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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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als einer Stunde nach der "Eiche", einem mitten im Spreewald
gelegenen und von der Frau Schenker in gutem Ansehen erhaltenen
Wirthshause führt. Dasselbe zeigt den echten Spreewaldsstil und
unterscheidet sich in nichts von den wendischen Blockhäusern des
Dorfes Lehde. Nichtsdestoweniger scheinen statt Sorben oder
Wenden eingewanderte Sachsen von Anfang an an dieser Stelle
heimisch gewesen zu sein, denn nicht nur daß die fast allzu ger-
manisch klingenden "Schenkers" in dritter Generation schon in
diesem Hause haushalten, auch ein alter, mühsam zu entziffernder
Spruch über dem Eingange läßt über den deutschen Ursprung
der ganzen Anlage keine Zweifel aufkommen. Der Spruch aber
lautet:

Wir bauen oftmals feste
Und sind nur fremde Gäste;
Wo wir sollten ewig sein
Da bauen wir ja wenig ein.

Frau Schenker ist eine freundliche Wirthin und eine stattliche
Großmutter; ob deutsch oder wendisch, sie hängt am Spreewald
und schreibt der Spree, neben allem sonstigen Guten, auch wirkliche
Heil- und Wunderkräfte zu, worüber wir uns in einen scherzhaften
Streit mit ihr verwickeln. Inzwischen ist die Tafel gedeckt worden,
und wir blicken auf eine reizende Scenerie. Der Tisch mit dem
weißen Linnen steht unter einer mächtigen und prächtigen Linde,
zwischen uns und dem Fluß aber wölbt sich eine hohe Laube von
Pfeifenkraut, vor derem Eingange -- wie Puck auf seinem Pilz --
Frau Schenker's jüngste Enkelin auf einem Baumstumpf sitzt und
das lachende Gesicht unter dem rothen Kopftuch halb verborgen in
Neugier auf die fremden Gäste herüberblickt.

Und nun das Mahl selber! Das wäre kein ächtes Spree-
walds-Mahl, wenn nicht ein Hecht auf dem Tische stünde.

Die Leber ist von einem Hecht und nicht von einem Schleie,
Der Fisch will trinken, gebt ihm 'was, daß er vor Durst nicht schreie.

Und mit diesem zeitgemäßen Leberreime ging es an die Ent-
puppung des Korbes, der bereits während der Fahrt mehr als
einen interessirten Blick auf sich gezogen hatte. Das erste Glas
galt wie billig der Wirthin, andere folgten, bis zuletzt die Mahl-

als einer Stunde nach der „Eiche“, einem mitten im Spreewald
gelegenen und von der Frau Schenker in gutem Anſehen erhaltenen
Wirthshauſe führt. Daſſelbe zeigt den echten Spreewaldsſtil und
unterſcheidet ſich in nichts von den wendiſchen Blockhäuſern des
Dorfes Lehde. Nichtsdeſtoweniger ſcheinen ſtatt Sorben oder
Wenden eingewanderte Sachſen von Anfang an an dieſer Stelle
heimiſch geweſen zu ſein, denn nicht nur daß die faſt allzu ger-
maniſch klingenden „Schenkers“ in dritter Generation ſchon in
dieſem Hauſe haushalten, auch ein alter, mühſam zu entziffernder
Spruch über dem Eingange läßt über den deutſchen Urſprung
der ganzen Anlage keine Zweifel aufkommen. Der Spruch aber
lautet:

Wir bauen oftmals feſte
Und ſind nur fremde Gäſte;
Wo wir ſollten ewig ſein
Da bauen wir ja wenig ein.

