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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Paul Gerhardt ist unbestritten der Glanzpunkt in der Ge-
schichte Mittenwalde's, aber es hat der historischen Erinnerungen
auch noch andre.

Den 31. August 1730 traf Kronprinz Friedrich unter starker
Bedeckung, von Wesel aus, über Treuenbrietzen (wo er die Nacht
vorher gewesen war) in Mittenwalde ein, um daselbst, vor seiner
Abführung nach Küstrin, ein erstes Verhör zu bestehen. Das
Truppenkommando, das ihn bis Mittenwalde geführt hatte, stand
unter Befehl des Generalmajors von Buddenbrock, desselben
tapferen Ofsiziers, der zwei Monate später dem mit der Todes-
strafe drohenden König mit den Worten entgegentrat: "Wenn
Ew. Majestät Blut verlangen, so nehmen Sie meines; jenes be-
kommen Sie nicht, so lang ich noch sprechen darf."*)

Kronprinz Friedrich blieb zwei Tage in Mittenwalde, vom
31. August bis 2. September. Das Verhör fand muthmaßlich
am 1. statt. Er bestand es vor Generallieutenant von Grumbkow,
Generalmajor von Glasenapp, Oberst von Sydow und den Geh.
Räthen Mylius und Gerbett und behauptete während desselben
eine "kecke und beleidigende Zürückhaltung". Als Grumbkow ihm
seine Verwunderung darüber bezeugte, antwortete er: "Ich bin auf
alles gefaßt, was kommen kann, und hoffe, mein Muth wird grö-
ßer sein, als mein Unglück." --

Garnison stand damals noch nicht in Mittenwalde; die Stadt
war überhaupt noch klein und zählte (1730) nur 952 Einwohner.
In welchem Hause der Prinz bewacht wurde, hab ich nicht mehr
ermitteln können; das "Schloß" existirte längst nicht mehr. Das
Verhör fand muthmaßlich auf dem Rathhause statt.


Das war im September 1730.

Fast siebenzig Jahre später, am Sylvesterabend 1799, tritt

*) Aehnliche Worte hatte Generalmajor von Mosel am 14. August in
Wesel gesprochen. Als der König mit dem Degen auf den Kronprinzen ein-
drang, warf sich M. dazwischen und rief: "Sire, durchboren Sie mich, aber
schonen Sie Ihres Sohnes". Ueberhaupt zeigen die Vorgänge jener Zeit, daß
hoher Muth an gefährlicher Stelle am besten gedeiht.

Paul Gerhardt iſt unbeſtritten der Glanzpunkt in der Ge-
ſchichte Mittenwalde’s, aber es hat der hiſtoriſchen Erinnerungen
auch noch andre.

Den 31. Auguſt 1730 traf Kronprinz Friedrich unter ſtarker
Bedeckung, von Weſel aus, über Treuenbrietzen (wo er die Nacht
vorher geweſen war) in Mittenwalde ein, um daſelbſt, vor ſeiner
Abführung nach Küſtrin, ein erſtes Verhör zu beſtehen. Das
Truppenkommando, das ihn bis Mittenwalde geführt hatte, ſtand
unter Befehl des Generalmajors von Buddenbrock, deſſelben
tapferen Ofſiziers, der zwei Monate ſpäter dem mit der Todes-
ſtrafe drohenden König mit den Worten entgegentrat: „Wenn
Ew. Majeſtät Blut verlangen, ſo nehmen Sie meines; jenes be-
kommen Sie nicht, ſo lang ich noch ſprechen darf.“*)

Kronprinz Friedrich blieb zwei Tage in Mittenwalde, vom
31. Auguſt bis 2. September. Das Verhör fand muthmaßlich
am 1. ſtatt. Er beſtand es vor Generallieutenant von Grumbkow,
Generalmajor von Glaſenapp, Oberſt von Sydow und den Geh.
Räthen Mylius und Gerbett und behauptete während deſſelben
eine „kecke und beleidigende Zürückhaltung“. Als Grumbkow ihm
ſeine Verwunderung darüber bezeugte, antwortete er: „Ich bin auf
alles gefaßt, was kommen kann, und hoffe, mein Muth wird grö-
ßer ſein, als mein Unglück.“ —

