Südrande der Stadt gelegen, von dem aus man das gesammte Schenkenländchen überblickt. Wir erreichen seinen höchsten Punkt und haben in weitgespanntem Bogen eine Kessellandschaft vor und unter uns. Wohin wir blicken, vom Horizonte her dieselbe Reihen- folge von Hügel, See und Haideland und in der Mitte des Bildes wir selbst und der Berg, auf dem wir stehen.
Das Panorama ist schön; schöner aber wird das Bild, wenn wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die nach Osten hin sich dehnende Hälfte der Landschaft hineinzublicken. Es ist dies die Hälfte, wo Teupitz und sein See gelegen sind. Der Wind weht scharf vom Wasser her, aber eine wilde Pflaumbaum- Hecke giebt uns Schutz, während Einschnitte, wie Schießscharten, uns einen Blick in Näh und Ferne gestatten. Ein Kornfeld läuft vor uns am Abhang nieder, am Fuße des Hügels zieht sich ein Feldweg hin und dahinter breiten sich Gärten und Wiesen; hinter den Wiesen aber steigt die Stadt auf und hinter dieser der See mit seinen Inseln und seinen Hügeln am andern Ufer. Und auch Leben hat das Bild. Wie losgelöste Schollen treiben die In- seln den See entlang (oder scheinen doch zu treiben), ein satter Fischreiher fliegt landeinwärts und die Tücher der Mägde, die beim Heuen beschäftigt sind, flattern lustig im Winde. Vom nächsten Dorf her kommen Kinder des Wegs und verkürzen sich die Zeit mit Spiel und Neckereien. In Büscheln reißen die Jungen den rothen Mohn aus dem Kornfeld und immer wenn sie die Mädchen zu haschen und mit den Büscheln zu treffen suchen, stäuben die rothen Blätter nach allen Seiten hin durch die Luft.
So liegen und träumen wir hinter der Pflaumbaumhecke, ducken uns vor dem Wind, wenn er zu scharf bergan fährt, und lugen wieder aus, wenn er pausirt und zu neuem Angriff sich rüstet.
In diesem Augenblick aber trägt er die Klänge der Mittags- glocke laut und vernehmbar herüber und mahnt uns zur Rückkehr in die Stadt. Im goldenen Stern erwartet uns ein gedeckter Tisch; ich eile damit und spring' in's Boot, um noch einmal über den See zu fahren. Und diesmal allein. Die kurzen Wellen tanzen um mich
Südrande der Stadt gelegen, von dem aus man das geſammte Schenkenländchen überblickt. Wir erreichen ſeinen höchſten Punkt und haben in weitgeſpanntem Bogen eine Keſſellandſchaft vor und unter uns. Wohin wir blicken, vom Horizonte her dieſelbe Reihen- folge von Hügel, See und Haideland und in der Mitte des Bildes wir ſelbſt und der Berg, auf dem wir ſtehen.
Das Panorama iſt ſchön; ſchöner aber wird das Bild, wenn wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die nach Oſten hin ſich dehnende Hälfte der Landſchaft hineinzublicken. Es iſt dies die Hälfte, wo Teupitz und ſein See gelegen ſind. Der Wind weht ſcharf vom Waſſer her, aber eine wilde Pflaumbaum- Hecke giebt uns Schutz, während Einſchnitte, wie Schießſcharten, uns einen Blick in Näh und Ferne geſtatten. Ein Kornfeld läuft vor uns am Abhang nieder, am Fuße des Hügels zieht ſich ein Feldweg hin und dahinter breiten ſich Gärten und Wieſen; hinter den Wieſen aber ſteigt die Stadt auf und hinter dieſer der See mit ſeinen Inſeln und ſeinen Hügeln am andern Ufer. Und auch Leben hat das Bild. Wie losgelöſte Schollen treiben die In- ſeln den See entlang (oder ſcheinen doch zu treiben), ein ſatter Fiſchreiher fliegt landeinwärts und die Tücher der Mägde, die beim Heuen beſchäftigt ſind, flattern luſtig im Winde. Vom nächſten Dorf her kommen Kinder des Wegs und verkürzen ſich die Zeit mit Spiel und Neckereien. In Büſcheln reißen die Jungen den rothen Mohn aus dem Kornfeld und immer wenn ſie die Mädchen zu haſchen und mit den Büſcheln zu treffen ſuchen, ſtäuben die rothen Blätter nach allen Seiten hin durch die Luft.
