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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Von den Gröbens kam das Gut an die Knesebecks. Diese
besitzen es noch. Der erste von ihnen, der sich hier heimisch ein-
richtete, war Friedrich Wilhelm Ludwig von dem Knesebeck,
Halbbruder des Feldmarschalls. Von diesem Friedrich Wilhelm
Ludwig von dem Knesebeck gedenk' ich zu erzählen. Sein Leben
erscheint zwar als eine bloße Skizze neben dem farbenreichen Bilde
seines berühmten Bruders, es bedarf indessen keines langen Suchens
und Forschens, um wahrzunehmen, daß beide Brüder Zweige des-
selben Stammes waren. Sie wirkten in verschiedenen Kreisen:
der eine in der beschränkten Sphäre einer kleinen Stadt, der andere
in dem weitgezogenen Kreise des staatlichen Lebens; aber der Pulsschlag
beider war derselbe, und wie verschieden auch ihr Leben sich gestaltete,
an Mannesmuth und adliger Gesinnung, an Vaterlandsliebe, Ge-
meinsinn und Opferfreudigkeit standen sich Beide gleich. Beide --
märkische Edelleute von Kopf bis zu Fuß. Nur gesellte der ältere
Bruder zu dem ihnen im Charakter Gemeinsamen auch noch
hohe Gaben des Geistes und das schuf einen Unterschied. Der
kühne Kopf, der den Gedanken gebären konnte: den unbesiegbaren
Imperator durch die bloße Macht des Raumes, d. h. durch Ruß-
land zu vernichten, stand so hoch, daß er die Nebenbuhlerschaft
eines andern Geistes nicht leicht zu fürchten hatte. Die Talente
waren verschieden.

Friedrich Wilhelm Ludwig von dem Knesebeck wurde den
29. März 1775 zu Carwe geboren. Er trat als Lieutenant in
das zu Ruppin garnisonirende Regiment Prinz Ferdinand ein und
machte als solcher die Rhein-Campagne mit. Ein Duell und eine
Verwundung, die er empfing, veranlaßten ihn im Jahre 1800
seinen Abschied zu nehmen. Ruppin war ihm lieb geworden und er
verblieb als Bürger in einem städtischen Kreise, darin er als Offizier
eine Reihe glücklicher Jahre verlebt hatte. So kamen die Tage
von Jena und Auerstädt; unsere Truppen, so viel oder so wenig
ihrer noch waren, retteten sich über die Oder und das Land lag
offen und widerstandslos vor dem nachrückenden Feinde da. Am
Tage Aller Heiligen traf in Ruppin die Nachricht ein, daß die
Franzosen im Anzuge seien. Was thun? Wer hatte den Muth
und die Fähigkeit, die Stadt zu vertreten? Eine Wahl war bald
getroffen, wo nur Einer gewählt werden konnte. Alle Stimmen

Von den Gröbens kam das Gut an die Kneſebecks. Dieſe
beſitzen es noch. Der erſte von ihnen, der ſich hier heimiſch ein-
richtete, war Friedrich Wilhelm Ludwig von dem Kneſebeck,
Halbbruder des Feldmarſchalls. Von dieſem Friedrich Wilhelm
Ludwig von dem Kneſebeck gedenk’ ich zu erzählen. Sein Leben
erſcheint zwar als eine bloße Skizze neben dem farbenreichen Bilde
ſeines berühmten Bruders, es bedarf indeſſen keines langen Suchens
und Forſchens, um wahrzunehmen, daß beide Brüder Zweige des-
ſelben Stammes waren. Sie wirkten in verſchiedenen Kreiſen:
der eine in der beſchränkten Sphäre einer kleinen Stadt, der andere
in dem weitgezogenen Kreiſe des ſtaatlichen Lebens; aber der Pulsſchlag
beider war derſelbe, und wie verſchieden auch ihr Leben ſich geſtaltete,
an Mannesmuth und adliger Geſinnung, an Vaterlandsliebe, Ge-
meinſinn und Opferfreudigkeit ſtanden ſich Beide gleich. Beide —
märkiſche Edelleute von Kopf bis zu Fuß. Nur geſellte der ältere
Bruder zu dem ihnen im Charakter Gemeinſamen auch noch
hohe Gaben des Geiſtes und das ſchuf einen Unterſchied. Der
kühne Kopf, der den Gedanken gebären konnte: den unbeſiegbaren
Imperator durch die bloße Macht des Raumes, d. h. durch Ruß-
land zu vernichten, ſtand ſo hoch, daß er die Nebenbuhlerſchaft
eines andern Geiſtes nicht leicht zu fürchten hatte. Die Talente
waren verſchieden.

