Kenne das Gärtchen vorn mit dem spitzen Stacket, und die Laube Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken Ulme des Nachbars umstreut, den gierig die Hühner sich pickten.
Und weiter dann:
O, wie warst du so schön, wenn die Fliegen der Stub' im September Starben, und roth die Ebreschen am Hause des Jägers sich färbten; Wenn die Reiher zur Flucht, im einsam schwirrenden See-Rohr, Ahnend den Sturm, sich versammelten, -- wenn er am Gitter der Pfarre Heulend die braunen Kastanien aus platzenden Schalen zur Erde Warf und die schüchternen Krammetsvögel vom Felde zu Busch trieb; Froher alsdann als der Sperling im Dach, dem von hinten die Federn Ueber's Köpfchen der Sturmwind blies, unterhielt ich so gerne In dem rothen Kamine die Gluth mit knisternden Spähnen.
Dies genüge. Wer den Sinn für Naturbeschreibung hat wird in diesen wenigen Zeilen Züge von ganz ungewöhnlicher Feinheit finden (z. B. die Schilderung des Sperlings in der zweit- und drittletzten Zeile) und nicht länger Lust haben, den Schmidt von Werneuchen zu den bloßen Reimschmieden zu werfen.
Uebrigens muß er zu seiner Zeit, trotz aller Gegnerschaft, auch zahlreiche Freunde und Verehrer gehabt haben; selbst die Goethe'schen Spottverse, die wohl nicht geschrieben worden wären, wenn nicht der Dichter, gegen den sie sich richteten, einer gewissen Popularität genossen hätte, deuten durch ihr bloßes Vorhandensein darauf hin. Deutlicher spricht dafür die äußere Ausstattung, in der seine Gedichte damals vor das Publicum traten: beneidenswerth schöner Druck und die beiden ersten Sammlungen von der Hand Chodowiecki's und seiner besten Schüler illustrirt. Solche kostspie- lige Ausstattung wagten die Verleger wohl nur, wo das Ansehen des Poeten, oder wenigstens seine locale Popularität, einen sichern Absatz in Aussicht stellte.
Diese locale Popularität hatte er zweifellos, und wer das Wesen der Märker, insonderheit auch der Berliner, näher kennt, wird sich darüber nicht wundern. Die Märker lieben es, hinter ironischen Neckereien ihre Liebe zu verstecken, und während sie nicht müde werden über die eigene Heimath, über die "Streusand- büchse" und die kahlen Plateau's die "nichts als Gegend" sind die spöttischsten und übertriebensten Bemerkungen zu machen, horchen
Kenne das Gärtchen vorn mit dem ſpitzen Stacket, und die Laube Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken Ulme des Nachbars umſtreut, den gierig die Hühner ſich pickten.
Und weiter dann:
O, wie warſt du ſo ſchön, wenn die Fliegen der Stub’ im September Starben, und roth die Ebreſchen am Hauſe des Jägers ſich färbten; Wenn die Reiher zur Flucht, im einſam ſchwirrenden See-Rohr, Ahnend den Sturm, ſich verſammelten, — wenn er am Gitter der Pfarre Heulend die braunen Kaſtanien aus platzenden Schalen zur Erde Warf und die ſchüchternen Krammetsvögel vom Felde zu Buſch trieb; Froher alsdann als der Sperling im Dach, dem von hinten die Federn Ueber’s Köpfchen der Sturmwind blies, unterhielt ich ſo gerne In dem rothen Kamine die Gluth mit kniſternden Spähnen.
Dies genüge. Wer den Sinn für Naturbeſchreibung hat wird in dieſen wenigen Zeilen Züge von ganz ungewöhnlicher Feinheit finden (z. B. die Schilderung des Sperlings in der zweit- und drittletzten Zeile) und nicht länger Luſt haben, den Schmidt von Werneuchen zu den bloßen Reimſchmieden zu werfen.
