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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Braunschweig. Die Bürger huldigen ihm. -- Kolossalbild, für
den Thronsaal in Braunschweig bestimmt gewesen. Unvollendet.

Des Näheren auf diese Bilder einzugehen, müssen wir uns
versagen. Nur wenige Worte. "Christus vor Pilatus" pflegt als
seine beste Arbeit angesehen zu werden und wird in der That, in
Stil und Composition, von keinem andern seiner Bilder über-
troffen; wir dürften indessen kaum fehlgreifen, wenn wir, unter voller
Würdigung eines großen, ihm gewordenen Aneignungstalentes,
(dies Wort im besten Sinne genommen), dennoch der Ansicht sind,
daß seine vorzüglichste Begabung nach einer andern Seite hin lag.
In eine spätere Zeit gestellt, die, wenigstens in vielen ihrer besten
Schöpfungen, idealisirend an das reale Leben herantrat, würd
er ein geeigneteres Feld für seine Thätigkeit gefunden haben. Wir
kommen weiterhin auf diesen Punkt zurück.

Den 14. Mai 1847 starb ihm die geliebte Frau, an der er,
vom ersten Tag ihrer Bekanntschaft an, in schwärmerischer, immer
wachsender Neigung gehangen hatte. Hiermit war ein neuer
Wendepunkt in seinem Leben gegeben. Er nahm Abschied von
jenem heiteren Reiche der Kunst in das die Lallah-Rukh-Tage
ihn eingeführt, in welchem die römischen Tage ihn befestigt und die
30er Jahre ihn zu Ruhm und Ansehn erhoben hatten; er nahm
Abschied von diesem heiteren Reiche, sag' ich, wobei nur einzufügen
bleibt, daß dieses Scheiden ein allmälig vorbereitetes Ereigniß war.
Cornelius' Erscheinen in Berlin, die gewaltige Thätigkeit desselben
und vor allem die großartigen Entwürfe zum Campo Santo, die
gerade damals entstanden, hatten ihn bereits um die Mitte der
vierziger Jahre fühlen lassen, daß es vergeblich sei, neben diesem
Riesen zu ringen. Ein andres Gebiet sich unterthan zu machen,
dazu war es zu spät. Den Zeichenstift behielt er in der Hand,
aber die Palette that er bei Seite.

Die bald eintretenden 48er Vorgänge, schmerzlich wie sie für
sein loyales, ganz an dem alten Preußen hängendes Herz waren,
erleichterten ihm andrerseits in der Aufregung die sie schufen, den
Uebergang aus einem Lebensabschnitt in den andern: aus seinem
künstlerischen Schaffen in ein künstlerisches far niente. Die März-
tage sahen ihn in Waffen, der alte Jäger-Offizier lebte wieder auf,

Braunſchweig. Die Bürger huldigen ihm. — Koloſſalbild, für
den Thronſaal in Braunſchweig beſtimmt geweſen. Unvollendet.

Des Näheren auf dieſe Bilder einzugehen, müſſen wir uns
verſagen. Nur wenige Worte. „Chriſtus vor Pilatus“ pflegt als
ſeine beſte Arbeit angeſehen zu werden und wird in der That, in
Stil und Compoſition, von keinem andern ſeiner Bilder über-
troffen; wir dürften indeſſen kaum fehlgreifen, wenn wir, unter voller
Würdigung eines großen, ihm gewordenen Aneignungstalentes,
(dies Wort im beſten Sinne genommen), dennoch der Anſicht ſind,
daß ſeine vorzüglichſte Begabung nach einer andern Seite hin lag.
In eine ſpätere Zeit geſtellt, die, wenigſtens in vielen ihrer beſten
Schöpfungen, idealiſirend an das reale Leben herantrat, würd
er ein geeigneteres Feld für ſeine Thätigkeit gefunden haben. Wir
kommen weiterhin auf dieſen Punkt zurück.

