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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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mals ungleich mehr noch als jetzt, alles an dem Erkennen und
der richtigen Benutzung von Persönlichkeiten gelegen war. "Er
war gesprächig, höflich, frei von Eigensinn und Wider-
spruchsgeist
, für Jedermann gefällig und aufmerksam, Fähig-
keiten und Neigungen leicht durchschauend, jedem Gegenstande wie
jedem Verhältnisse sich leicht bequemend -- ein vollkommener
Mann von Welt
. Seine Rechtschaffenheit, sein Haß gegen
Lüge und Zweideutigkeit unterstützten ihn eher, als daß sie sein
Auftreten gehemmt, seine Erfolge behindert hätten. Bei großer
Leichtigkeit war er von vorsichtiger Haltung; er wußte Ernst und
Sanftmuth zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen.
Im Friedenstiften, Vermitteln und Versöhnen besaß er ein
einziges Talent
." Die Inschrift unter dem Bildniß der alten
Frau von Burgsdorf hatte also völlig Recht, von ihm als von
dem "klugen Staatsminister von Canitz" zu sprechen; aber er
suchte, wie schon angedeutet, diese Klugheit nicht in jener Kunst
der Täuschung, am wenigsten in jenem Intriguenspiel, das da-
mals an den Höfen blühte. Er kannte dies Spiel und war ihm
gewachsen, aber sein redlicher und reiner Sinn lehnte sich gegen
diese Kampfesweise auf. Deshalb zog es ihn immer wieder in
die Stille und Unabhängigkeit des Landlebens und in einfach
natürliche Verhältnisse zurück. "Der Hof -- so schrieb er bald
nach dem Tode des großen Kurfürsten -- hat wenig Reiz für
mich, und ich betrachte die Würden und Aemter, die Andere so
eifrig suchen, nur als eben so viele Fesseln, die mich am Genusse
meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die über alle Schätze der
Erde geht und deren echten Werth zu würdigen, den gemeinen
Seelen versagt ist." Er kannte diesen "echten Werth der Freiheit"
wohl, aber die Verhältnisse gestatteten ihm nicht, sich dieser Frei-
heit so völlig zu freuen, wie es seinen Wünschen entsprochen hätte.
Es geschah, was so oft geschieht, man suchte die Dienste des-
jenigen, der, im Gefühl seines Werths, diese Dienste anzubieten
verschmähte, und wie oft er auch, um seinen eigenen Ausdruck
zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben mochte, "daß Andere
die goldenen Aepfel auflasen, während er beim heißen
Lauf sich abmühte
," so war doch Gehorsam und Nachgiebigkeit
in allen jenen Fällen geboten, wo Weigerung den Vorwurf des

mals ungleich mehr noch als jetzt, alles an dem Erkennen und
der richtigen Benutzung von Perſönlichkeiten gelegen war. „Er
war geſprächig, höflich, frei von Eigenſinn und Wider-
ſpruchsgeiſt
, für Jedermann gefällig und aufmerkſam, Fähig-
keiten und Neigungen leicht durchſchauend, jedem Gegenſtande wie
jedem Verhältniſſe ſich leicht bequemend — ein vollkommener
Mann von Welt
. Seine Rechtſchaffenheit, ſein Haß gegen
Lüge und Zweideutigkeit unterſtützten ihn eher, als daß ſie ſein
Auftreten gehemmt, ſeine Erfolge behindert hätten. Bei großer
Leichtigkeit war er von vorſichtiger Haltung; er wußte Ernſt und
Sanftmuth zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen.
