"Nu, besser is es schon, denn schlechter is nich möglich. Und das macht alles der Charakter. Der Charakter is immer die Hauptsache. Sehen Sie, bei uns gibt es lauter orntliche Menschen."
"Und alle zehn Schritt 'nen Edelmann."
"Ach, lieber Herr, ein Edelmann is gar nicht so schlimm. Ich bin auch für Freiheit; aber was so'n richtiger Edelmann is, na, viel thut er woll freilich auch nich, aber er thut doch immer was Und der Bauer is auch janz anders bei uns."
"Ich hab' immer gefunden, der Bauer ist überall derselbe. Der Bauer ist überall hart."
"Is schon richtig. Aber doch alles mit'n Unterschied. Un warum is er hier so hart, ich meine so schlimm-hart? Weil er selber nichts hat. Es is ja die reine Hungerleiderei. Sehen Sie sich doch diesen Weg und diese Schonung an. Der reine gelbe Sand. Und wo der reine gelbe Sand is, is auch immer der reine gelbe Neid. Und gönnt keiner dem andern was. Und von was geben oder helfen steht nu schon garnichts drin."
"Hören Sie, Moll, ich bin zwar selber ein Märker, aber ich glaube wahrhaftig, Sie haben ein bischen Recht."
"I, freilich hab' ich Recht. Es is alles pauvre hier und von's Pauvre-sein is noch nie nich was Gutes gekommen."
Unter solchen Gesprächen waren wir bis in Rauen selbst hineingefahren. Auch dieses, wie der Hügelabhang draußen, zeigte den Bergwerkscharakter; alle Häuser sahen rußig und schmucklos aus, und nur eine modische Petroleumlampe mit blauem Ständer und weißer Milchglasglocke war überall als einziges Zierstück in die Fenster gestellt.
In der Kirche, die für das Fest geputzt und gesäubert wurde, trafen wir einen Ortsangesessenen, an den ich mich alsbald mit der Frage wandte: "was die Rauen'sche Kirche denn wohl habe?"
"Wir haben gar nichts als den alten Grabstein vorm Altar. Alles was in Schnörkelbuchstaben daraufstand, ist weggetreten; aber die Rauener sagen, es wär ein Bischof gewesen. Und ich denke mir, es wird wohl ein Bischof gewesen sein."
"Ein Bischof? Hören Sie ..."
"Ja, warum soll es kein Bischof gewesen sein? Es waren ihrer ja so viele. Welche liegen in Fürstenwalde, welche liegen in
„Nu, beſſer is es ſchon, denn ſchlechter is nich möglich. Und das macht alles der Charakter. Der Charakter is immer die Hauptſache. Sehen Sie, bei uns gibt es lauter orntliche Menſchen.“
„Und alle zehn Schritt ’nen Edelmann.“
„Ach, lieber Herr, ein Edelmann is gar nicht ſo ſchlimm. Ich bin auch für Freiheit; aber was ſo’n richtiger Edelmann is, na, viel thut er woll freilich auch nich, aber er thut doch immer was Und der Bauer is auch janz anders bei uns.“
„Ich hab’ immer gefunden, der Bauer iſt überall derſelbe. Der Bauer iſt überall hart.“
„Is ſchon richtig. Aber doch alles mit’n Unterſchied. Un warum is er hier ſo hart, ich meine ſo ſchlimm-hart? Weil er ſelber nichts hat. Es is ja die reine Hungerleiderei. Sehen Sie ſich doch dieſen Weg und dieſe Schonung an. Der reine gelbe Sand. Und wo der reine gelbe Sand is, is auch immer der reine gelbe Neid. Und gönnt keiner dem andern was. Und von was geben oder helfen ſteht nu ſchon garnichts drin.“
„Hören Sie, Moll, ich bin zwar ſelber ein Märker, aber ich glaube wahrhaftig, Sie haben ein bischen Recht.“
„I, freilich hab’ ich Recht. Es is alles pauvre hier und von’s Pauvre-ſein is noch nie nich was Gutes gekommen.“
Unter ſolchen Geſprächen waren wir bis in Rauen ſelbſt hineingefahren. Auch dieſes, wie der Hügelabhang draußen, zeigte den Bergwerkscharakter; alle Häuſer ſahen rußig und ſchmucklos aus, und nur eine modiſche Petroleumlampe mit blauem Ständer und weißer Milchglasglocke war überall als einziges Zierſtück in die Fenſter geſtellt.
