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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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noch die vier Feldsteine und seine "Wröh". Wir kommen aber nicht in
heißer Junischwüle von Berlin, um einer Sitzung des letzten Aus-
läufers der Vehme voll Schweigen und Ehrerbietung beizuwohnen,
-- wir haben ein andres Ziel vor Augen: einen Besuch in der
Pfarre.


Dorf Blumberg liegt längst hinter uns und nun auch Seefeld
und Löhme, zwei Zwillingsdörfer, die von hüben und drüben ihre
völlig gleichen Kirchthurmspitzen im Wasser des Lohme-See's spiegeln.
Aber der Werneuchner Kirchthurm neckt uns noch immer und ermüdet
vom langen Marsche halten wir inne, stützen uns nach hinten
übergebogen auf unseren Stock und lüften mit der Linken den
Hut, um uns die Stirne vom Winde kühlen zu lassen. Da plötz-
lich ist es, als hörten wir etwas wie Peitschenknall und Pferde-
schnaufen, und zurückblickend bemerken wir einen offenen Wagen,
der den Sand des Weges aufwirbelnd, in raschem Trab uns
folgt. Und im nächsten Augenblicke schon ist er so nahe, daß
wir seine Insassen bequemlichst zählen können. Es sind ihrer fünf.
Vorne der Kutscher mit zwei blondköpfigen Jungen und dahinter
auf dem eigentlichen Sitze des Wagens -- der in vier Lederriemen
hängt und bei jeder Bewegung hin- und herschaukelt -- ein wohl-
genährtes Ehepaar, allem Anscheine nach zwischen dreißig und
vierzig. Die Frau hält einen aufgespannten Regenschirm, den sie
mit vielem Geschick a deux mains zu gebrauchen weiß, indem sie
das rothe Dach als Schutz gegen die Sonne, den Griff aber als
Krückstock benutzt, um die beiden Jungen in Ordnung zu halteu,
die des engzugemessenen Raumes halber in beständiger Fehde sind
und aller Controle zum Trotz ihren still erbitterten Kampf mit
den Ellenbogen fortsetzen. Zwischen der Sitzbank und dem
schrägen Hintertheile des Wagenkorbs ist noch ein leerer Raum
und unsere Kenntniß ähnlicher Fuhrwerke läßt uns errathen,
daß hier ein Häcksel- oder Futtersack verborgen sein müsse, der
schließlich nichts dagegen haben würde, wenn wir uns entschlössen,
die letzte Viertelmeile des Wegs auf seinem Polster zurückzu-
legen. Und wirklich wir schwingen uns hinein, und unsere Tarn-
kappe hervorziehend, unser selbstverständliches und aller wichtigstes
Reise-Necessaire, sitzen wir jetzt unbemerkt auf dem Häckselsack

noch die vier Feldſteine und ſeine „Wröh“. Wir kommen aber nicht in
heißer Juniſchwüle von Berlin, um einer Sitzung des letzten Aus-
läufers der Vehme voll Schweigen und Ehrerbietung beizuwohnen,
— wir haben ein andres Ziel vor Augen: einen Beſuch in der
Pfarre.


