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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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selbst war Nothwehr, eine natürliche Folge davon, daß einer An-
sammlung bedeutender geistiger Kräfte die großen Schauplätze des
öffentlichen Lebens über Gebühr verschlossen blieben. Das freie
Wort ist endlich der Tod der Ironie geworden und wird es täglich
mehr. Zu Schadow's Zeiten aber blühte sie noch, und da es für
den Einzelnen immer mehr oder weniger unmöglich sein wird,
sich gegen einen die Gesellschaft beherrschenden Ton abzuschließen,
so adoptirte denn auch Schadow diese Sprechweise, freilich erst, nach-
dem er sich dieselbe nach seinen eigenen Bedürfnissen zurecht gemacht
hatte. Er versetzte sie nämlich mit einem Element, von dem sie
in der Regel wenig zu haben pflegt: mit humoristischer Derbheit,
und erzielte dadurch ein ganz eigenartiges Endresultat.

Ein paar illustrirende Beispiele, herausgenommen aus einer
großen Zahl ähnlicher Anekdoten und Ueberlieferungen, mögen hier
Platz finden. Vom Professor Stabfuß, der freilich alles Andre
eher war als ein Maler, pflegte der Alte lächelnd zu sagen: "Ja,
der Stabfuß, der hat sich det Malen angewöhnt," und einer Depu-
tation von Bildhauern, deren Gesammtheit ihm am Abend vorher
einen Fackelzug gebracht hatte, bemerkte er, ohne sich groß auf
Dankesworte einzulassen: "Na, det hat euch woll viel Spaß ge-
macht." Verhaßt waren ihm alle diejenigen, die durch Unter-
würfigkeit und schöne Redensarten ausgleichen wollten, was ihnen
an Kraft und Können abging, und auf einschmeichlerische Gesuche
wie etwa: "der Herr Director könnten das ja mit Leichtigkeit
thun," pflegte er regelmäßig zu antworten: "Ja, dhun könnt'
ich et; aber ich dhu et lieber nich." Anmaßung und Dünkel ließ
er nicht aufkommen, auch da nicht, wo ein entschiedenes Talent die
Aeußerungen der Eitelkeit allenfalls verzeihlich gemacht hätte.
Nahm er dergleichen wahr, so entstanden Gespräche wie das fol-
gende: Schadow: Haste det alleene gemacht? Schüler: Ja
wohl, Herr Director. Schadow: Janz alleene? Schüler (fast
beleidigt): Ja wohl, Herr Director. Schadow: Na, denn kannst
Du Töpper werden. -- Er hatte von solchen Ausdrücken und
Vergleichen eine ganze Scala zur Verfügung. Am niedrigsten
stand ihm der Zinngießer.

Nicht besser ging es denen, die als "Amateurs" in Reih
und Glied eintreten und die Kunst nebenbei erlernen wollten.

ſelbſt war Nothwehr, eine natürliche Folge davon, daß einer An-
ſammlung bedeutender geiſtiger Kräfte die großen Schauplätze des
öffentlichen Lebens über Gebühr verſchloſſen blieben. Das freie
Wort iſt endlich der Tod der Ironie geworden und wird es täglich
mehr. Zu Schadow’s Zeiten aber blühte ſie noch, und da es für
den Einzelnen immer mehr oder weniger unmöglich ſein wird,
ſich gegen einen die Geſellſchaft beherrſchenden Ton abzuſchließen,
ſo adoptirte denn auch Schadow dieſe Sprechweiſe, freilich erſt, nach-
dem er ſich dieſelbe nach ſeinen eigenen Bedürfniſſen zurecht gemacht
hatte. Er verſetzte ſie nämlich mit einem Element, von dem ſie
in der Regel wenig zu haben pflegt: mit humoriſtiſcher Derbheit,
und erzielte dadurch ein ganz eigenartiges Endreſultat.

