Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.jedoch eine Darstellung desselben gebe, versuch ich eine Schilderung Die Oudinot'sche Armee, 70,000 Mann stark, bestand aus Die diesseitige Nordarmee war viel stärker und umfaßte *) "Bernadotte", so schreibt ein Offizier aus dem Jahre 13, "entwarf
beständig Pläne, die durch Kühnheit in Erstaunen setzten, und gedachte bei- spielsweise Magdeburg und Stettin mit Sturmleitern zu ersteigen, kam aber der Entscheidungsmoment heran, so nahm er rückwärts Stellungen. Er wurd' in Allem nur durch eine Rücksicht bestimmt: sich und seine schwedische Hilfstruppe keiner Niederlage auszusetzen." jedoch eine Darſtellung deſſelben gebe, verſuch ich eine Schilderung Die Oudinot’ſche Armee, 70,000 Mann ſtark, beſtand aus Die dieſſeitige Nordarmee war viel ſtärker und umfaßte *) „Bernadotte“, ſo ſchreibt ein Offizier aus dem Jahre 13, „entwarf
beſtändig Pläne, die durch Kühnheit in Erſtaunen ſetzten, und gedachte bei- ſpielsweiſe Magdeburg und Stettin mit Sturmleitern zu erſteigen, kam aber der Entſcheidungsmoment heran, ſo nahm er rückwärts Stellungen. Er wurd’ in Allem nur durch eine Rückſicht beſtimmt: ſich und ſeine ſchwediſche Hilfstruppe keiner Niederlage auszuſetzen.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0309" n="293"/> jedoch eine Darſtellung deſſelben gebe, verſuch ich eine Schilderung<lb/> der ſich gegenüberſtehenden Streitkräfte.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Oudinot’ſche</hi> Armee, 70,000 Mann ſtark, beſtand aus<lb/> neun Diviſionen, von denen fünf fremden Nationalitäten ange-<lb/> hörten: zwei waren ſächſiſch, eine bayeriſch, eine württembergiſch<lb/> und eine italieniſch. Aber auch die verbleibenden vier franzöſiſchen<lb/> Diviſionen ließen an Zuverläſſigkeit allerlei vermiſſen, da man<lb/> bei der letzten Aushebung auf das erſatzpflichtige Alter keine Rück-<lb/> ſicht genommen, vielmehr blutjunge Leute, die faſt noch im Knaben-<lb/> alter ſtanden, mit herangezogen hatte. Beſonders unzuverläſſig<lb/> war die zum 7. Corps Reynier gehörige Diviſion Durutte, die<lb/> zum größten Theil aus Refractairs, d. h. aus ſolchen, die ſich der<lb/> Aushebung bis dahin zu entziehen gewußt hatten, aus Deſerteurs<lb/> und Verbrechern gebildet war. Von den Befehlshabern kamen<lb/> nur Oudinot und Reynier in Betracht, aber auch hinſichtlich ihrer<lb/> blieb manches zu wünſchen. Oudinot machte den Oberbefehl nicht<lb/> genügend geltend, ja vermied ſogar die perſönliche Berührung mit<lb/> ſeinen Unter-Generalen, während Reynier unluſtig und erbit-<lb/> tert über die Zurückſetzung war, die Napoleon ihn beſtändig erfah-<lb/> ren ließ.</p><lb/> <p>Die dieſſeitige <hi rendition="#g">Nordarmee</hi> war viel ſtärker und umfaßte<lb/> bis gegen 100,000 Mann. Aber auch die dieſer zugehörigen<lb/> Truppentheile waren von gemiſchter Nationalität und unterſtanden,<lb/> was der Hauptübelſtand war, einem Oberbefehlshaber, der, ohne<lb/> jedes Herz für die Sache, nur ſeinem perſönlichen Intereſſe nach-<lb/> hing<note place="foot" n="*)">„Bernadotte“, ſo ſchreibt ein Offizier aus dem Jahre 13, „entwarf<lb/> beſtändig Pläne, die durch Kühnheit in Erſtaunen ſetzten, und gedachte bei-<lb/> ſpielsweiſe Magdeburg und Stettin mit Sturmleitern zu erſteigen, kam aber<lb/> der Entſcheidungsmoment heran, ſo nahm er <hi rendition="#g">rückwärts</hi> Stellungen. Er<lb/> wurd’ in Allem nur durch <hi rendition="#g">eine</hi> Rückſicht beſtimmt: ſich und ſeine ſchwediſche<lb/> Hilfstruppe keiner Niederlage auszuſetzen.