In der Kirche, die für das Feſt geputzt und geſäubert wurde, trafen wir einen Ortsangeſeſſenen, an den ich mich alsbald mit der Frage wandte: „was die Rauen’ſche Kirche denn wohl habe?“
„Wir haben gar nichts als den alten Grabſtein vorm Altar. Alles was in Schnörkelbuchſtaben daraufſtand, iſt weggetreten; aber die Rauener ſagen, es wär ein Biſchof geweſen. Und ich denke mir, es wird wohl ein Biſchof geweſen ſein.“
„Ein Biſchof? Hören Sie …“
„Ja, warum ſoll es kein Biſchof geweſen ſein? Es waren ihrer ja ſo viele. Welche liegen in Fürſtenwalde, welche liegen in
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„Nu, beſſer is es ſchon, denn ſchlechter is nich möglich. Und
das macht alles der Charakter. Der Charakter is immer die
Hauptſache. Sehen Sie, bei uns gibt es lauter orntliche Menſchen.“
„Und alle zehn Schritt ’nen Edelmann.“
„Ach, lieber Herr, ein Edelmann is gar nicht ſo ſchlimm. Ich
bin auch für Freiheit; aber was ſo’n richtiger Edelmann is, na,
viel thut er woll freilich auch nich, aber er thut doch immer was
Und der Bauer is auch janz anders bei uns.“
„Ich hab’ immer gefunden, der Bauer iſt überall derſelbe.
Der Bauer iſt überall hart.“
„Is ſchon richtig. Aber doch alles mit’n Unterſchied. Un
warum is er hier ſo hart, ich meine ſo ſchlimm-hart? Weil er
ſelber nichts hat. Es is ja die reine Hungerleiderei. Sehen Sie
ſich doch dieſen Weg und dieſe Schonung an. Der reine gelbe
Sand. Und wo der reine gelbe Sand is, is auch immer der
reine gelbe Neid. Und gönnt keiner dem andern was. Und von
was geben oder helfen ſteht nu ſchon garnichts drin.“
„Hören Sie, Moll, ich bin zwar ſelber ein Märker, aber ich
glaube wahrhaftig, Sie haben ein bischen Recht.“
„I, freilich hab’ ich Recht. Es is alles pauvre hier und
von’s Pauvre-ſein is noch nie nich was Gutes gekommen.“
Unter ſolchen Geſprächen waren wir bis in Rauen ſelbſt
hineingefahren. Auch dieſes, wie der Hügelabhang draußen, zeigte
den Bergwerkscharakter; alle Häuſer ſahen rußig und ſchmucklos
aus, und nur eine modiſche Petroleumlampe mit blauem Ständer
und weißer Milchglasglocke war überall als einziges Zierſtück in
die Fenſter geſtellt.
In der Kirche, die für das Feſt geputzt und geſäubert wurde,
trafen wir einen Ortsangeſeſſenen, an den ich mich alsbald mit
der Frage wandte: „was die Rauen’ſche Kirche denn wohl habe?“
„Wir haben gar nichts als den alten Grabſtein vorm Altar.
Alles was in Schnörkelbuchſtaben daraufſtand, iſt weggetreten;
aber die Rauener ſagen, es wär ein Biſchof geweſen. Und ich
denke mir, es wird wohl ein Biſchof geweſen ſein.“
„Ein Biſchof? Hören Sie …“
„Ja, warum ſoll es kein Biſchof geweſen ſein? Es waren
ihrer ja ſo viele. Welche liegen in Fürſtenwalde, welche liegen in
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/36>, abgerufen am 22.07.2024.
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