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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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klingen, eilt der Amts-Actuar von rechts her auf die linke
Seite hinüber, um bei der bevorstehenden Landung seiner Ehe-
hälfte nach Kräften behülflich zu sein. Im Vertrauen auf die
Gutgeartetheit der Pferde wird statt des directen Weges über
das linke Vorderrad der Umweg über den Deichseltritt gewählt;
wir aber, als wir diese Vorkehrungen glücklich getroffen sehn,
schwingen uns, die linke Hand auf dem Wagenkorbe, mit raschem
Ruck in den Fahrweg hinein und eilen der Actuar-Familie voraus
in die Waldestiefe hinein.

Da haben wir sie. Mitten auf einem Rain, den hochstämmige
Tannen einschließen, scheinen die Elfen an hellem Nachmittag ihre
Spiele zu treiben. Ein Dutzend Kinder, groß und klein, und mit
allerhand Kränzen im Haar tanzen den Ringelreihen, während
inmitten ihres Kreises ein Blondkopf steht und mit seiner
Weidenruthe hierhin und dorthin zeigt, als wär' es ein Zauber-
stab. Abwärts davon, in einer Vertiefung unter den Bäumen,
qualmt und knistert ein Feuer, an dessen Rande, neben anderem
Topfwerk, eine jener weitbauchigen braunen Kannen steht, die
den Namen ihrer schlesischen Vaterstadt ruhmreich über die Welt
getragen haben; dahinter aber, auf einer natürlichen Bank, sitzt
pastor loci, kenntlich durch Haltung und Sammetkäpsel, und
reicht seiner neben ihm stehenden jungen Frau die Hand. "Es
ist gut so," scheint seine freundliche Miene zu sagen, und die
Glückliche, glücklich in seinem Besitze, neigt sich und küßt
ihm die Stirn, auf einen kurzen Augenblick unbekümmert um
Kannen und Kinder und um das brodelnde Wasser, das eben
zischend in die Flamme fährt. Wir stehen noch im Bann dieser
reizenden Scene, da knickt es dicht neben uns im Unterholz,
und das rasche, laut-ängstliche Athmen einer Asthmatischen läßt
keinen Zweifel darüber, wer im Anzuge sei. Wirklich, ihre Zwillinge
vorauf, den Ehgemahl mit der Janitschar unmittelbar hinter
sich, ist die Frau Amtsactuar auf die Waldwiese getreten. Und
vor ihrer Erscheinung ist der Zauber entflohen. Der Ringel-
reihen schweigt, die Werneuchner Dorfjugend hat ihr Elfenthum
abgestreift und das gesammte junge Volk stürzt mit Jubelgeschrei
den Ankommenden entgegen.

klingen, eilt der Amts-Actuar von rechts her auf die linke
Seite hinüber, um bei der bevorſtehenden Landung ſeiner Ehe-
hälfte nach Kräften behülflich zu ſein. Im Vertrauen auf die
Gutgeartetheit der Pferde wird ſtatt des directen Weges über
das linke Vorderrad der Umweg über den Deichſeltritt gewählt;
wir aber, als wir dieſe Vorkehrungen glücklich getroffen ſehn,
ſchwingen uns, die linke Hand auf dem Wagenkorbe, mit raſchem
Ruck in den Fahrweg hinein und eilen der Actuar-Familie voraus
in die Waldestiefe hinein.

