denen sein Rang und sein Vermögen imponiren mochte, für länger oder kürzer in eine halb freundschaftliche halb patronisirende Pension zu geben. In der Neumark, in Pommern, in Mecklenburg, über all wiederholten sich diese Versuche, bis er endlich in dem ihm ebenbürtigen und aus alter Zeit her befreundeten General von Thümen'schen Hause zu Caput ein Ideal und die Verwirklichung aller seiner Wünsche fand. Es kam dies daher, daß der alte General v. Thümen, auch ein Original, ihn ruhig gewähren ließ und immer nur beflissen war, "ihm seine Kreise nicht zu stören" Beide lebten denn auch ein ebenso kameradschaftliches wie zwang- loses Leben, in dem jeder seiner Lust und Laune nachhing und kein andres Haus- oder Tages-Gesetz anerkannte, wie rechtzeitiges Erscheinen am Mittags- und Abends am Boston-Tisch.
In Caput war es denn auch, daß Graf Heinrich seine Tage beschloß: eh ich aber von diesem seinem Ausgang erzähle, versuch ich vorher noch eine Charakter-Skizze.
Graf Heinrich hatte den Schlabrendorf'schen Familienzug, oder doch das was damals als schlabrendorfisch galt, im Extrem. Er übertraf darin noch seinen Sonderlings-Bruder in Paris. Im Grunde gut und hochherzig, dazu nicht ohne Wissen und Ver- standesschärfe, gestaltete sich sein Leben nichts destoweniger weder zum Glücke für ihn noch für andere, weil er jenes Regulators entbehrte, der allen Dingen erst das richtige Maaß und das richtige Tempo giebt. Er ging immer sprungweise vor, war launenhaft und eigensinnig, und bewegte sich sein Lebenlang in Widersprüchen. Er liebte, wie das Sprüchwort sagt, die Menschen und Dinge "bis zum Todtdrücken" und bedauerte hinterher "es nicht gethan zu haben". Am meisten zeigte sich dies in seinen jüngeren Jahren, wo das sehr bedeutende Vermögen, über das er damals noch Verfügung hatte, das Erkennen eines von ihm mit Vorliebe gepflegten Gegensatzes zwischen einem extremen Luxus- und einem extremen Einsiedler-Leben außerordentlich er- leichterte.
In Groeben erzählt man davon bis diesen Tag. Entsann er sich beispielsweise, daß es mal wieder an der Zeit sei, gräflich Schlabrendorf'scher Repräsentation halber nach Berlin zu fahren, so wurde der alte Staatswagen aus der Remise geholt und der
denen ſein Rang und ſein Vermögen imponiren mochte, für länger oder kürzer in eine halb freundſchaftliche halb patroniſirende Penſion zu geben. In der Neumark, in Pommern, in Mecklenburg, über all wiederholten ſich dieſe Verſuche, bis er endlich in dem ihm ebenbürtigen und aus alter Zeit her befreundeten General von Thümen’ſchen Hauſe zu Caput ein Ideal und die Verwirklichung aller ſeiner Wünſche fand. Es kam dies daher, daß der alte General v. Thümen, auch ein Original, ihn ruhig gewähren ließ und immer nur befliſſen war, „ihm ſeine Kreiſe nicht zu ſtören“ Beide lebten denn auch ein ebenſo kameradſchaftliches wie zwang- loſes Leben, in dem jeder ſeiner Luſt und Laune nachhing und kein andres Haus- oder Tages-Geſetz anerkannte, wie rechtzeitiges Erſcheinen am Mittags- und Abends am Boſton-Tiſch.
In Caput war es denn auch, daß Graf Heinrich ſeine Tage beſchloß: eh ich aber von dieſem ſeinem Ausgang erzähle, verſuch ich vorher noch eine Charakter-Skizze.