Garniſon ſtand damals noch nicht in Mittenwalde; die Stadt
war überhaupt noch klein und zählte (1730) nur 952 Einwohner.
In welchem Hauſe der Prinz bewacht wurde, hab ich nicht mehr
ermitteln können; das „Schloß“ exiſtirte längſt nicht mehr. Das
Verhör fand muthmaßlich auf dem Rathhauſe ſtatt.


Das war im September 1730.

Faſt ſiebenzig Jahre ſpäter, am Sylveſterabend 1799, tritt

*) Aehnliche Worte hatte Generalmajor von Moſel am 14. Auguſt in
Weſel geſprochen. Als der König mit dem Degen auf den Kronprinzen ein-
drang, warf ſich M. dazwiſchen und rief: „Sire, durchboren Sie mich, aber
ſchonen Sie Ihres Sohnes“. Ueberhaupt zeigen die Vorgänge jener Zeit, daß
hoher Muth an gefährlicher Stelle am beſten gedeiht.
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[279/0295] Paul Gerhardt iſt unbeſtritten der Glanzpunkt in der Ge- ſchichte Mittenwalde’s, aber es hat der hiſtoriſchen Erinnerungen auch noch andre. Den 31. Auguſt 1730 traf Kronprinz Friedrich unter ſtarker Bedeckung, von Weſel aus, über Treuenbrietzen (wo er die Nacht vorher geweſen war) in Mittenwalde ein, um daſelbſt, vor ſeiner Abführung nach Küſtrin, ein erſtes Verhör zu beſtehen. Das Truppenkommando, das ihn bis Mittenwalde geführt hatte, ſtand unter Befehl des Generalmajors von Buddenbrock, deſſelben tapferen Ofſiziers, der zwei Monate ſpäter dem mit der Todes- ſtrafe drohenden König mit den Worten entgegentrat: „Wenn Ew. Majeſtät Blut verlangen, ſo nehmen Sie meines; jenes be- kommen Sie nicht, ſo lang ich noch ſprechen darf.“ *) Kronprinz Friedrich blieb zwei Tage in Mittenwalde, vom 31. Auguſt bis 2. September. Das Verhör fand muthmaßlich am 1. ſtatt. Er beſtand es vor Generallieutenant von Grumbkow, Generalmajor von Glaſenapp, Oberſt von Sydow und den Geh. Räthen Mylius und Gerbett und behauptete während deſſelben eine „kecke und beleidigende Zürückhaltung“. Als Grumbkow ihm ſeine Verwunderung darüber bezeugte, antwortete er: „Ich bin auf alles gefaßt, was kommen kann, und hoffe, mein Muth wird grö- ßer ſein, als mein Unglück.“ — Garniſon ſtand damals noch nicht in Mittenwalde; die Stadt war überhaupt noch klein und zählte (1730) nur 952 Einwohner. In welchem Hauſe der Prinz bewacht wurde, hab ich nicht mehr ermitteln können; das „Schloß“ exiſtirte längſt nicht mehr. Das Verhör fand muthmaßlich auf dem Rathhauſe ſtatt. Das war im September 1730. Faſt ſiebenzig Jahre ſpäter, am Sylveſterabend 1799, tritt *) Aehnliche Worte hatte Generalmajor von Moſel am 14. Auguſt in Weſel geſprochen. Als der König mit dem Degen auf den Kronprinzen ein- drang, warf ſich M. dazwiſchen und rief: „Sire, durchboren Sie mich, aber ſchonen Sie Ihres Sohnes“. Ueberhaupt zeigen die Vorgänge jener Zeit, daß hoher Muth an gefährlicher Stelle am beſten gedeiht.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/295>, abgerufen am 22.11.2024.