Ein paar illuſtrirende Beiſpiele, herausgenommen aus einer
großen Zahl ähnlicher Anekdoten und Ueberlieferungen, mögen hier
Platz finden. Vom Profeſſor Stabfuß, der freilich alles Andre
eher war als ein Maler, pflegte der Alte lächelnd zu ſagen: „Ja,
der Stabfuß, der hat ſich det Malen angewöhnt,“ und einer Depu-
tation von Bildhauern, deren Geſammtheit ihm am Abend vorher
einen Fackelzug gebracht hatte, bemerkte er, ohne ſich groß auf
Dankesworte einzulaſſen: „Na, det hat euch woll viel Spaß ge-
macht.“ Verhaßt waren ihm alle diejenigen, die durch Unter-
würfigkeit und ſchöne Redensarten ausgleichen wollten, was ihnen
an Kraft und Können abging, und auf einſchmeichleriſche Geſuche
wie etwa: „der Herr Director könnten das ja mit Leichtigkeit
thun,“ pflegte er regelmäßig zu antworten: „Ja, dhun könnt’
ich et; aber ich dhu et lieber nich.“ Anmaßung und Dünkel ließ
er nicht aufkommen, auch da nicht, wo ein entſchiedenes Talent die
Aeußerungen der Eitelkeit allenfalls verzeihlich gemacht hätte.
Nahm er dergleichen wahr, ſo entſtanden Geſpräche wie das fol-
gende: Schadow: Haſte det alleene gemacht? Schüler: Ja
wohl, Herr Director. Schadow: Janz alleene? Schüler (faſt
beleidigt): Ja wohl, Herr Director. Schadow: Na, denn kannſt
Du Töpper werden. — Er hatte von ſolchen Ausdrücken und
Vergleichen eine ganze Scala zur Verfügung. Am niedrigſten
ſtand ihm der Zinngießer.

Nicht beſſer ging es denen, die als „Amateurs“ in Reih
und Glied eintreten und die Kunſt nebenbei erlernen wollten.

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[347/0363] ſelbſt war Nothwehr, eine natürliche Folge davon, daß einer An- ſammlung bedeutender geiſtiger Kräfte die großen Schauplätze des öffentlichen Lebens über Gebühr verſchloſſen blieben. Das freie Wort iſt endlich der Tod der Ironie geworden und wird es täglich mehr. Zu Schadow’s Zeiten aber blühte ſie noch, und da es für den Einzelnen immer mehr oder weniger unmöglich ſein wird, ſich gegen einen die Geſellſchaft beherrſchenden Ton abzuſchließen, ſo adoptirte denn auch Schadow dieſe Sprechweiſe, freilich erſt, nach- dem er ſich dieſelbe nach ſeinen eigenen Bedürfniſſen zurecht gemacht hatte. Er verſetzte ſie nämlich mit einem Element, von dem ſie in der Regel wenig zu haben pflegt: mit humoriſtiſcher Derbheit, und erzielte dadurch ein ganz eigenartiges Endreſultat. Ein paar illuſtrirende Beiſpiele, herausgenommen aus einer großen Zahl ähnlicher Anekdoten und Ueberlieferungen, mögen hier Platz finden. Vom Profeſſor Stabfuß, der freilich alles Andre eher war als ein Maler, pflegte der Alte lächelnd zu ſagen: „Ja, der Stabfuß, der hat ſich det Malen angewöhnt,“ und einer Depu- tation von Bildhauern, deren Geſammtheit ihm am Abend vorher einen Fackelzug gebracht hatte, bemerkte er, ohne ſich groß auf Dankesworte einzulaſſen: „Na, det hat euch woll viel Spaß ge- macht.“ Verhaßt waren ihm alle diejenigen, die durch Unter- würfigkeit und ſchöne Redensarten ausgleichen wollten, was ihnen an Kraft und Können abging, und auf einſchmeichleriſche Geſuche wie etwa: „der Herr Director könnten das ja mit Leichtigkeit thun,“ pflegte er regelmäßig zu antworten: „Ja, dhun könnt’ ich et; aber ich dhu et lieber nich.“ Anmaßung und Dünkel ließ er nicht aufkommen, auch da nicht, wo ein entſchiedenes Talent die Aeußerungen der Eitelkeit allenfalls verzeihlich gemacht hätte. Nahm er dergleichen wahr, ſo entſtanden Geſpräche wie das fol- gende: Schadow: Haſte det alleene gemacht? Schüler: Ja wohl, Herr Director. Schadow: Janz alleene? Schüler (faſt beleidigt): Ja wohl, Herr Director. Schadow: Na, denn kannſt Du Töpper werden. — Er hatte von ſolchen Ausdrücken und Vergleichen eine ganze Scala zur Verfügung. Am niedrigſten ſtand ihm der Zinngießer. Nicht beſſer ging es denen, die als „Amateurs“ in Reih und Glied eintreten und die Kunſt nebenbei erlernen wollten.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/363>, abgerufen am 25.11.2024.