“</note> — ein Uebelſtand, der noch ſchwerer ins Gewicht gefallen<lb/> wäre, wenn nicht der Geiſt der beiden preußiſchen Heerführer<lb/><hi rendition="#g">Bülow</hi> und <hi rendition="#g">Tauentzin</hi>, und kaum minder der in ihren Land-<lb/> wehren aller mangelhaften Ausbildung und Bewaffnung unerachtet<lb/> anzutreffende preußiſche Kampfesmuth, eine Balance geſchaffen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [293/0309]
jedoch eine Darſtellung deſſelben gebe, verſuch ich eine Schilderung
der ſich gegenüberſtehenden Streitkräfte.
Die Oudinot’ſche Armee, 70,000 Mann ſtark, beſtand aus
neun Diviſionen, von denen fünf fremden Nationalitäten ange-
hörten: zwei waren ſächſiſch, eine bayeriſch, eine württembergiſch
und eine italieniſch. Aber auch die verbleibenden vier franzöſiſchen
Diviſionen ließen an Zuverläſſigkeit allerlei vermiſſen, da man
bei der letzten Aushebung auf das erſatzpflichtige Alter keine Rück-
ſicht genommen, vielmehr blutjunge Leute, die faſt noch im Knaben-
alter ſtanden, mit herangezogen hatte. Beſonders unzuverläſſig
war die zum 7. Corps Reynier gehörige Diviſion Durutte, die
zum größten Theil aus Refractairs, d. h. aus ſolchen, die ſich der
Aushebung bis dahin zu entziehen gewußt hatten, aus Deſerteurs
und Verbrechern gebildet war. Von den Befehlshabern kamen
nur Oudinot und Reynier in Betracht, aber auch hinſichtlich ihrer
blieb manches zu wünſchen. Oudinot machte den Oberbefehl nicht
genügend geltend, ja vermied ſogar die perſönliche Berührung mit
ſeinen Unter-Generalen, während Reynier unluſtig und erbit-
tert über die Zurückſetzung war, die Napoleon ihn beſtändig erfah-
ren ließ.
Die dieſſeitige Nordarmee war viel ſtärker und umfaßte
bis gegen 100,000 Mann. Aber auch die dieſer zugehörigen
Truppentheile waren von gemiſchter Nationalität und unterſtanden,
was der Hauptübelſtand war, einem Oberbefehlshaber, der, ohne
jedes Herz für die Sache, nur ſeinem perſönlichen Intereſſe nach-
hing *) — ein Uebelſtand, der noch ſchwerer ins Gewicht gefallen
wäre, wenn nicht der Geiſt der beiden preußiſchen Heerführer
Bülow und Tauentzin, und kaum minder der in ihren Land-
wehren aller mangelhaften Ausbildung und Bewaffnung unerachtet
anzutreffende preußiſche Kampfesmuth, eine Balance geſchaffen
*) „Bernadotte“, ſo ſchreibt ein Offizier aus dem Jahre 13, „entwarf
beſtändig Pläne, die durch Kühnheit in Erſtaunen ſetzten, und gedachte bei-
ſpielsweiſe Magdeburg und Stettin mit Sturmleitern zu erſteigen, kam aber
der Entſcheidungsmoment heran, ſo nahm er rückwärts Stellungen. Er
wurd’ in Allem nur durch eine Rückſicht beſtimmt: ſich und ſeine ſchwediſche
Hilfstruppe keiner Niederlage auszuſetzen.“
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