berühmte Trakehner-Zug, vier Isabellen, mit aller Feierlichkeit ein- gespannt; ein Jäger saß auf dem Bock, zwei Haiducken standen rechts und links auf dem Tritt und ein dritter lief als Läufer der Cavalcade vorauf. Alles in Gala. So mahlte man durch den Sand, und die Dorfleute sahen dem Zuge nach. War man aber wieder daheim, so warf er diese Repräsentationslast als un- bequem von sich, und las und las oder lud Leydener Flaschen an einer halbmannshohen Elektrisirmaschine, bis er sich eines Tages wieder all seiner Vornehmheit und Vornehmheits-Verpflichtungen entsann und nun auf's Neue Boten über Boten schickte, die die Nachbarschaft zu großer Tafel "invitiren" mußten. Indessen das waren Ausnahmen oder Anfälle, die Regel war und blieb, es gehen zu lassen, wie's eben ging. Er hatte mindestens sieben Diener im Haus, aber nicht für einen gab es zu thun, so daß das Umherliegen die Leute schlecht und übermüthig machte. Das Ganze, seinem Zuschnitt und Wesen nach, mehr polnisch als preußisch. Zerschlug das Hagelwetter in den leerstehenden Ober- zimmern ein Dutzend Fenster, so wurden Lappen eingestopft, weil es sich nicht verlohnte, den Glaser kommen zu lassen; allabendlich aber, als ob es sich um die Zeit der Burgverließe gehandelt hätte, rückte, Punkt zehn Uhr, die ganze Dienerschaft in die Front, um die Parterre-Fenster zu verbolzen und den Eingang überhaupt zu verrammeln. Ein zu diesem Behuf immer bereit stehender Pallisadenpfahl wurde dann, von innen her, schräg gegen die Thür gestemmt, und in dieser primitiven Weise, selbstver- ständlich unter ungeheurem Gelärme, die Schließung und nächtliche Sicherstellung des Hauses vollzogen.
Anscheinend ohne Grund, denn es war nichts da, was auf den ersten Blick hin zu Diebstahl und Einbruch hätte reizen können. Aber hierin irrte nun freilich dieser "erste Blick", da sich vielmehr umgekehrt in den auf Flurgängen und Bodenräumen massenhaft umherstehenden Schränken und Truhen eine ganze Welt aller werthvollster Dinge barg: Spitzen und Staatsröcke, kostbare Schuhschnallen und seidene Strümpfe, des reichen Tafel- geschirrs zu geschweigen, das in Kisten und Kasten verpackt war und fleckig wurde, weil's Niemand putzte.
Welcher Art seine Beziehungen zu seinem berühmten Pariser
berühmte Trakehner-Zug, vier Iſabellen, mit aller Feierlichkeit ein- geſpannt; ein Jäger ſaß auf dem Bock, zwei Haiducken ſtanden rechts und links auf dem Tritt und ein dritter lief als Läufer der Cavalcade vorauf. Alles in Gala. So mahlte man durch den Sand, und die Dorfleute ſahen dem Zuge nach. War man aber wieder daheim, ſo warf er dieſe Repräſentationslaſt als un- bequem von ſich, und las und las oder lud Leydener Flaſchen an einer halbmannshohen Elektriſirmaſchine, bis er ſich eines Tages wieder all ſeiner Vornehmheit und Vornehmheits-Verpflichtungen entſann und nun auf’s Neue Boten über Boten ſchickte, die die Nachbarſchaft zu großer Tafel „invitiren“ mußten. Indeſſen das waren Ausnahmen oder Anfälle, die Regel war und blieb, es gehen zu laſſen, wie’s eben ging. Er hatte mindeſtens ſieben Diener im Haus, aber nicht für einen gab es zu thun, ſo daß das Umherliegen die Leute ſchlecht und übermüthig machte. Das Ganze, ſeinem Zuſchnitt und Weſen nach, mehr polniſch als preußiſch. Zerſchlug das Hagelwetter in den leerſtehenden Ober- zimmern ein Dutzend Fenſter, ſo wurden Lappen eingeſtopft, weil es ſich nicht verlohnte, den Glaſer kommen zu laſſen; allabendlich aber, als ob es ſich um die Zeit der Burgverließe gehandelt hätte, rückte, Punkt zehn Uhr, die ganze Dienerſchaft in die Front, um die Parterre-Fenſter zu verbolzen und den Eingang überhaupt zu verrammeln. Ein zu dieſem Behuf immer bereit ſtehender Palliſadenpfahl wurde dann, von innen her, ſchräg gegen die Thür geſtemmt, und in dieſer primitiven Weiſe, ſelbſtver- ſtändlich unter ungeheurem Gelärme, die Schließung und nächtliche Sicherſtellung des Hauſes vollzogen.
