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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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-- deren höchst vortreffliche von ihm existireu -- eine durchaus
mustergültige Sprache führen konnte. Lakonisch war er immer,
wie fast alle Leute hevorragenden Könnens. Er trieb diese Kürze
des Ausdrucks gelegentlich bis zur Unverständlichkeit, und nur Ein-
geweihte konnten ihm in solchem Falle folgen. Ein Jugenderleb-
niß, von dem er gerne sprach und das ihm so recht deutlich gezeigt
hatte, mit wie wenig Worten sich durchkommen lasse, schien eine
Nachwirkung auf sein ganzes Leben ausgeübt zu haben. Als er
1791 über Schweden nach Petersburg reiste, fand er an der
russischen Grenzstation Kymen einen ehemaligen russischen Cor-
poral als Posthalter vor. Schadow fror bitterlich und hatte
Hunger und Durst. Er wußte kein Wort russisch und um sich
so gut wie möglich zu introduciren, sagte er bloß: Tottleben,
Tschernitscheff, Zarewna. Der Corporal antwortete: Belling,
Zieten, Fridericus Rex. So wurde mit Hülfe des siebenjährigen
Krieges Freundschaft geschlossen. Man fand sich und schüttelte
sich die Hände. Der Russe schaffte Speisen und Thee herbei und
trat dann unserm Schadow sein Bett ab, das das einzige in der
ganzen Gegend war. Er hatte hier practisch erfahren, daß es nur
darauf ankomme, das rechte Wort zu treffen! --

Voller Selbstbewußtsein, war er doch frei von jeder klein-
lichen Eitelkeit. Ja, er erwies sich nach dieser Seite hin als eine
echte und große Künstlernatur. Die Autobiographie, die er hinter-
lassen hat, zeigt uns in erhebender Weise die Beispiele davon.

d'oeuvre, Carnation, Attitude, Traktation des Marmors etc. Professor G.
L." -- "Ich entsinne mich nicht, daß er regelmäßig berlinisch gesprochen hätte,
dagegen weiß ich ganz bestimmt, daß er mir bei gewissen Anlässen im Berliner
Dialekt antwortete. Mal fragt' ich ihn, wie man's wohl einzurichten habe,
um beim Modelliren nach dem lebenden Akt am schnellsten und sichersten zum
Ziele zu gelangen. "Ich fang' beim kleeneu Zehen an, un das is meine
Manier, un das is de beste." Ein ander Mal fragt' ich ihn, ob man bei
Statuen, die hoch gestellt würden und sich gegen die Luft abhöben, die natür-
lichen Proportionen ändern müsse. Er antwortete: "Wat richtig is, muß ooch
richtig aussehen. Professor A. W." -- Und nun zum Schluß. Einer aus
der Gruppe der "Entschiedenen" schrieb mir: "Alle drei Direktoren meiner
Lebenszeit sprachen prononcirt berlinisch. Die Reihenfolge würde sein: Herbig,
Werner, Schadow. Herbig "am dollsten."

bei Seite thun und namentlich in Aufſätzen und Abhandlungen
— deren höchſt vortreffliche von ihm exiſtireu — eine durchaus
muſtergültige Sprache führen konnte. Lakoniſch war er immer,
wie faſt alle Leute hevorragenden Könnens. Er trieb dieſe Kürze
des Ausdrucks gelegentlich bis zur Unverſtändlichkeit, und nur Ein-
geweihte konnten ihm in ſolchem Falle folgen. Ein Jugenderleb-
niß, von dem er gerne ſprach und das ihm ſo recht deutlich gezeigt
hatte, mit wie wenig Worten ſich durchkommen laſſe, ſchien eine
Nachwirkung auf ſein ganzes Leben ausgeübt zu haben. Als er
1791 über Schweden nach Petersburg reiſte, fand er an der
ruſſiſchen Grenzſtation Kymen einen ehemaligen ruſſiſchen Cor-
poral als Poſthalter vor. Schadow fror bitterlich und hatte
Hunger und Durſt. Er wußte kein Wort ruſſiſch und um ſich
ſo gut wie möglich zu introduciren, ſagte er bloß: Tottleben,
Tſchernitſcheff, Zarewna. Der Corporal antwortete: Belling,
Zieten, Fridericus Rex. So wurde mit Hülfe des ſiebenjährigen
Krieges Freundſchaft geſchloſſen. Man fand ſich und ſchüttelte
ſich die Hände. Der Ruſſe ſchaffte Speiſen und Thee herbei und
trat dann unſerm Schadow ſein Bett ab, das das einzige in der
ganzen Gegend war. Er hatte hier practiſch erfahren, daß es nur
darauf ankomme, das rechte Wort zu treffen! —