Graf Heinrich hatte den Schlabrendorf’ſchen Familienzug, oder doch das was damals als ſchlabrendorfiſch galt, im Extrem. Er übertraf darin noch ſeinen Sonderlings-Bruder in Paris. Im Grunde gut und hochherzig, dazu nicht ohne Wiſſen und Ver- ſtandesſchärfe, geſtaltete ſich ſein Leben nichts deſtoweniger weder zum Glücke für ihn noch für andere, weil er jenes Regulators entbehrte, der allen Dingen erſt das richtige Maaß und das richtige Tempo giebt. Er ging immer ſprungweiſe vor, war launenhaft und eigenſinnig, und bewegte ſich ſein Lebenlang in Widerſprüchen. Er liebte, wie das Sprüchwort ſagt, die Menſchen und Dinge „bis zum Todtdrücken“ und bedauerte hinterher „es nicht gethan zu haben“. Am meiſten zeigte ſich dies in ſeinen jüngeren Jahren, wo das ſehr bedeutende Vermögen, über das er damals noch Verfügung hatte, das Erkennen eines von ihm mit Vorliebe gepflegten Gegenſatzes zwiſchen einem extremen Luxus- und einem extremen Einſiedler-Leben außerordentlich er- leichterte.
In Groeben erzählt man davon bis dieſen Tag. Entſann er ſich beiſpielsweiſe, daß es mal wieder an der Zeit ſei, gräflich Schlabrendorf’ſcher Repräſentation halber nach Berlin zu fahren, ſo wurde der alte Staatswagen aus der Remiſe geholt und der
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denen ſein Rang und ſein Vermögen imponiren mochte, für länger
oder kürzer in eine halb freundſchaftliche halb patroniſirende Penſion
zu geben. In der Neumark, in Pommern, in Mecklenburg, über
all wiederholten ſich dieſe Verſuche, bis er endlich in dem ihm
ebenbürtigen und aus alter Zeit her befreundeten General von
Thümen’ſchen Hauſe zu Caput ein Ideal und die Verwirklichung
aller ſeiner Wünſche fand. Es kam dies daher, daß der alte
General v. Thümen, auch ein Original, ihn ruhig gewähren ließ
und immer nur befliſſen war, „ihm ſeine Kreiſe nicht zu ſtören“
Beide lebten denn auch ein ebenſo kameradſchaftliches wie zwang-
loſes Leben, in dem jeder ſeiner Luſt und Laune nachhing und
kein andres Haus- oder Tages-Geſetz anerkannte, wie rechtzeitiges
Erſcheinen am Mittags- und Abends am Boſton-Tiſch.
In Caput war es denn auch, daß Graf Heinrich ſeine Tage
beſchloß: eh ich aber von dieſem ſeinem Ausgang erzähle, verſuch
ich vorher noch eine Charakter-Skizze.
Graf Heinrich hatte den Schlabrendorf’ſchen Familienzug,
oder doch das was damals als ſchlabrendorfiſch galt, im Extrem.
Er übertraf darin noch ſeinen Sonderlings-Bruder in Paris. Im
Grunde gut und hochherzig, dazu nicht ohne Wiſſen und Ver-
ſtandesſchärfe, geſtaltete ſich ſein Leben nichts deſtoweniger weder
zum Glücke für ihn noch für andere, weil er jenes Regulators
entbehrte, der allen Dingen erſt das richtige Maaß und das
richtige Tempo giebt. Er ging immer ſprungweiſe vor, war
launenhaft und eigenſinnig, und bewegte ſich ſein Lebenlang in
Widerſprüchen. Er liebte, wie das Sprüchwort ſagt, die Menſchen
und Dinge „bis zum Todtdrücken“ und bedauerte hinterher „es
nicht gethan zu haben“. Am meiſten zeigte ſich dies in ſeinen
jüngeren Jahren, wo das ſehr bedeutende Vermögen, über das er
damals noch Verfügung hatte, das Erkennen eines von ihm
mit Vorliebe gepflegten Gegenſatzes zwiſchen einem extremen
Luxus- und einem extremen Einſiedler-Leben außerordentlich er-
leichterte.
In Groeben erzählt man davon bis dieſen Tag. Entſann
er ſich beiſpielsweiſe, daß es mal wieder an der Zeit ſei, gräflich
Schlabrendorf’ſcher Repräſentation halber nach Berlin zu fahren,
ſo wurde der alte Staatswagen aus der Remiſe geholt und der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/389>, abgerufen am 22.11.2024.
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