Uebrigens muß er zu ſeiner Zeit, trotz aller Gegnerſchaft, auch zahlreiche Freunde und Verehrer gehabt haben; ſelbſt die Goethe’ſchen Spottverſe, die wohl nicht geſchrieben worden wären, wenn nicht der Dichter, gegen den ſie ſich richteten, einer gewiſſen Popularität genoſſen hätte, deuten durch ihr bloßes Vorhandenſein darauf hin. Deutlicher ſpricht dafür die äußere Ausſtattung, in der ſeine Gedichte damals vor das Publicum traten: beneidenswerth ſchöner Druck und die beiden erſten Sammlungen von der Hand Chodowiecki’s und ſeiner beſten Schüler illuſtrirt. Solche koſtſpie- lige Ausſtattung wagten die Verleger wohl nur, wo das Anſehen des Poeten, oder wenigſtens ſeine locale Popularität, einen ſichern Abſatz in Ausſicht ſtellte.
Dieſe locale Popularität hatte er zweifellos, und wer das Weſen der Märker, inſonderheit auch der Berliner, näher kennt, wird ſich darüber nicht wundern. Die Märker lieben es, hinter ironiſchen Neckereien ihre Liebe zu verſtecken, und während ſie nicht müde werden über die eigene Heimath, über die „Streuſand- büchſe“ und die kahlen Plateau’s die „nichts als Gegend“ ſind die ſpöttiſchſten und übertriebenſten Bemerkungen zu machen, horchen
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Kenne das Gärtchen vorn mit dem ſpitzen Stacket, und die Laube
Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken
Ulme des Nachbars umſtreut, den gierig die Hühner ſich pickten.
Und weiter dann:
O, wie warſt du ſo ſchön, wenn die Fliegen der Stub’ im September
Starben, und roth die Ebreſchen am Hauſe des Jägers ſich färbten;
Wenn die Reiher zur Flucht, im einſam ſchwirrenden See-Rohr,
Ahnend den Sturm, ſich verſammelten, — wenn er am Gitter der Pfarre
Heulend die braunen Kaſtanien aus platzenden Schalen zur Erde
Warf und die ſchüchternen Krammetsvögel vom Felde zu Buſch trieb;
Froher alsdann als der Sperling im Dach, dem von hinten die Federn
Ueber’s Köpfchen der Sturmwind blies, unterhielt ich ſo gerne
In dem rothen Kamine die Gluth mit kniſternden Spähnen.
Dies genüge. Wer den Sinn für Naturbeſchreibung hat
wird in dieſen wenigen Zeilen Züge von ganz ungewöhnlicher
Feinheit finden (z. B. die Schilderung des Sperlings in der zweit-
und drittletzten Zeile) und nicht länger Luſt haben, den Schmidt
von Werneuchen zu den bloßen Reimſchmieden zu werfen.
Uebrigens muß er zu ſeiner Zeit, trotz aller Gegnerſchaft,
auch zahlreiche Freunde und Verehrer gehabt haben; ſelbſt die
Goethe’ſchen Spottverſe, die wohl nicht geſchrieben worden wären,
wenn nicht der Dichter, gegen den ſie ſich richteten, einer gewiſſen
Popularität genoſſen hätte, deuten durch ihr bloßes Vorhandenſein
darauf hin. Deutlicher ſpricht dafür die äußere Ausſtattung, in
der ſeine Gedichte damals vor das Publicum traten: beneidenswerth
ſchöner Druck und die beiden erſten Sammlungen von der Hand
Chodowiecki’s und ſeiner beſten Schüler illuſtrirt. Solche koſtſpie-
lige Ausſtattung wagten die Verleger wohl nur, wo das Anſehen
des Poeten, oder wenigſtens ſeine locale Popularität, einen ſichern
Abſatz in Ausſicht ſtellte.
Dieſe locale Popularität hatte er zweifellos, und wer das
Weſen der Märker, inſonderheit auch der Berliner, näher kennt,
wird ſich darüber nicht wundern. Die Märker lieben es, hinter
ironiſchen Neckereien ihre Liebe zu verſtecken, und während ſie
nicht müde werden über die eigene Heimath, über die „Streuſand-
büchſe“ und die kahlen Plateau’s die „nichts als Gegend“ ſind die
ſpöttiſchſten und übertriebenſten Bemerkungen zu machen, horchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/245>, abgerufen am 22.07.2024.
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