Den 14. Mai 1847 ſtarb ihm die geliebte Frau, an der er,
vom erſten Tag ihrer Bekanntſchaft an, in ſchwärmeriſcher, immer
wachſender Neigung gehangen hatte. Hiermit war ein neuer
Wendepunkt in ſeinem Leben gegeben. Er nahm Abſchied von
jenem heiteren Reiche der Kunſt in das die Lallah-Rukh-Tage
ihn eingeführt, in welchem die römiſchen Tage ihn befeſtigt und die
30er Jahre ihn zu Ruhm und Anſehn erhoben hatten; er nahm
Abſchied von dieſem heiteren Reiche, ſag’ ich, wobei nur einzufügen
bleibt, daß dieſes Scheiden ein allmälig vorbereitetes Ereigniß war.
Cornelius’ Erſcheinen in Berlin, die gewaltige Thätigkeit deſſelben
und vor allem die großartigen Entwürfe zum Campo Santo, die
gerade damals entſtanden, hatten ihn bereits um die Mitte der
vierziger Jahre fühlen laſſen, daß es vergeblich ſei, neben dieſem
Rieſen zu ringen. Ein andres Gebiet ſich unterthan zu machen,
dazu war es zu ſpät. Den Zeichenſtift behielt er in der Hand,
aber die Palette that er bei Seite.

Die bald eintretenden 48er Vorgänge, ſchmerzlich wie ſie für
ſein loyales, ganz an dem alten Preußen hängendes Herz waren,
erleichterten ihm andrerſeits in der Aufregung die ſie ſchufen, den
Uebergang aus einem Lebensabſchnitt in den andern: aus ſeinem
künſtleriſchen Schaffen in ein künſtleriſches far niente. Die März-
tage ſahen ihn in Waffen, der alte Jäger-Offizier lebte wieder auf,

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[441/0457] Braunſchweig. Die Bürger huldigen ihm. — Koloſſalbild, für den Thronſaal in Braunſchweig beſtimmt geweſen. Unvollendet. Des Näheren auf dieſe Bilder einzugehen, müſſen wir uns verſagen. Nur wenige Worte. „Chriſtus vor Pilatus“ pflegt als ſeine beſte Arbeit angeſehen zu werden und wird in der That, in Stil und Compoſition, von keinem andern ſeiner Bilder über- troffen; wir dürften indeſſen kaum fehlgreifen, wenn wir, unter voller Würdigung eines großen, ihm gewordenen Aneignungstalentes, (dies Wort im beſten Sinne genommen), dennoch der Anſicht ſind, daß ſeine vorzüglichſte Begabung nach einer andern Seite hin lag. In eine ſpätere Zeit geſtellt, die, wenigſtens in vielen ihrer beſten Schöpfungen, idealiſirend an das reale Leben herantrat, würd er ein geeigneteres Feld für ſeine Thätigkeit gefunden haben. Wir kommen weiterhin auf dieſen Punkt zurück. Den 14. Mai 1847 ſtarb ihm die geliebte Frau, an der er, vom erſten Tag ihrer Bekanntſchaft an, in ſchwärmeriſcher, immer wachſender Neigung gehangen hatte. Hiermit war ein neuer Wendepunkt in ſeinem Leben gegeben. Er nahm Abſchied von jenem heiteren Reiche der Kunſt in das die Lallah-Rukh-Tage ihn eingeführt, in welchem die römiſchen Tage ihn befeſtigt und die 30er Jahre ihn zu Ruhm und Anſehn erhoben hatten; er nahm Abſchied von dieſem heiteren Reiche, ſag’ ich, wobei nur einzufügen bleibt, daß dieſes Scheiden ein allmälig vorbereitetes Ereigniß war. Cornelius’ Erſcheinen in Berlin, die gewaltige Thätigkeit deſſelben und vor allem die großartigen Entwürfe zum Campo Santo, die gerade damals entſtanden, hatten ihn bereits um die Mitte der vierziger Jahre fühlen laſſen, daß es vergeblich ſei, neben dieſem Rieſen zu ringen. Ein andres Gebiet ſich unterthan zu machen, dazu war es zu ſpät. Den Zeichenſtift behielt er in der Hand, aber die Palette that er bei Seite. Die bald eintretenden 48er Vorgänge, ſchmerzlich wie ſie für ſein loyales, ganz an dem alten Preußen hängendes Herz waren, erleichterten ihm andrerſeits in der Aufregung die ſie ſchufen, den Uebergang aus einem Lebensabſchnitt in den andern: aus ſeinem künſtleriſchen Schaffen in ein künſtleriſches far niente. Die März- tage ſahen ihn in Waffen, der alte Jäger-Offizier lebte wieder auf,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/457>, abgerufen am 23.11.2024.