Friedrich Wilhelm Ludwig von dem Kneſebeck wurde den
29. März 1775 zu Carwe geboren. Er trat als Lieutenant in
das zu Ruppin garniſonirende Regiment Prinz Ferdinand ein und
machte als ſolcher die Rhein-Campagne mit. Ein Duell und eine
Verwundung, die er empfing, veranlaßten ihn im Jahre 1800
ſeinen Abſchied zu nehmen. Ruppin war ihm lieb geworden und er
verblieb als Bürger in einem ſtädtiſchen Kreiſe, darin er als Offizier
eine Reihe glücklicher Jahre verlebt hatte. So kamen die Tage
von Jena und Auerſtädt; unſere Truppen, ſo viel oder ſo wenig
ihrer noch waren, retteten ſich über die Oder und das Land lag
offen und widerſtandslos vor dem nachrückenden Feinde da. Am
Tage Aller Heiligen traf in Ruppin die Nachricht ein, daß die
Franzoſen im Anzuge ſeien. Was thun? Wer hatte den Muth
und die Fähigkeit, die Stadt zu vertreten? Eine Wahl war bald
getroffen, wo nur Einer gewählt werden konnte. Alle Stimmen

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[322/0338] Von den Gröbens kam das Gut an die Kneſebecks. Dieſe beſitzen es noch. Der erſte von ihnen, der ſich hier heimiſch ein- richtete, war Friedrich Wilhelm Ludwig von dem Kneſebeck, Halbbruder des Feldmarſchalls. Von dieſem Friedrich Wilhelm Ludwig von dem Kneſebeck gedenk’ ich zu erzählen. Sein Leben erſcheint zwar als eine bloße Skizze neben dem farbenreichen Bilde ſeines berühmten Bruders, es bedarf indeſſen keines langen Suchens und Forſchens, um wahrzunehmen, daß beide Brüder Zweige des- ſelben Stammes waren. Sie wirkten in verſchiedenen Kreiſen: der eine in der beſchränkten Sphäre einer kleinen Stadt, der andere in dem weitgezogenen Kreiſe des ſtaatlichen Lebens; aber der Pulsſchlag beider war derſelbe, und wie verſchieden auch ihr Leben ſich geſtaltete, an Mannesmuth und adliger Geſinnung, an Vaterlandsliebe, Ge- meinſinn und Opferfreudigkeit ſtanden ſich Beide gleich. Beide — märkiſche Edelleute von Kopf bis zu Fuß. Nur geſellte der ältere Bruder zu dem ihnen im Charakter Gemeinſamen auch noch hohe Gaben des Geiſtes und das ſchuf einen Unterſchied. Der kühne Kopf, der den Gedanken gebären konnte: den unbeſiegbaren Imperator durch die bloße Macht des Raumes, d. h. durch Ruß- land zu vernichten, ſtand ſo hoch, daß er die Nebenbuhlerſchaft eines andern Geiſtes nicht leicht zu fürchten hatte. Die Talente waren verſchieden. Friedrich Wilhelm Ludwig von dem Kneſebeck wurde den 29. März 1775 zu Carwe geboren. Er trat als Lieutenant in das zu Ruppin garniſonirende Regiment Prinz Ferdinand ein und machte als ſolcher die Rhein-Campagne mit. Ein Duell und eine Verwundung, die er empfing, veranlaßten ihn im Jahre 1800 ſeinen Abſchied zu nehmen. Ruppin war ihm lieb geworden und er verblieb als Bürger in einem ſtädtiſchen Kreiſe, darin er als Offizier eine Reihe glücklicher Jahre verlebt hatte. So kamen die Tage von Jena und Auerſtädt; unſere Truppen, ſo viel oder ſo wenig ihrer noch waren, retteten ſich über die Oder und das Land lag offen und widerſtandslos vor dem nachrückenden Feinde da. Am Tage Aller Heiligen traf in Ruppin die Nachricht ein, daß die Franzoſen im Anzuge ſeien. Was thun? Wer hatte den Muth und die Fähigkeit, die Stadt zu vertreten? Eine Wahl war bald getroffen, wo nur Einer gewählt werden konnte. Alle Stimmen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/338>, abgerufen am 24.11.2024.