Im Friedenſtiften, Vermitteln und Verſöhnen beſaß er ein
einziges Talent
.“ Die Inſchrift unter dem Bildniß der alten
Frau von Burgsdorf hatte alſo völlig Recht, von ihm als von
dem „klugen Staatsminiſter von Canitz“ zu ſprechen; aber er
ſuchte, wie ſchon angedeutet, dieſe Klugheit nicht in jener Kunſt
der Täuſchung, am wenigſten in jenem Intriguenſpiel, das da-
mals an den Höfen blühte. Er kannte dies Spiel und war ihm
gewachſen, aber ſein redlicher und reiner Sinn lehnte ſich gegen
dieſe Kampfesweiſe auf. Deshalb zog es ihn immer wieder in
die Stille und Unabhängigkeit des Landlebens und in einfach
natürliche Verhältniſſe zurück. „Der Hof — ſo ſchrieb er bald
nach dem Tode des großen Kurfürſten — hat wenig Reiz für
mich, und ich betrachte die Würden und Aemter, die Andere ſo
eifrig ſuchen, nur als eben ſo viele Feſſeln, die mich am Genuſſe
meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die über alle Schätze der
Erde geht und deren echten Werth zu würdigen, den gemeinen
Seelen verſagt iſt.“ Er kannte dieſen „echten Werth der Freiheit“
wohl, aber die Verhältniſſe geſtatteten ihm nicht, ſich dieſer Frei-
heit ſo völlig zu freuen, wie es ſeinen Wünſchen entſprochen hätte.
Es geſchah, was ſo oft geſchieht, man ſuchte die Dienſte des-
jenigen, der, im Gefühl ſeines Werths, dieſe Dienſte anzubieten
verſchmähte, und wie oft er auch, um ſeinen eigenen Ausdruck
zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben mochte, „daß Andere
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Lauf ſich abmühte
,“ ſo war doch Gehorſam und Nachgiebigkeit
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[205/0221] mals ungleich mehr noch als jetzt, alles an dem Erkennen und der richtigen Benutzung von Perſönlichkeiten gelegen war. „Er war geſprächig, höflich, frei von Eigenſinn und Wider- ſpruchsgeiſt, für Jedermann gefällig und aufmerkſam, Fähig- keiten und Neigungen leicht durchſchauend, jedem Gegenſtande wie jedem Verhältniſſe ſich leicht bequemend — ein vollkommener Mann von Welt. Seine Rechtſchaffenheit, ſein Haß gegen Lüge und Zweideutigkeit unterſtützten ihn eher, als daß ſie ſein Auftreten gehemmt, ſeine Erfolge behindert hätten. Bei großer Leichtigkeit war er von vorſichtiger Haltung; er wußte Ernſt und Sanftmuth zu vereinen, um zu überreden und zu gewinnen. Im Friedenſtiften, Vermitteln und Verſöhnen beſaß er ein einziges Talent.“ Die Inſchrift unter dem Bildniß der alten Frau von Burgsdorf hatte alſo völlig Recht, von ihm als von dem „klugen Staatsminiſter von Canitz“ zu ſprechen; aber er ſuchte, wie ſchon angedeutet, dieſe Klugheit nicht in jener Kunſt der Täuſchung, am wenigſten in jenem Intriguenſpiel, das da- mals an den Höfen blühte. Er kannte dies Spiel und war ihm gewachſen, aber ſein redlicher und reiner Sinn lehnte ſich gegen dieſe Kampfesweiſe auf. Deshalb zog es ihn immer wieder in die Stille und Unabhängigkeit des Landlebens und in einfach natürliche Verhältniſſe zurück. „Der Hof — ſo ſchrieb er bald nach dem Tode des großen Kurfürſten — hat wenig Reiz für mich, und ich betrachte die Würden und Aemter, die Andere ſo eifrig ſuchen, nur als eben ſo viele Feſſeln, die mich am Genuſſe meiner Freiheit hindern, der Freiheit, die über alle Schätze der Erde geht und deren echten Werth zu würdigen, den gemeinen Seelen verſagt iſt.“ Er kannte dieſen „echten Werth der Freiheit“ wohl, aber die Verhältniſſe geſtatteten ihm nicht, ſich dieſer Frei- heit ſo völlig zu freuen, wie es ſeinen Wünſchen entſprochen hätte. Es geſchah, was ſo oft geſchieht, man ſuchte die Dienſte des- jenigen, der, im Gefühl ſeines Werths, dieſe Dienſte anzubieten verſchmähte, und wie oft er auch, um ſeinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, die Erfahrung gemacht haben mochte, „daß Andere die goldenen Aepfel auflaſen, während er beim heißen Lauf ſich abmühte,“ ſo war doch Gehorſam und Nachgiebigkeit in allen jenen Fällen geboten, wo Weigerung den Vorwurf des

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/221>, abgerufen am 26.11.2024.