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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Nachmittags-Sonnenschein flimmerte um die Gräber. Auf
den frisch aufgeschütteten Hügeln lagen halbverwelkte Kränze, die
Blumen, die vorherrschten, waren Schwertlilien, und Akazienduft
von umherstehenden Bäumen zog drüber hin. Das war an-
heimelnd genug. Aber nüchtern lagen die Steine, deutungslos
standen die Kreuze; Nam' an Name, Spruch an Spruch, nichts
was zu Herzen ging oder die Phantasie bewegte. Todt die Gräber
wie drinnen die Häuser.

Und so wandt' ich mich denn unwirsch in die Stadt zurück, um
es drinnen unter den Menschen noch einmal zu versuchen.

Aber wohin? Man wies mir einen Metzgerladen "dort geb' es
den besten Kaffe." Wohlan; ich acceptirte. Wenn man gar nichts
mehr anzufangen weiß, ist das Klappern mit der Tasse noch immer
das Gerathenste.

Des ersten Eindrucks wurd' ich nicht froh. An der Laden-
thüre links und rechts blitzten die herkömmlichen zwei Messing-
haken und an einem dieser Haken hing ein Hammel. Ich setzte mich
auf eine nebenstehende Bank und bestellte, was mir als "Speciali-
tät" gerühmt worden war. Unter einer schattengebenden Pappel
stand all die Zeit über der wohlwollend und distinguirt drein-
schauende Besitzer von Haus und Hof, in dem sich mehr und
mehr ein gewisses Unterhaltungsbedürfniß zu regen schien. Auch
in mir. Aber ich konnte nicht über die Frage weg, ob ich ihn Wirth
oder Meister anreden solle. Zu meinem Glücke wußt' ich damals
noch nichts von seiner "Major's-schaft", ich wäre sonst in der
Etiquettenfrage stecken geblieben. Endlich entschied ich mich für Wirth.

"Eine schöne reine Luft, Herr Wirth."

Dies war nun eigentlich nicht der Fall, denn der Hammel hing
viel zu nah, als daß ich wahrheitsgemäß eine solche Versicherung ab-
geben durfte. Der Angeredete jedoch schien es aufrichtig zu nehmen
und konnt' es auch vom unverwöhnten Standpunkte seines Metiers
aus. Er erwiederte mir deshalb freundlich:

"Eine schöne, reine Luft. Trebbin hat ein gute Luft."

Dieser Lokalpatriotismus, was sich auch gegen das Thatsäch-
liche sagen lassen mochte, that mir wohl und zwar um so wohler, als
ich in Betreff der wenigstens damals noch auf meinem Programme
stehenden "Nutheburgen" allerlei Hoffnung an einen so lokal-

Fontane Wanderungen. IV. 28

Nachmittags-Sonnenſchein flimmerte um die Gräber. Auf
den friſch aufgeſchütteten Hügeln lagen halbverwelkte Kränze, die
Blumen, die vorherrſchten, waren Schwertlilien, und Akazienduft
von umherſtehenden Bäumen zog drüber hin. Das war an-
heimelnd genug. Aber nüchtern lagen die Steine, deutungslos
ſtanden die Kreuze; Nam’ an Name, Spruch an Spruch, nichts
was zu Herzen ging oder die Phantaſie bewegte. Todt die Gräber
wie drinnen die Häuſer.

Und ſo wandt’ ich mich denn unwirſch in die Stadt zurück, um
es drinnen unter den Menſchen noch einmal zu verſuchen.

Aber wohin? Man wies mir einen Metzgerladen „dort geb’ es
den beſten Kaffe.“ Wohlan; ich acceptirte. Wenn man gar nichts
mehr anzufangen weiß, iſt das Klappern mit der Taſſe noch immer
das Gerathenſte.

Des erſten Eindrucks wurd’ ich nicht froh. An der Laden-
thüre links und rechts blitzten die herkömmlichen zwei Meſſing-
haken und an einem dieſer Haken hing ein Hammel. Ich ſetzte mich
auf eine nebenſtehende Bank und beſtellte, was mir als „Speciali-
tät“ gerühmt worden war. Unter einer ſchattengebenden Pappel
ſtand all die Zeit über der wohlwollend und diſtinguirt drein-
ſchauende Beſitzer von Haus und Hof, in dem ſich mehr und
mehr ein gewiſſes Unterhaltungsbedürfniß zu regen ſchien. Auch
in mir. Aber ich konnte nicht über die Frage weg, ob ich ihn Wirth
oder Meiſter anreden ſolle. Zu meinem Glücke wußt’ ich damals
noch nichts von ſeiner „Major’s-ſchaft“, ich wäre ſonſt in der
Etiquettenfrage ſtecken geblieben. Endlich entſchied ich mich für Wirth.

