judas um kein Haar breit ſchlimmer ausſah
als die zwölf andern, Chriſtus mit eingerechnet. Ich überſah
raſch, daß hier wenig zu machen ſei, wollt’ aber das Meine ge-
than haben und ſagte: „Sie wiſſen doch, daß es früher eine
Löſchebrandſche Kirche war und daß viele Löſchebrands hier be-
graben wurden?“
„Ich habe davon gehört, unſer alter Emeritus …“
„Und da wundert es mich, hier nichts als kahle Wände zu
finden. Einer aus der Familie war mit Feldmarſchall Illo ver-
ſchwägert, ein andrer fiel bei Fehrbellin, und ein dritter ſoll ſich
gegen die Türken ausgezeichnet und dem Kuprili die große Pro-
phetenfahne mit eigner Hand entriſſen haben. Ich nenne nur
dieſe drei. Nach meinen Erfahrungen nun auf dieſem Gebiete
geht man in unſren märkiſchen Familien über ſolche Dinge nicht
gleichgültig fort, und wenn auch ſelbſtverſtändlich die großen Ge-
ſchichtsbücher nicht Zeit und Platz haben, ein Aufhebens davon zu
machen, ſo thuen es doch die Kirchen und Krypten überall da, wo
ſolche Schwertmagen und Kriegsgurgeln zu Hauſe waren. Und
da gibt es denn immer allerlei Fahnenfetzen und zerbröckelte Feld-
marſchallsſtäbe, Kettenkugeln und Stulpſtiefel, und unter Um-
ſtänden auch wohl roſtige Degen, mit denen ein Bruder den
andern über den Haufen geſtochen. Iſt denn garnicht ſo was
hier? Es iſt doch eigentlich gênable für eine berühmte alte Fa-
milie, wenn all dergleichen bei Todten und Lebendigen fehlt. Es
darf nicht fehlen. Es muß dergleichen geben.“
„Und es hat auch dergleichen gegeben. Hier in dieſer Kirche.
Wenn ich ſage „dergleichen“, ſo mein’ ich nicht Degen mit Bruder-
mord, denn ich will mir nichts an den Hals reden. Aber Grab-
ſteine mit Inſchriften und Engelsköpfen, und einen kupfernen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/46>, abgerufen am 24.11.2024.
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