Anſcheinend ohne Grund, denn es war nichts da, was auf den erſten Blick hin zu Diebſtahl und Einbruch hätte reizen können. Aber hierin irrte nun freilich dieſer „erſte Blick“, da ſich vielmehr umgekehrt in den auf Flurgängen und Bodenräumen maſſenhaft umherſtehenden Schränken und Truhen eine ganze Welt aller werthvollſter Dinge barg: Spitzen und Staatsröcke, koſtbare Schuhſchnallen und ſeidene Strümpfe, des reichen Tafel- geſchirrs zu geſchweigen, das in Kiſten und Kaſten verpackt war und fleckig wurde, weil’s Niemand putzte.
Welcher Art ſeine Beziehungen zu ſeinem berühmten Pariſer
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berühmte Trakehner-Zug, vier Iſabellen, mit aller Feierlichkeit ein-
geſpannt; ein Jäger ſaß auf dem Bock, zwei Haiducken ſtanden
rechts und links auf dem Tritt und ein dritter lief als Läufer
der Cavalcade vorauf. Alles in Gala. So mahlte man durch
den Sand, und die Dorfleute ſahen dem Zuge nach. War man
aber wieder daheim, ſo warf er dieſe Repräſentationslaſt als un-
bequem von ſich, und las und las oder lud Leydener Flaſchen an
einer halbmannshohen Elektriſirmaſchine, bis er ſich eines Tages
wieder all ſeiner Vornehmheit und Vornehmheits-Verpflichtungen
entſann und nun auf’s Neue Boten über Boten ſchickte, die die
Nachbarſchaft zu großer Tafel „invitiren“ mußten. Indeſſen das
waren Ausnahmen oder Anfälle, die Regel war und blieb, es
gehen zu laſſen, wie’s eben ging. Er hatte mindeſtens ſieben
Diener im Haus, aber nicht für einen gab es zu thun, ſo daß
das Umherliegen die Leute ſchlecht und übermüthig machte. Das
Ganze, ſeinem Zuſchnitt und Weſen nach, mehr polniſch als
preußiſch. Zerſchlug das Hagelwetter in den leerſtehenden Ober-
zimmern ein Dutzend Fenſter, ſo wurden Lappen eingeſtopft, weil
es ſich nicht verlohnte, den Glaſer kommen zu laſſen; allabendlich
aber, als ob es ſich um die Zeit der Burgverließe gehandelt
hätte, rückte, Punkt zehn Uhr, die ganze Dienerſchaft in die
Front, um die Parterre-Fenſter zu verbolzen und den Eingang
überhaupt zu verrammeln. Ein zu dieſem Behuf immer bereit
ſtehender Palliſadenpfahl wurde dann, von innen her, ſchräg gegen
die Thür geſtemmt, und in dieſer primitiven Weiſe, ſelbſtver-
ſtändlich unter ungeheurem Gelärme, die Schließung und nächtliche
Sicherſtellung des Hauſes vollzogen.
Anſcheinend ohne Grund, denn es war nichts da, was auf
den erſten Blick hin zu Diebſtahl und Einbruch hätte reizen
können. Aber hierin irrte nun freilich dieſer „erſte Blick“, da
ſich vielmehr umgekehrt in den auf Flurgängen und Bodenräumen
maſſenhaft umherſtehenden Schränken und Truhen eine ganze
Welt aller werthvollſter Dinge barg: Spitzen und Staatsröcke,
koſtbare Schuhſchnallen und ſeidene Strümpfe, des reichen Tafel-
geſchirrs zu geſchweigen, das in Kiſten und Kaſten verpackt war
und fleckig wurde, weil’s Niemand putzte.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/390>, abgerufen am 25.11.2024.
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