„Eine ſchöne reine Luft, Herr Wirth.“

Dies war nun eigentlich nicht der Fall, denn der Hammel hing
viel zu nah, als daß ich wahrheitsgemäß eine ſolche Verſicherung ab-
geben durfte. Der Angeredete jedoch ſchien es aufrichtig zu nehmen
und konnt’ es auch vom unverwöhnten Standpunkte ſeines Metiers
aus. Er erwiederte mir deshalb freundlich:

„Eine ſchöne, reine Luft. Trebbin hat ein gute Luft.“

Dieſer Lokalpatriotismus, was ſich auch gegen das Thatſäch-
liche ſagen laſſen mochte, that mir wohl und zwar um ſo wohler, als
ich in Betreff der wenigſtens damals noch auf meinem Programme
ſtehenden „Nutheburgen“ allerlei Hoffnung an einen ſo lokal-

Fontane Wanderungen. IV. 28
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[433/0449] Nachmittags-Sonnenſchein flimmerte um die Gräber. Auf den friſch aufgeſchütteten Hügeln lagen halbverwelkte Kränze, die Blumen, die vorherrſchten, waren Schwertlilien, und Akazienduft von umherſtehenden Bäumen zog drüber hin. Das war an- heimelnd genug. Aber nüchtern lagen die Steine, deutungslos ſtanden die Kreuze; Nam’ an Name, Spruch an Spruch, nichts was zu Herzen ging oder die Phantaſie bewegte. Todt die Gräber wie drinnen die Häuſer. Und ſo wandt’ ich mich denn unwirſch in die Stadt zurück, um es drinnen unter den Menſchen noch einmal zu verſuchen. Aber wohin? Man wies mir einen Metzgerladen „dort geb’ es den beſten Kaffe.“ Wohlan; ich acceptirte. Wenn man gar nichts mehr anzufangen weiß, iſt das Klappern mit der Taſſe noch immer das Gerathenſte. Des erſten Eindrucks wurd’ ich nicht froh. An der Laden- thüre links und rechts blitzten die herkömmlichen zwei Meſſing- haken und an einem dieſer Haken hing ein Hammel. Ich ſetzte mich auf eine nebenſtehende Bank und beſtellte, was mir als „Speciali- tät“ gerühmt worden war. Unter einer ſchattengebenden Pappel ſtand all die Zeit über der wohlwollend und diſtinguirt drein- ſchauende Beſitzer von Haus und Hof, in dem ſich mehr und mehr ein gewiſſes Unterhaltungsbedürfniß zu regen ſchien. Auch in mir. Aber ich konnte nicht über die Frage weg, ob ich ihn Wirth oder Meiſter anreden ſolle. Zu meinem Glücke wußt’ ich damals noch nichts von ſeiner „Major’s-ſchaft“, ich wäre ſonſt in der Etiquettenfrage ſtecken geblieben. Endlich entſchied ich mich für Wirth. „Eine ſchöne reine Luft, Herr Wirth.“ Dies war nun eigentlich nicht der Fall, denn der Hammel hing viel zu nah, als daß ich wahrheitsgemäß eine ſolche Verſicherung ab- geben durfte. Der Angeredete jedoch ſchien es aufrichtig zu nehmen und konnt’ es auch vom unverwöhnten Standpunkte ſeines Metiers aus. Er erwiederte mir deshalb freundlich: „Eine ſchöne, reine Luft. Trebbin hat ein gute Luft.“ Dieſer Lokalpatriotismus, was ſich auch gegen das Thatſäch- liche ſagen laſſen mochte, that mir wohl und zwar um ſo wohler, als ich in Betreff der wenigſtens damals noch auf meinem Programme ſtehenden „Nutheburgen“ allerlei Hoffnung an einen ſo lokal- Fontane Wanderungen. IV. 28

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/449>, abgerufen am 22.11.2024.