Dorf Blumberg liegt längſt hinter uns und nun auch Seefeld
und Löhme, zwei Zwillingsdörfer, die von hüben und drüben ihre
völlig gleichen Kirchthurmſpitzen im Waſſer des Lohme-See’s ſpiegeln.
Aber der Werneuchner Kirchthurm neckt uns noch immer und ermüdet
vom langen Marſche halten wir inne, ſtützen uns nach hinten
übergebogen auf unſeren Stock und lüften mit der Linken den
Hut, um uns die Stirne vom Winde kühlen zu laſſen. Da plötz-
lich iſt es, als hörten wir etwas wie Peitſchenknall und Pferde-
ſchnaufen, und zurückblickend bemerken wir einen offenen Wagen,
der den Sand des Weges aufwirbelnd, in raſchem Trab uns
folgt. Und im nächſten Augenblicke ſchon iſt er ſo nahe, daß
wir ſeine Inſaſſen bequemlichſt zählen können. Es ſind ihrer fünf.
Vorne der Kutſcher mit zwei blondköpfigen Jungen und dahinter
auf dem eigentlichen Sitze des Wagens — der in vier Lederriemen
hängt und bei jeder Bewegung hin- und herſchaukelt — ein wohl-
genährtes Ehepaar, allem Anſcheine nach zwiſchen dreißig und
vierzig. Die Frau hält einen aufgeſpannten Regenſchirm, den ſie
mit vielem Geſchick à deux mains zu gebrauchen weiß, indem ſie
das rothe Dach als Schutz gegen die Sonne, den Griff aber als
Krückſtock benutzt, um die beiden Jungen in Ordnung zu halteu,
die des engzugemeſſenen Raumes halber in beſtändiger Fehde ſind
und aller Controle zum Trotz ihren ſtill erbitterten Kampf mit
den Ellenbogen fortſetzen. Zwiſchen der Sitzbank und dem
ſchrägen Hintertheile des Wagenkorbs iſt noch ein leerer Raum
und unſere Kenntniß ähnlicher Fuhrwerke läßt uns errathen,
daß hier ein Häckſel- oder Futterſack verborgen ſein müſſe, der
ſchließlich nichts dagegen haben würde, wenn wir uns entſchlöſſen,
die letzte Viertelmeile des Wegs auf ſeinem Polſter zurückzu-
legen. Und wirklich wir ſchwingen uns hinein, und unſere Tarn-
kappe hervorziehend, unſer ſelbſtverſtändliches und aller wichtigſtes
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[214/0230] noch die vier Feldſteine und ſeine „Wröh“. Wir kommen aber nicht in heißer Juniſchwüle von Berlin, um einer Sitzung des letzten Aus- läufers der Vehme voll Schweigen und Ehrerbietung beizuwohnen, — wir haben ein andres Ziel vor Augen: einen Beſuch in der Pfarre. Dorf Blumberg liegt längſt hinter uns und nun auch Seefeld und Löhme, zwei Zwillingsdörfer, die von hüben und drüben ihre völlig gleichen Kirchthurmſpitzen im Waſſer des Lohme-See’s ſpiegeln. Aber der Werneuchner Kirchthurm neckt uns noch immer und ermüdet vom langen Marſche halten wir inne, ſtützen uns nach hinten übergebogen auf unſeren Stock und lüften mit der Linken den Hut, um uns die Stirne vom Winde kühlen zu laſſen. Da plötz- lich iſt es, als hörten wir etwas wie Peitſchenknall und Pferde- ſchnaufen, und zurückblickend bemerken wir einen offenen Wagen, der den Sand des Weges aufwirbelnd, in raſchem Trab uns folgt. Und im nächſten Augenblicke ſchon iſt er ſo nahe, daß wir ſeine Inſaſſen bequemlichſt zählen können. Es ſind ihrer fünf. Vorne der Kutſcher mit zwei blondköpfigen Jungen und dahinter auf dem eigentlichen Sitze des Wagens — der in vier Lederriemen hängt und bei jeder Bewegung hin- und herſchaukelt — ein wohl- genährtes Ehepaar, allem Anſcheine nach zwiſchen dreißig und vierzig. Die Frau hält einen aufgeſpannten Regenſchirm, den ſie mit vielem Geſchick à deux mains zu gebrauchen weiß, indem ſie das rothe Dach als Schutz gegen die Sonne, den Griff aber als Krückſtock benutzt, um die beiden Jungen in Ordnung zu halteu, die des engzugemeſſenen Raumes halber in beſtändiger Fehde ſind und aller Controle zum Trotz ihren ſtill erbitterten Kampf mit den Ellenbogen fortſetzen. Zwiſchen der Sitzbank und dem ſchrägen Hintertheile des Wagenkorbs iſt noch ein leerer Raum und unſere Kenntniß ähnlicher Fuhrwerke läßt uns errathen, daß hier ein Häckſel- oder Futterſack verborgen ſein müſſe, der ſchließlich nichts dagegen haben würde, wenn wir uns entſchlöſſen, die letzte Viertelmeile des Wegs auf ſeinem Polſter zurückzu- legen. Und wirklich wir ſchwingen uns hinein, und unſere Tarn- kappe hervorziehend, unſer ſelbſtverſtändliches und aller wichtigſtes Reiſe-Neceſſaire, ſitzen wir jetzt unbemerkt auf dem Häckſelſack

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/230>, abgerufen am 27.11.2024.