alles Hübsche drängte sich zusammen und nach Westen hin traten die Thürme Berlins aus einem Nebelschleier hervor.
Aber mehr als die Fernsicht interessirte mich, was in ver- hältnißmäßiger Nähe gelegen war und ich rief Moll, auf daß er mir die Namen der bunt umhergestreuten Ortschaften nenne.
"Da der Thurm hier hinter dem Rauenschen," hob er cicerone- haft an, "is der von Markgraf-Piesk, und der hier unten über die Pieskesche Haide weg, das ist der von Schermeusel-Piesk."
"Ich glaube, Sie spaßen."
"I, wie werd' ich denn! Es gibt hier lauter solche Namen, un is einem orntlich ein bischen genirlich."
"Und hier links der Thurm zwischen den zwei Pappeln?"
"Das is Pfaffendorf; na das geht noch. Aber das andere, gleich dicht daneben, das is Sauen, und hier rechts weg is 'ne Colonie von des alten Fritzen Zeiten her und heißt Schweinebraten!"
"Aber Moll, ist es denn möglich?"
"Ach Gott, hier is alles möglich. Und warum heißt es so? Weil sie keinen haben. Und wollen sich wenigstens einen vorstellen oder dran erinnern."
"Aber warum sich erinnern an das, was man nicht haben kann. Ich finde, das ist gegen die Lebensweisheit. Freilich jeder hat so seine eigne. Und nun sagen Sie mir, das große Wasser hier vor uns, was ist das?"
"Das ist der Schermützel."
"Ah, das ist schön. Und das daneben, das sind wohl die Güter, die die Löschebrands hier hatten?"
Er bejahte.
"Nun sehen Sie, da müssen wir hin. Ich denke mir, daß ich da vielerlei finden werde: Gräber und Türkenglocken, und Denkmäler und Inschriften. Und vielleicht auch einen Pfeiler mit ein paar eingemauerten Nonnen, oder 'ne Sacristei mit 'nem vergrabenen Schatz."
Er lachte. "Nei, so viel finden Sie nich. Un 'nen ver- grabenen Schatz erst recht nich. O, du meine Güte ..."
"Nun, wir wollen sehen, Moll."
Und damit fuhren wir weiter auf den Schermützel zu.
alles Hübſche drängte ſich zuſammen und nach Weſten hin traten die Thürme Berlins aus einem Nebelſchleier hervor.
Aber mehr als die Fernſicht intereſſirte mich, was in ver- hältnißmäßiger Nähe gelegen war und ich rief Moll, auf daß er mir die Namen der bunt umhergeſtreuten Ortſchaften nenne.
„Da der Thurm hier hinter dem Rauenſchen,“ hob er cicerone- haft an, „is der von Markgraf-Piesk, und der hier unten über die Pieskeſche Haide weg, das iſt der von Schermeuſel-Piesk.“
„Ich glaube, Sie ſpaßen.“
„I, wie werd’ ich denn! Es gibt hier lauter ſolche Namen, un is einem orntlich ein bischen genirlich.“
„Und hier links der Thurm zwiſchen den zwei Pappeln?“
„Das is Pfaffendorf; na das geht noch. Aber das andere, gleich dicht daneben, das is Sauen, und hier rechts weg is ’ne Colonie von des alten Fritzen Zeiten her und heißt Schweinebraten!“
„Aber Moll, iſt es denn möglich?“
„Ach Gott, hier is alles möglich. Und warum heißt es ſo? Weil ſie keinen haben. Und wollen ſich wenigſtens einen vorſtellen oder dran erinnern.“
„Aber warum ſich erinnern an das, was man nicht haben kann. Ich finde, das iſt gegen die Lebensweisheit. Freilich jeder hat ſo ſeine eigne. Und nun ſagen Sie mir, das große Waſſer hier vor uns, was iſt das?“
„Das iſt der Schermützel.“
„Ah, das iſt ſchön. Und das daneben, das ſind wohl die Güter, die die Löſchebrands hier hatten?“
Er bejahte.
