Netze werden unterm Eis gespannt und gezogen. Es ist jedesmal ein Festtag für Teupitz."
Die Sternwirthin begann nun mit vieler Lebhaftigkeit mir die verschiedenen Phasen des Zander-Zuges zu beschreiben, dabei mehr ermuthigt als gestört durch meine Fragen, die ganz ernsthaft darauf aus waren, das Verfahren nach Möglichkeit kennen zu lernen. Die Handgriffe beim Spannen und Ziehen der Netze blieben mir aber unklar und nur so viel sah ich, daß es die größte Aehnlichkeit mit einer Treibjagd und zwar mit einem Kesseltreiben haben müsse. Die Fischer, wohl vertraut mit dem See, fegen mittelst weit- gespannter Netze den Zander in ihnen bekannte Kesselvertiefungen hinein, umstellen ihn hier und schöpfen ihn dann, wie man Gold- fischchen aus einem Bassin schöpft, aus der fischgefüllten Tiefe heraus.
Inzwischen erfuhr ich, daß das Boot bereit läge, das mich laut Verabredung auf den See fahren sollte. Gleich vom gold- nen Stern aus, läuft ein schmaler Gang auf die Anlegestelle zu. Rechts und links standen Hof- und Gartenzäune, sämmtlich in jenen seltsamen Biegungen und Wellenlinien, die bemoostes Zaun- werk im Lauf der Jahre zu zeigen pflegt. Ueber die Zäune hinweg wuchsen die Kronen der Bäume von hüben und drüben zusammen, was sich namentlich in Nähe des Wassers überaus malerisch ausnahm, wo zugleich der See bis zwischen das Planken- werk vordrang und mal höher mal tiefer mit seinem gelblichen Schaum eine Grenzmarke zog.
An dieser Stelle lag auch das Boot. Ein Fischermädchen vom andern Ufer stand in der Mitte desselben und während ihr weißes Kopftuch im Winde flatterte, stießen wir ab.
Der Teupitz-See ist fast eine Meile lang und eine Viertel- meile breit, an einigen Stellen, wo er sich buchtet, auch breiter. Sein Wasser ist hellgrün, frisch und leichtflüssig; Hügel mit Fel- dern und Hecken fassen ihn ein, und außer der schmalen Halb- insel, die das "Schloß" trägt und sich bis tief in den See hinein erstreckt, schwimmen große und kleine Inseln auf der schönen Wasserfläche umher. Die kleinen Inseln sind mit Rohr bestanden, die größeren aber, auch Werder geheißen, sind bebaut und tragen die Namen der beiden Seedörfer, Egsdorf und Schwerin, denen
Netze werden unterm Eis geſpannt und gezogen. Es iſt jedesmal ein Feſttag für Teupitz.“
Die Sternwirthin begann nun mit vieler Lebhaftigkeit mir die verſchiedenen Phaſen des Zander-Zuges zu beſchreiben, dabei mehr ermuthigt als geſtört durch meine Fragen, die ganz ernſthaft darauf aus waren, das Verfahren nach Möglichkeit kennen zu lernen. Die Handgriffe beim Spannen und Ziehen der Netze blieben mir aber unklar und nur ſo viel ſah ich, daß es die größte Aehnlichkeit mit einer Treibjagd und zwar mit einem Keſſeltreiben haben müſſe. Die Fiſcher, wohl vertraut mit dem See, fegen mittelſt weit- geſpannter Netze den Zander in ihnen bekannte Keſſelvertiefungen hinein, umſtellen ihn hier und ſchöpfen ihn dann, wie man Gold- fiſchchen aus einem Baſſin ſchöpft, aus der fiſchgefüllten Tiefe heraus.
Inzwiſchen erfuhr ich, daß das Boot bereit läge, das mich laut Verabredung auf den See fahren ſollte. Gleich vom gold- nen Stern aus, läuft ein ſchmaler Gang auf die Anlegeſtelle zu. Rechts und links ſtanden Hof- und Gartenzäune, ſämmtlich in jenen ſeltſamen Biegungen und Wellenlinien, die bemooſtes Zaun- werk im Lauf der Jahre zu zeigen pflegt. Ueber die Zäune hinweg wuchſen die Kronen der Bäume von hüben und drüben zuſammen, was ſich namentlich in Nähe des Waſſers überaus maleriſch ausnahm, wo zugleich der See bis zwiſchen das Planken- werk vordrang und mal höher mal tiefer mit ſeinem gelblichen Schaum eine Grenzmarke zog.
