leute zweifeln kaum noch, vor wem sie sich als vor dem größeren zu beugen haben: Rauch hatte die geschicktere Hand, aber Scha- dow's Genius war bedeutender, selbstständiger. Er schritt voran und brach die Bahn, auf der die Gestalt des Andern, groß und leuchtend und mit dem fliegenden Haar des Olympiers ihm folgte.
Es ist nicht Absicht dieser Zeilen, den Charakter Schadow's nach allen Seiten hin zu zeichnen; aber ein Zug darf schließlich nicht vergessen sein, der entschieden in das Bild des Alten gehört: seine Loyalität, sein Herz für Preußen und die Mark. Er lebte durch ein volles halbes Jahrhundert hin als ein bevorzugter Liebling des Hofes, aber es waren nicht diese Bevorzugungen und Aus- zeichnungen, die seine Loyalität erst schufen, vielmehr wurd er ein Liebling, weil er sich in schwerer Zeit als ein Mann von Herz und Hand bewährt hatte. Er gehörte zu denen, denen gegenüber das allgemein patriarchalische Verhältniß in dem die Hohenzollern zu ihren Unterthanen stehen, den intimeren Charakter einer alten Bekanntschaft annimmt und zu einem Tone führt, in dem das Element der Scheu von der einen und der Hoheit von der andern Seite her in dem des Vertrauens völlig untergeht. Es giebt vielleicht keine zweite Fürstenfamilie, die solche beinah freundschaftlichen Verhältnisse kennt, sicherlich nicht in gleicher Zahl. An den meisten Höfen fehlt das Vertrauen, bei anderen lassen Steifheit und Formenwesen das Menschliche nicht zu voller Geltung kommen. Nur die Hohenzollern kennen jene wirkliche Humanität, die wie der Zug ihres Herzens so das Glück ihres Volkes ist.
Der alte Schadow war einer von denen, die wie langbewährte Diener "mit zur Familie" gezählt wurden, einer von denen, die das süße Gefühl nicht störten "wir sind unter uns." Als er Ende der dreißiger Jahre in's Schloß ging, um bei Prinz Waldemar, dem jüngeren Sohne des Prinzen Wilhelm, Unter- richt zu geben, trat er gerad in das Zimmer als sich zwei junge Prinzessinnen lachend über den türkischen Teppich rollten; die Ge- sichter glühten und die Haarflechten hingen lang herab. Entsetzt sprangen sie auf, warfen sich aber sofort wieder hin und tollten lachend mit den Worten weiter: "'s ist ja der alte Schadow."
Als die Friedensklasse des pour le merite gestiftet wurde, war es selbstverständlich daß Schadow den Orden erhielt. Der
leute zweifeln kaum noch, vor wem ſie ſich als vor dem größeren zu beugen haben: Rauch hatte die geſchicktere Hand, aber Scha- dow’s Genius war bedeutender, ſelbſtſtändiger. Er ſchritt voran und brach die Bahn, auf der die Geſtalt des Andern, groß und leuchtend und mit dem fliegenden Haar des Olympiers ihm folgte.
Es iſt nicht Abſicht dieſer Zeilen, den Charakter Schadow’s nach allen Seiten hin zu zeichnen; aber ein Zug darf ſchließlich nicht vergeſſen ſein, der entſchieden in das Bild des Alten gehört: ſeine Loyalität, ſein Herz für Preußen und die Mark. Er lebte durch ein volles halbes Jahrhundert hin als ein bevorzugter Liebling des Hofes, aber es waren nicht dieſe Bevorzugungen und Aus- zeichnungen, die ſeine Loyalität erſt ſchufen, vielmehr wurd er ein Liebling, weil er ſich in ſchwerer Zeit als ein Mann von Herz und Hand bewährt hatte. Er gehörte zu denen, denen gegenüber das allgemein patriarchaliſche Verhältniß in dem die Hohenzollern zu ihren Unterthanen ſtehen, den intimeren Charakter einer alten Bekanntſchaft annimmt und zu einem Tone führt, in dem das Element der Scheu von der einen und der Hoheit von der andern Seite her in dem des Vertrauens völlig untergeht. Es giebt vielleicht keine zweite Fürſtenfamilie, die ſolche beinah freundſchaftlichen Verhältniſſe kennt, ſicherlich nicht in gleicher Zahl. An den meiſten Höfen fehlt das Vertrauen, bei anderen laſſen Steifheit und Formenweſen das Menſchliche nicht zu voller Geltung kommen. Nur die Hohenzollern kennen jene wirkliche Humanität, die wie der Zug ihres Herzens ſo das Glück ihres Volkes iſt.