„Nun ſehen Sie, da müſſen wir hin. Ich denke mir, daß ich da vielerlei finden werde: Gräber und Türkenglocken, und Denkmäler und Inſchriften. Und vielleicht auch einen Pfeiler mit ein paar eingemauerten Nonnen, oder ’ne Sacriſtei mit ’nem vergrabenen Schatz.“
Er lachte. „Nei, ſo viel finden Sie nich. Un ’nen ver- grabenen Schatz erſt recht nich. O, du meine Güte …“
„Nun, wir wollen ſehen, Moll.“
Und damit fuhren wir weiter auf den Schermützel zu.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0040"n="24"/>
alles Hübſche drängte ſich zuſammen und nach Weſten hin traten<lb/>
die Thürme Berlins aus einem Nebelſchleier hervor.</p><lb/><p>Aber mehr als die Fernſicht intereſſirte mich, was in ver-<lb/>
hältnißmäßiger Nähe gelegen war und ich rief Moll, auf daß er<lb/>
mir die Namen der bunt umhergeſtreuten Ortſchaften nenne.</p><lb/><p>„Da der Thurm hier hinter dem Rauenſchen,“ hob er cicerone-<lb/>
haft an, „is der von Markgraf-Piesk, und der hier unten über die<lb/>
Pieskeſche Haide weg, das iſt der von Schermeuſel-Piesk.“</p><lb/><p>„Ich glaube, Sie ſpaßen.“</p><lb/><p>„I, wie werd’ ich denn! Es gibt hier lauter ſolche Namen,<lb/>
un is einem orntlich ein bischen genirlich.“</p><lb/><p>„Und hier links der Thurm zwiſchen den zwei Pappeln?“</p><lb/><p>„Das is Pfaffendorf; na das geht noch. Aber das andere, gleich<lb/>
dicht daneben, das is Sauen, und hier rechts weg is ’ne Colonie<lb/>
von des alten Fritzen Zeiten her und heißt Schweinebraten!“</p><lb/><p>„Aber Moll, iſt es denn möglich?“</p><lb/><p>„Ach Gott, hier is alles möglich. Und warum heißt es ſo?<lb/>
Weil ſie keinen haben. Und wollen ſich wenigſtens einen vorſtellen<lb/>
oder dran erinnern.“</p><lb/><p>„Aber warum ſich erinnern an <hirendition="#g">das</hi>, was man nicht haben<lb/>
kann. Ich finde, das iſt gegen die Lebensweisheit. Freilich jeder<lb/>
hat ſo ſeine eigne. Und nun ſagen Sie mir, das große Waſſer<lb/>
hier vor uns, was iſt <hirendition="#g">das</hi>?“</p><lb/><p>„Das iſt der Schermützel.“</p><lb/><p>„Ah, das iſt ſchön. Und das daneben, das ſind wohl die<lb/>
Güter, die die Löſchebrands hier hatten?“</p><lb/><p>Er bejahte.</p><lb/><p>„Nun ſehen Sie, da müſſen wir hin. Ich denke mir, daß<lb/>
ich da vielerlei finden werde: Gräber und Türkenglocken, und<lb/>
Denkmäler und Inſchriften. Und vielleicht auch einen Pfeiler<lb/>
mit ein paar eingemauerten Nonnen, oder ’ne Sacriſtei mit ’nem<lb/>
vergrabenen Schatz.“</p><lb/><p>Er lachte. „Nei, ſo viel finden Sie nich. Un ’nen ver-<lb/>
grabenen Schatz erſt recht nich. O, du meine Güte …“</p><lb/><p>„Nun, wir wollen ſehen, Moll.“</p><lb/><p>Und damit fuhren wir weiter auf den Schermützel zu.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[24/0040]
alles Hübſche drängte ſich zuſammen und nach Weſten hin traten
die Thürme Berlins aus einem Nebelſchleier hervor.
Aber mehr als die Fernſicht intereſſirte mich, was in ver-
hältnißmäßiger Nähe gelegen war und ich rief Moll, auf daß er
mir die Namen der bunt umhergeſtreuten Ortſchaften nenne.
„Da der Thurm hier hinter dem Rauenſchen,“ hob er cicerone-
haft an, „is der von Markgraf-Piesk, und der hier unten über die
Pieskeſche Haide weg, das iſt der von Schermeuſel-Piesk.“
„Ich glaube, Sie ſpaßen.“
„I, wie werd’ ich denn! Es gibt hier lauter ſolche Namen,
un is einem orntlich ein bischen genirlich.“
„Und hier links der Thurm zwiſchen den zwei Pappeln?“
„Das is Pfaffendorf; na das geht noch. Aber das andere, gleich
dicht daneben, das is Sauen, und hier rechts weg is ’ne Colonie
von des alten Fritzen Zeiten her und heißt Schweinebraten!“
„Aber Moll, iſt es denn möglich?“
„Ach Gott, hier is alles möglich. Und warum heißt es ſo?
Weil ſie keinen haben. Und wollen ſich wenigſtens einen vorſtellen
oder dran erinnern.“
„Aber warum ſich erinnern an das, was man nicht haben
kann. Ich finde, das iſt gegen die Lebensweisheit. Freilich jeder
hat ſo ſeine eigne. Und nun ſagen Sie mir, das große Waſſer
hier vor uns, was iſt das?“
„Das iſt der Schermützel.“
„Ah, das iſt ſchön. Und das daneben, das ſind wohl die
Güter, die die Löſchebrands hier hatten?“
Er bejahte.
„Nun ſehen Sie, da müſſen wir hin. Ich denke mir, daß
ich da vielerlei finden werde: Gräber und Türkenglocken, und
Denkmäler und Inſchriften. Und vielleicht auch einen Pfeiler
mit ein paar eingemauerten Nonnen, oder ’ne Sacriſtei mit ’nem
vergrabenen Schatz.“
Er lachte. „Nei, ſo viel finden Sie nich. Un ’nen ver-
grabenen Schatz erſt recht nich. O, du meine Güte …“
„Nun, wir wollen ſehen, Moll.“
Und damit fuhren wir weiter auf den Schermützel zu.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/40>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.