An dieſer Stelle lag auch das Boot. Ein Fiſchermädchen vom andern Ufer ſtand in der Mitte deſſelben und während ihr weißes Kopftuch im Winde flatterte, ſtießen wir ab.
Der Teupitz-See iſt faſt eine Meile lang und eine Viertel- meile breit, an einigen Stellen, wo er ſich buchtet, auch breiter. Sein Waſſer iſt hellgrün, friſch und leichtflüſſig; Hügel mit Fel- dern und Hecken faſſen ihn ein, und außer der ſchmalen Halb- inſel, die das „Schloß“ trägt und ſich bis tief in den See hinein erſtreckt, ſchwimmen große und kleine Inſeln auf der ſchönen Waſſerfläche umher. Die kleinen Inſeln ſind mit Rohr beſtanden, die größeren aber, auch Werder geheißen, ſind bebaut und tragen die Namen der beiden Seedörfer, Egsdorf und Schwerin, denen
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Netze werden unterm Eis geſpannt und gezogen. Es iſt jedesmal
ein Feſttag für Teupitz.“
Die Sternwirthin begann nun mit vieler Lebhaftigkeit mir
die verſchiedenen Phaſen des Zander-Zuges zu beſchreiben, dabei mehr
ermuthigt als geſtört durch meine Fragen, die ganz ernſthaft darauf
aus waren, das Verfahren nach Möglichkeit kennen zu lernen.
Die Handgriffe beim Spannen und Ziehen der Netze blieben mir
aber unklar und nur ſo viel ſah ich, daß es die größte Aehnlichkeit
mit einer Treibjagd und zwar mit einem Keſſeltreiben haben müſſe.
Die Fiſcher, wohl vertraut mit dem See, fegen mittelſt weit-
geſpannter Netze den Zander in ihnen bekannte Keſſelvertiefungen
hinein, umſtellen ihn hier und ſchöpfen ihn dann, wie man Gold-
fiſchchen aus einem Baſſin ſchöpft, aus der fiſchgefüllten Tiefe
heraus.
Inzwiſchen erfuhr ich, daß das Boot bereit läge, das mich
laut Verabredung auf den See fahren ſollte. Gleich vom gold-
nen Stern aus, läuft ein ſchmaler Gang auf die Anlegeſtelle zu.
Rechts und links ſtanden Hof- und Gartenzäune, ſämmtlich in
jenen ſeltſamen Biegungen und Wellenlinien, die bemooſtes Zaun-
werk im Lauf der Jahre zu zeigen pflegt. Ueber die Zäune
hinweg wuchſen die Kronen der Bäume von hüben und drüben
zuſammen, was ſich namentlich in Nähe des Waſſers überaus
maleriſch ausnahm, wo zugleich der See bis zwiſchen das Planken-
werk vordrang und mal höher mal tiefer mit ſeinem gelblichen
Schaum eine Grenzmarke zog.
An dieſer Stelle lag auch das Boot. Ein Fiſchermädchen
vom andern Ufer ſtand in der Mitte deſſelben und während ihr
weißes Kopftuch im Winde flatterte, ſtießen wir ab.
Der Teupitz-See iſt faſt eine Meile lang und eine Viertel-
meile breit, an einigen Stellen, wo er ſich buchtet, auch breiter.
Sein Waſſer iſt hellgrün, friſch und leichtflüſſig; Hügel mit Fel-
dern und Hecken faſſen ihn ein, und außer der ſchmalen Halb-
inſel, die das „Schloß“ trägt und ſich bis tief in den See hinein
erſtreckt, ſchwimmen große und kleine Inſeln auf der ſchönen
Waſſerfläche umher. Die kleinen Inſeln ſind mit Rohr beſtanden,
die größeren aber, auch Werder geheißen, ſind bebaut und tragen
die Namen der beiden Seedörfer, Egsdorf und Schwerin, denen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/281>, abgerufen am 25.11.2024.
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