Da haben wir ſie. Mitten auf einem Rain, den hochſtämmige
Tannen einſchließen, ſcheinen die Elfen an hellem Nachmittag ihre
Spiele zu treiben. Ein Dutzend Kinder, groß und klein, und mit
allerhand Kränzen im Haar tanzen den Ringelreihen, während
inmitten ihres Kreiſes ein Blondkopf ſteht und mit ſeiner
Weidenruthe hierhin und dorthin zeigt, als wär’ es ein Zauber-
ſtab. Abwärts davon, in einer Vertiefung unter den Bäumen,
qualmt und kniſtert ein Feuer, an deſſen Rande, neben anderem
Topfwerk, eine jener weitbauchigen braunen Kannen ſteht, die
den Namen ihrer ſchleſiſchen Vaterſtadt ruhmreich über die Welt
getragen haben; dahinter aber, auf einer natürlichen Bank, ſitzt
pastor loci, kenntlich durch Haltung und Sammetkäpſel, und
reicht ſeiner neben ihm ſtehenden jungen Frau die Hand. „Es
iſt gut ſo,“ ſcheint ſeine freundliche Miene zu ſagen, und die
Glückliche, glücklich in ſeinem Beſitze, neigt ſich und küßt
ihm die Stirn, auf einen kurzen Augenblick unbekümmert um
Kannen und Kinder und um das brodelnde Waſſer, das eben
ziſchend in die Flamme fährt. Wir ſtehen noch im Bann dieſer
reizenden Scene, da knickt es dicht neben uns im Unterholz,
und das raſche, laut-ängſtliche Athmen einer Aſthmatiſchen läßt
keinen Zweifel darüber, wer im Anzuge ſei. Wirklich, ihre Zwillinge
vorauf, den Ehgemahl mit der Janitſchar unmittelbar hinter
ſich, iſt die Frau Amtsactuar auf die Waldwieſe getreten. Und
vor ihrer Erſcheinung iſt der Zauber entflohen. Der Ringel-
reihen ſchweigt, die Werneuchner Dorfjugend hat ihr Elfenthum
abgeſtreift und das geſammte junge Volk ſtürzt mit Jubelgeſchrei
den Ankommenden entgegen.

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[217/0233] klingen, eilt der Amts-Actuar von rechts her auf die linke Seite hinüber, um bei der bevorſtehenden Landung ſeiner Ehe- hälfte nach Kräften behülflich zu ſein. Im Vertrauen auf die Gutgeartetheit der Pferde wird ſtatt des directen Weges über das linke Vorderrad der Umweg über den Deichſeltritt gewählt; wir aber, als wir dieſe Vorkehrungen glücklich getroffen ſehn, ſchwingen uns, die linke Hand auf dem Wagenkorbe, mit raſchem Ruck in den Fahrweg hinein und eilen der Actuar-Familie voraus in die Waldestiefe hinein. Da haben wir ſie. Mitten auf einem Rain, den hochſtämmige Tannen einſchließen, ſcheinen die Elfen an hellem Nachmittag ihre Spiele zu treiben. Ein Dutzend Kinder, groß und klein, und mit allerhand Kränzen im Haar tanzen den Ringelreihen, während inmitten ihres Kreiſes ein Blondkopf ſteht und mit ſeiner Weidenruthe hierhin und dorthin zeigt, als wär’ es ein Zauber- ſtab. Abwärts davon, in einer Vertiefung unter den Bäumen, qualmt und kniſtert ein Feuer, an deſſen Rande, neben anderem Topfwerk, eine jener weitbauchigen braunen Kannen ſteht, die den Namen ihrer ſchleſiſchen Vaterſtadt ruhmreich über die Welt getragen haben; dahinter aber, auf einer natürlichen Bank, ſitzt pastor loci, kenntlich durch Haltung und Sammetkäpſel, und reicht ſeiner neben ihm ſtehenden jungen Frau die Hand. „Es iſt gut ſo,“ ſcheint ſeine freundliche Miene zu ſagen, und die Glückliche, glücklich in ſeinem Beſitze, neigt ſich und küßt ihm die Stirn, auf einen kurzen Augenblick unbekümmert um Kannen und Kinder und um das brodelnde Waſſer, das eben ziſchend in die Flamme fährt. Wir ſtehen noch im Bann dieſer reizenden Scene, da knickt es dicht neben uns im Unterholz, und das raſche, laut-ängſtliche Athmen einer Aſthmatiſchen läßt keinen Zweifel darüber, wer im Anzuge ſei. Wirklich, ihre Zwillinge vorauf, den Ehgemahl mit der Janitſchar unmittelbar hinter ſich, iſt die Frau Amtsactuar auf die Waldwieſe getreten. Und vor ihrer Erſcheinung iſt der Zauber entflohen. Der Ringel- reihen ſchweigt, die Werneuchner Dorfjugend hat ihr Elfenthum abgeſtreift und das geſammte junge Volk ſtürzt mit Jubelgeſchrei den Ankommenden entgegen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/233>, abgerufen am 27.11.2024.