theilte der früh alternde König, wenn Gicht und Podagra das Jagen verboten, seine Zeit zwischen Thonpfeife und Palette, zwischen Rauchen und Malen.
Der andere Morgen war Pfingstsonntag. Ich brach früh auf, um das "verzauberte Schloß", das damals (1862) noch keine Restaurirung erfahren hatte, bei hellem Tageslichte zu sehn. Ich fragte nach dem Kastellan, -- todt; nach der Kastellanin -- auch todt; endlich erschien ein Mann mit einem großen alten Schlüssel, der mir als der Herr "Exekutor" vorgestellt wurde. Dies ängstigte mich ein wenig. Es war ein ziemlich mürrischer Alter, der von nichts wußte, vielleicht auch nichts wissen wollte.
Wir traten durch eine Seitenthür auf den Schloßhof. Es war schon heiß, trotz der frühen Stunde; die Sonne schien blendend hell und die Bosquets sammt der weißen Pumpe waren nicht ganz mehr, was sie den Abend vorher gewesen waren.
Wir umschritten zunächst das Schloß, dann nahm ich einen guten Stand, um mir die Architectur desselben einzuprägen. Es ist gewiß ein ziemlich häßliches Gebäude, aber doch noch mehr originell als häßlich, und in seiner Apartheit nicht ohne Interesse. Der ganze Bau, bis zu beträchtlicher Höhe, ist aus Feldstein aufgeführt, woraus ich den Schluß ziehe, daß der König die dem 14. oder 15. Jahrhundert angehörige Grundform des Schlosses: ein Viereck mit vorspringendem Rundthurm, einfach bei- behielt und nur die Gliederung und Einrichtung völlig veränderte. Der Rundthurm wurde Treppenthurm. Von diesem aus zog er eine Mauerlinie mitten durch das Feldstein-Viereck hindurch und theilte dadurch den Bau in zwei gleiche Hälften. Jede Hälfte er- hielt ein Giebeldach, so daß wer sich dem Schlosse jetzt nähert, zwei Häuser zu sehen glaubt, die mit ihren Giebeln auf die Straße blicken. In Front beider Giebel und an beide sich lehnend, steht der Thurm.
Dieser Thurm ist sehr alt; König Friedrich Wilhelm I. aber hat ihm einen modernen Eingang gegeben, ein Portal in Manns- höhe, dessen Giebelfeld etwa ein Dutzend in Holz geschnittene Amoretten zeigt. Einige sind wurmstichig geworden, andere haben sonstigen Schaden genommen.
Beim Eintreten erblickt man zuerst ein paar verließartige Keller-
Fontane, Wanderungen. IV. 17
theilte der früh alternde König, wenn Gicht und Podagra das Jagen verboten, ſeine Zeit zwiſchen Thonpfeife und Palette, zwiſchen Rauchen und Malen.
Der andere Morgen war Pfingſtſonntag. Ich brach früh auf, um das „verzauberte Schloß“, das damals (1862) noch keine Reſtaurirung erfahren hatte, bei hellem Tageslichte zu ſehn. Ich fragte nach dem Kaſtellan, — todt; nach der Kaſtellanin — auch todt; endlich erſchien ein Mann mit einem großen alten Schlüſſel, der mir als der Herr „Exekutor“ vorgeſtellt wurde. Dies ängſtigte mich ein wenig. Es war ein ziemlich mürriſcher Alter, der von nichts wußte, vielleicht auch nichts wiſſen wollte.
Wir traten durch eine Seitenthür auf den Schloßhof. Es war ſchon heiß, trotz der frühen Stunde; die Sonne ſchien blendend hell und die Bosquets ſammt der weißen Pumpe waren nicht ganz mehr, was ſie den Abend vorher geweſen waren.