So liegen und träumen wir hinter der Pflaumbaumhecke, ducken uns vor dem Wind, wenn er zu ſcharf bergan fährt, und lugen wieder aus, wenn er pauſirt und zu neuem Angriff ſich rüſtet.
In dieſem Augenblick aber trägt er die Klänge der Mittags- glocke laut und vernehmbar herüber und mahnt uns zur Rückkehr in die Stadt. Im goldenen Stern erwartet uns ein gedeckter Tiſch; ich eile damit und ſpring’ in’s Boot, um noch einmal über den See zu fahren. Und diesmal allein. Die kurzen Wellen tanzen um mich
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Südrande der Stadt gelegen, von dem aus man das geſammte
Schenkenländchen überblickt. Wir erreichen ſeinen höchſten Punkt
und haben in weitgeſpanntem Bogen eine Keſſellandſchaft vor und
unter uns. Wohin wir blicken, vom Horizonte her dieſelbe Reihen-
folge von Hügel, See und Haideland und in der Mitte des Bildes
wir ſelbſt und der Berg, auf dem wir ſtehen.
Das Panorama iſt ſchön; ſchöner aber wird das Bild, wenn
wir auf den Rundblick verzichten und uns damit begnügen, in die
nach Oſten hin ſich dehnende Hälfte der Landſchaft hineinzublicken.
Es iſt dies die Hälfte, wo Teupitz und ſein See gelegen ſind. Der
Wind weht ſcharf vom Waſſer her, aber eine wilde Pflaumbaum-
Hecke giebt uns Schutz, während Einſchnitte, wie Schießſcharten,
uns einen Blick in Näh und Ferne geſtatten. Ein Kornfeld läuft
vor uns am Abhang nieder, am Fuße des Hügels zieht ſich ein
Feldweg hin und dahinter breiten ſich Gärten und Wieſen; hinter
den Wieſen aber ſteigt die Stadt auf und hinter dieſer der See
mit ſeinen Inſeln und ſeinen Hügeln am andern Ufer. Und
auch Leben hat das Bild. Wie losgelöſte Schollen treiben die In-
ſeln den See entlang (oder ſcheinen doch zu treiben), ein ſatter
Fiſchreiher fliegt landeinwärts und die Tücher der Mägde, die
beim Heuen beſchäftigt ſind, flattern luſtig im Winde. Vom
nächſten Dorf her kommen Kinder des Wegs und verkürzen ſich
die Zeit mit Spiel und Neckereien. In Büſcheln reißen die
Jungen den rothen Mohn aus dem Kornfeld und immer wenn
ſie die Mädchen zu haſchen und mit den Büſcheln zu treffen
ſuchen, ſtäuben die rothen Blätter nach allen Seiten hin durch
die Luft.
So liegen und träumen wir hinter der Pflaumbaumhecke,
ducken uns vor dem Wind, wenn er zu ſcharf bergan fährt, und
lugen wieder aus, wenn er pauſirt und zu neuem Angriff ſich
rüſtet.
In dieſem Augenblick aber trägt er die Klänge der Mittags-
glocke laut und vernehmbar herüber und mahnt uns zur Rückkehr in
die Stadt. Im goldenen Stern erwartet uns ein gedeckter Tiſch; ich
eile damit und ſpring’ in’s Boot, um noch einmal über den See zu
fahren. Und diesmal allein. Die kurzen Wellen tanzen um mich
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/285>, abgerufen am 22.11.2024.
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