Frau Schenker iſt eine freundliche Wirthin und eine ſtattliche
Großmutter; ob deutſch oder wendiſch, ſie hängt am Spreewald
und ſchreibt der Spree, neben allem ſonſtigen Guten, auch wirkliche
Heil- und Wunderkräfte zu, worüber wir uns in einen ſcherzhaften
Streit mit ihr verwickeln. Inzwiſchen iſt die Tafel gedeckt worden,
und wir blicken auf eine reizende Scenerie. Der Tiſch mit dem
weißen Linnen ſteht unter einer mächtigen und prächtigen Linde,
zwiſchen uns und dem Fluß aber wölbt ſich eine hohe Laube von
Pfeifenkraut, vor derem Eingange — wie Puck auf ſeinem Pilz —
Frau Schenker’s jüngſte Enkelin auf einem Baumſtumpf ſitzt und
das lachende Geſicht unter dem rothen Kopftuch halb verborgen in
Neugier auf die fremden Gäſte herüberblickt.

Und nun das Mahl ſelber! Das wäre kein ächtes Spree-
walds-Mahl, wenn nicht ein Hecht auf dem Tiſche ſtünde.

Die Leber iſt von einem Hecht und nicht von einem Schleie,
Der Fiſch will trinken, gebt ihm ’was, daß er vor Durſt nicht ſchreie.

Und mit dieſem zeitgemäßen Leberreime ging es an die Ent-
puppung des Korbes, der bereits während der Fahrt mehr als
einen intereſſirten Blick auf ſich gezogen hatte. Das erſte Glas
galt wie billig der Wirthin, andere folgten, bis zuletzt die Mahl-

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[10/0026] als einer Stunde nach der „Eiche“, einem mitten im Spreewald gelegenen und von der Frau Schenker in gutem Anſehen erhaltenen Wirthshauſe führt. Daſſelbe zeigt den echten Spreewaldsſtil und unterſcheidet ſich in nichts von den wendiſchen Blockhäuſern des Dorfes Lehde. Nichtsdeſtoweniger ſcheinen ſtatt Sorben oder Wenden eingewanderte Sachſen von Anfang an an dieſer Stelle heimiſch geweſen zu ſein, denn nicht nur daß die faſt allzu ger- maniſch klingenden „Schenkers“ in dritter Generation ſchon in dieſem Hauſe haushalten, auch ein alter, mühſam zu entziffernder Spruch über dem Eingange läßt über den deutſchen Urſprung der ganzen Anlage keine Zweifel aufkommen. Der Spruch aber lautet: Wir bauen oftmals feſte Und ſind nur fremde Gäſte; Wo wir ſollten ewig ſein Da bauen wir ja wenig ein. Frau Schenker iſt eine freundliche Wirthin und eine ſtattliche Großmutter; ob deutſch oder wendiſch, ſie hängt am Spreewald und ſchreibt der Spree, neben allem ſonſtigen Guten, auch wirkliche Heil- und Wunderkräfte zu, worüber wir uns in einen ſcherzhaften Streit mit ihr verwickeln. Inzwiſchen iſt die Tafel gedeckt worden, und wir blicken auf eine reizende Scenerie. Der Tiſch mit dem weißen Linnen ſteht unter einer mächtigen und prächtigen Linde, zwiſchen uns und dem Fluß aber wölbt ſich eine hohe Laube von Pfeifenkraut, vor derem Eingange — wie Puck auf ſeinem Pilz — Frau Schenker’s jüngſte Enkelin auf einem Baumſtumpf ſitzt und das lachende Geſicht unter dem rothen Kopftuch halb verborgen in Neugier auf die fremden Gäſte herüberblickt. Und nun das Mahl ſelber! Das wäre kein ächtes Spree- walds-Mahl, wenn nicht ein Hecht auf dem Tiſche ſtünde. Die Leber iſt von einem Hecht und nicht von einem Schleie, Der Fiſch will trinken, gebt ihm ’was, daß er vor Durſt nicht ſchreie. Und mit dieſem zeitgemäßen Leberreime ging es an die Ent- puppung des Korbes, der bereits während der Fahrt mehr als einen intereſſirten Blick auf ſich gezogen hatte. Das erſte Glas galt wie billig der Wirthin, andere folgten, bis zuletzt die Mahl-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/26>, abgerufen am 28.11.2024.