Voller Selbſtbewußtſein, war er doch frei von jeder klein-
lichen Eitelkeit. Ja, er erwies ſich nach dieſer Seite hin als eine
echte und große Künſtlernatur. Die Autobiographie, die er hinter-
laſſen hat, zeigt uns in erhebender Weiſe die Beiſpiele davon.

d’oeuvre, Carnation, Attitude, Traktation des Marmors etc. Profeſſor G.
L.“ — „Ich entſinne mich nicht, daß er regelmäßig berliniſch geſprochen hätte,
dagegen weiß ich ganz beſtimmt, daß er mir bei gewiſſen Anläſſen im Berliner
Dialekt antwortete. Mal fragt’ ich ihn, wie man’s wohl einzurichten habe,
um beim Modelliren nach dem lebenden Akt am ſchnellſten und ſicherſten zum
Ziele zu gelangen. „Ich fang’ beim kleeneu Zehen an, un das is meine
Manier, un das is de beſte.“ Ein ander Mal fragt’ ich ihn, ob man bei
Statuen, die hoch geſtellt würden und ſich gegen die Luft abhöben, die natür-
lichen Proportionen ändern müſſe. Er antwortete: „Wat richtig is, muß ooch
richtig ausſehen. Profeſſor A. W.“ — Und nun zum Schluß. Einer aus
der Gruppe der „Entſchiedenen“ ſchrieb mir: „Alle drei Direktoren meiner
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[244[344]/0360] bei Seite thun und namentlich in Aufſätzen und Abhandlungen — deren höchſt vortreffliche von ihm exiſtireu — eine durchaus muſtergültige Sprache führen konnte. Lakoniſch war er immer, wie faſt alle Leute hevorragenden Könnens. Er trieb dieſe Kürze des Ausdrucks gelegentlich bis zur Unverſtändlichkeit, und nur Ein- geweihte konnten ihm in ſolchem Falle folgen. Ein Jugenderleb- niß, von dem er gerne ſprach und das ihm ſo recht deutlich gezeigt hatte, mit wie wenig Worten ſich durchkommen laſſe, ſchien eine Nachwirkung auf ſein ganzes Leben ausgeübt zu haben. Als er 1791 über Schweden nach Petersburg reiſte, fand er an der ruſſiſchen Grenzſtation Kymen einen ehemaligen ruſſiſchen Cor- poral als Poſthalter vor. Schadow fror bitterlich und hatte Hunger und Durſt. Er wußte kein Wort ruſſiſch und um ſich ſo gut wie möglich zu introduciren, ſagte er bloß: Tottleben, Tſchernitſcheff, Zarewna. Der Corporal antwortete: Belling, Zieten, Fridericus Rex. So wurde mit Hülfe des ſiebenjährigen Krieges Freundſchaft geſchloſſen. Man fand ſich und ſchüttelte ſich die Hände. Der Ruſſe ſchaffte Speiſen und Thee herbei und trat dann unſerm Schadow ſein Bett ab, das das einzige in der ganzen Gegend war. Er hatte hier practiſch erfahren, daß es nur darauf ankomme, das rechte Wort zu treffen! — Voller Selbſtbewußtſein, war er doch frei von jeder klein- lichen Eitelkeit. Ja, er erwies ſich nach dieſer Seite hin als eine echte und große Künſtlernatur. Die Autobiographie, die er hinter- laſſen hat, zeigt uns in erhebender Weiſe die Beiſpiele davon. *) *) d’oeuvre, Carnation, Attitude, Traktation des Marmors etc. Profeſſor G. L.“ — „Ich entſinne mich nicht, daß er regelmäßig berliniſch geſprochen hätte, dagegen weiß ich ganz beſtimmt, daß er mir bei gewiſſen Anläſſen im Berliner Dialekt antwortete. Mal fragt’ ich ihn, wie man’s wohl einzurichten habe, um beim Modelliren nach dem lebenden Akt am ſchnellſten und ſicherſten zum Ziele zu gelangen. „Ich fang’ beim kleeneu Zehen an, un das is meine Manier, un das is de beſte.“ Ein ander Mal fragt’ ich ihn, ob man bei Statuen, die hoch geſtellt würden und ſich gegen die Luft abhöben, die natür- lichen Proportionen ändern müſſe. Er antwortete: „Wat richtig is, muß ooch richtig ausſehen. Profeſſor A. W.“ — Und nun zum Schluß. Einer aus der Gruppe der „Entſchiedenen“ ſchrieb mir: „Alle drei Direktoren meiner Lebenszeit ſprachen prononcirt berliniſch. Die Reihenfolge würde ſein: Herbig, Werner, Schadow. Herbig „am dollſten.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 244[344]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/360>, abgerufen am 22.11.2024.