Der alte Schadow war einer von denen, die wie langbewährte Diener „mit zur Familie“ gezählt wurden, einer von denen, die das ſüße Gefühl nicht ſtörten „wir ſind unter uns.“ Als er Ende der dreißiger Jahre in’s Schloß ging, um bei Prinz Waldemar, dem jüngeren Sohne des Prinzen Wilhelm, Unter- richt zu geben, trat er gerad in das Zimmer als ſich zwei junge Prinzeſſinnen lachend über den türkiſchen Teppich rollten; die Ge- ſichter glühten und die Haarflechten hingen lang herab. Entſetzt ſprangen ſie auf, warfen ſich aber ſofort wieder hin und tollten lachend mit den Worten weiter: „’s iſt ja der alte Schadow.“
Als die Friedensklaſſe des pour le mérite geſtiftet wurde, war es ſelbſtverſtändlich daß Schadow den Orden erhielt. Der
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leute zweifeln kaum noch, vor wem ſie ſich als vor dem größeren
zu beugen haben: Rauch hatte die geſchicktere Hand, aber Scha-
dow’s Genius war bedeutender, ſelbſtſtändiger. Er ſchritt voran
und brach die Bahn, auf der die Geſtalt des Andern, groß und
leuchtend und mit dem fliegenden Haar des Olympiers ihm folgte.
Es iſt nicht Abſicht dieſer Zeilen, den Charakter Schadow’s
nach allen Seiten hin zu zeichnen; aber ein Zug darf ſchließlich
nicht vergeſſen ſein, der entſchieden in das Bild des Alten gehört:
ſeine Loyalität, ſein Herz für Preußen und die Mark. Er lebte
durch ein volles halbes Jahrhundert hin als ein bevorzugter Liebling
des Hofes, aber es waren nicht dieſe Bevorzugungen und Aus-
zeichnungen, die ſeine Loyalität erſt ſchufen, vielmehr wurd er ein
Liebling, weil er ſich in ſchwerer Zeit als ein Mann von Herz
und Hand bewährt hatte. Er gehörte zu denen, denen gegenüber
das allgemein patriarchaliſche Verhältniß in dem die Hohenzollern
zu ihren Unterthanen ſtehen, den intimeren Charakter einer alten
Bekanntſchaft annimmt und zu einem Tone führt, in dem das
Element der Scheu von der einen und der Hoheit von der andern
Seite her in dem des Vertrauens völlig untergeht. Es giebt
vielleicht keine zweite Fürſtenfamilie, die ſolche beinah freundſchaftlichen
Verhältniſſe kennt, ſicherlich nicht in gleicher Zahl. An den
meiſten Höfen fehlt das Vertrauen, bei anderen laſſen Steifheit
und Formenweſen das Menſchliche nicht zu voller Geltung kommen.
Nur die Hohenzollern kennen jene wirkliche Humanität, die wie
der Zug ihres Herzens ſo das Glück ihres Volkes iſt.
Der alte Schadow war einer von denen, die wie langbewährte
Diener „mit zur Familie“ gezählt wurden, einer von denen, die
das ſüße Gefühl nicht ſtörten „wir ſind unter uns.“ Als er
Ende der dreißiger Jahre in’s Schloß ging, um bei Prinz
Waldemar, dem jüngeren Sohne des Prinzen Wilhelm, Unter-
richt zu geben, trat er gerad in das Zimmer als ſich zwei junge
Prinzeſſinnen lachend über den türkiſchen Teppich rollten; die Ge-
ſichter glühten und die Haarflechten hingen lang herab. Entſetzt
ſprangen ſie auf, warfen ſich aber ſofort wieder hin und tollten
lachend mit den Worten weiter: „’s iſt ja der alte Schadow.“
Als die Friedensklaſſe des pour le mérite geſtiftet wurde,
war es ſelbſtverſtändlich daß Schadow den Orden erhielt. Der
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/365>, abgerufen am 25.11.2024.
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