Wir umſchritten zunächſt das Schloß, dann nahm ich einen guten Stand, um mir die Architectur deſſelben einzuprägen. Es iſt gewiß ein ziemlich häßliches Gebäude, aber doch noch mehr originell als häßlich, und in ſeiner Apartheit nicht ohne Intereſſe. Der ganze Bau, bis zu beträchtlicher Höhe, iſt aus Feldſtein aufgeführt, woraus ich den Schluß ziehe, daß der König die dem 14. oder 15. Jahrhundert angehörige Grundform des Schloſſes: ein Viereck mit vorſpringendem Rundthurm, einfach bei- behielt und nur die Gliederung und Einrichtung völlig veränderte. Der Rundthurm wurde Treppenthurm. Von dieſem aus zog er eine Mauerlinie mitten durch das Feldſtein-Viereck hindurch und theilte dadurch den Bau in zwei gleiche Hälften. Jede Hälfte er- hielt ein Giebeldach, ſo daß wer ſich dem Schloſſe jetzt nähert, zwei Häuſer zu ſehen glaubt, die mit ihren Giebeln auf die Straße blicken. In Front beider Giebel und an beide ſich lehnend, ſteht der Thurm.
Dieſer Thurm iſt ſehr alt; König Friedrich Wilhelm I. aber hat ihm einen modernen Eingang gegeben, ein Portal in Manns- höhe, deſſen Giebelfeld etwa ein Dutzend in Holz geſchnittene Amoretten zeigt. Einige ſind wurmſtichig geworden, andere haben ſonſtigen Schaden genommen.
Beim Eintreten erblickt man zuerſt ein paar verließartige Keller-
Fontane, Wanderungen. IV. 17
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theilte der früh alternde König, wenn Gicht und Podagra das
Jagen verboten, ſeine Zeit zwiſchen Thonpfeife und Palette,
zwiſchen Rauchen und Malen.
Der andere Morgen war Pfingſtſonntag. Ich brach früh
auf, um das „verzauberte Schloß“, das damals (1862) noch keine
Reſtaurirung erfahren hatte, bei hellem Tageslichte zu ſehn. Ich
fragte nach dem Kaſtellan, — todt; nach der Kaſtellanin — auch
todt; endlich erſchien ein Mann mit einem großen alten Schlüſſel,
der mir als der Herr „Exekutor“ vorgeſtellt wurde. Dies ängſtigte
mich ein wenig. Es war ein ziemlich mürriſcher Alter, der von
nichts wußte, vielleicht auch nichts wiſſen wollte.
Wir traten durch eine Seitenthür auf den Schloßhof. Es
war ſchon heiß, trotz der frühen Stunde; die Sonne ſchien blendend
hell und die Bosquets ſammt der weißen Pumpe waren nicht
ganz mehr, was ſie den Abend vorher geweſen waren.
Wir umſchritten zunächſt das Schloß, dann nahm ich einen
guten Stand, um mir die Architectur deſſelben einzuprägen. Es
iſt gewiß ein ziemlich häßliches Gebäude, aber doch noch
mehr originell als häßlich, und in ſeiner Apartheit nicht ohne
Intereſſe. Der ganze Bau, bis zu beträchtlicher Höhe, iſt aus
Feldſtein aufgeführt, woraus ich den Schluß ziehe, daß der König
die dem 14. oder 15. Jahrhundert angehörige Grundform des
Schloſſes: ein Viereck mit vorſpringendem Rundthurm, einfach bei-
behielt und nur die Gliederung und Einrichtung völlig veränderte.
Der Rundthurm wurde Treppenthurm. Von dieſem aus zog er
eine Mauerlinie mitten durch das Feldſtein-Viereck hindurch und
theilte dadurch den Bau in zwei gleiche Hälften. Jede Hälfte er-
hielt ein Giebeldach, ſo daß wer ſich dem Schloſſe jetzt nähert, zwei
Häuſer zu ſehen glaubt, die mit ihren Giebeln auf die Straße blicken.
In Front beider Giebel und an beide ſich lehnend, ſteht der Thurm.
Dieſer Thurm iſt ſehr alt; König Friedrich Wilhelm I. aber
hat ihm einen modernen Eingang gegeben, ein Portal in Manns-
höhe, deſſen Giebelfeld etwa ein Dutzend in Holz geſchnittene
Amoretten zeigt. Einige ſind wurmſtichig geworden, andere haben
ſonſtigen Schaden genommen.
Beim Eintreten erblickt man zuerſt ein paar verließartige Keller-
Fontane, Wanderungen. IV. 17
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/273>, abgerufen am 22.11.2024.
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