seines Schwiegersohns Conrads von Burgsdorf glänzend auf- gehen zu sehn.
[Frau von Burgsdorf.] Die Bildnisse des alten Kanz- lers und seines Ehegemahls blicken, dem Anbau und der Kanzel abgewandt, in das alte Kirchenschiff hinein; an der Innen-Seite der beiden Pfeiler aber, so daß sie sich einander in's Auge blickten, hingen bis vor Kurzem zwei andre interessante Bildnisse: das der alten Frau von Burgsdorf, einer Tochter Johanns von Loeben, und das ihres Enkels des Poeten Canitz. Dieses tete a tete zwischen Großmutter und Enkel ist neuerdings gestört worden; die Kirchenvorstände haben das Bildniß des Poeten, ich weiß nicht aus welchem Grunde, für eine kaum nennenswerthe Summe ver- kauft. Es ist dies um so beklagenswerther, als die Kirche jedes andere Bild eher entbehrt haben könnte als dieses eine. Denn nicht nur die Glanzzeit Blumbergs fällt in die Tage, wo Canitz hier heitre Gastfreundschaft übte, nein, das Dasein des Dorfs überhaupt würde kaum jemals über seine nächste Umgebung hinaus bekannt geworden sein, wenn ihm nicht die Alexandriner des märkischen Poeten (Canitz) zu einem Plätzchen in der Literatur- Geschichte und zu einem ähnlich guten Klange wie Wandsbeck oder Gohlis oder Alten-Gleichen verholfen hätten.
Das Bildniß der alten Frau von Burgsdorf, dem wir uns jetzt zuwenden, ist wohl erhalten und trägt folgende Inschrift: "Die Verwittwete Frau Oberkammerherrin von Burgsdorf, geborne von Loeben, bekommt nach Absterben ihrer Frau Mutter alle Güter, so ihr Herr Vater, der Herr Kanzler von Loeben in Besitz gehabt; stehet solchen mit besondrem Ruhm und Leutseligkeit vor; aus Liebe für die Blumberg'schen und Eichischen Unterthanen legirt sie in ihrem Testament den Armen von beiden Gütern ein Capital von 500 Thalern. Sie setzet annoch bei ihrem Leben den klugen Staatsminister Freiherrn von Canitz als ihren einzigen Enkel, zum Erben ihrer Güter ein. Erlanget von dem Höchsten die Verheißung langen Lebens und bringet solches auf 77 Jahr."
Der lebensvolle Kopf, der aus dem schlichten Holzrahmen heraus uns anblickt, ist aber nicht der Kopf einer 77jährigen Greisin, sondern der Kopf einer Frau in den besten Jahren, deren
ſeines Schwiegerſohns Conrads von Burgsdorf glänzend auf- gehen zu ſehn.
[Frau von Burgsdorf.] Die Bildniſſe des alten Kanz- lers und ſeines Ehegemahls blicken, dem Anbau und der Kanzel abgewandt, in das alte Kirchenſchiff hinein; an der Innen-Seite der beiden Pfeiler aber, ſo daß ſie ſich einander in’s Auge blickten, hingen bis vor Kurzem zwei andre intereſſante Bildniſſe: das der alten Frau von Burgsdorf, einer Tochter Johanns von Loeben, und das ihres Enkels des Poeten Canitz. Dieſes tête à tête zwiſchen Großmutter und Enkel iſt neuerdings geſtört worden; die Kirchenvorſtände haben das Bildniß des Poeten, ich weiß nicht aus welchem Grunde, für eine kaum nennenswerthe Summe ver- kauft. Es iſt dies um ſo beklagenswerther, als die Kirche jedes andere Bild eher entbehrt haben könnte als dieſes eine. Denn nicht nur die Glanzzeit Blumbergs fällt in die Tage, wo Canitz hier heitre Gaſtfreundſchaft übte, nein, das Daſein des Dorfs überhaupt würde kaum jemals über ſeine nächſte Umgebung hinaus bekannt geworden ſein, wenn ihm nicht die Alexandriner des märkiſchen Poeten (Canitz) zu einem Plätzchen in der Literatur- Geſchichte und zu einem ähnlich guten Klange wie Wandsbeck oder Gohlis oder Alten-Gleichen verholfen hätten.
Das Bildniß der alten Frau von Burgsdorf, dem wir uns jetzt zuwenden, iſt wohl erhalten und trägt folgende Inſchrift: „Die Verwittwete Frau Oberkammerherrin von Burgsdorf, geborne von Loeben, bekommt nach Abſterben ihrer Frau Mutter alle Güter, ſo ihr Herr Vater, der Herr Kanzler von Loeben in Beſitz gehabt; ſtehet ſolchen mit beſondrem Ruhm und Leutſeligkeit vor; aus Liebe für die Blumberg’ſchen und Eichiſchen Unterthanen legirt ſie in ihrem Teſtament den Armen von beiden Gütern ein Capital von 500 Thalern. Sie ſetzet annoch bei ihrem Leben den klugen Staatsminiſter Freiherrn von Canitz als ihren einzigen Enkel, zum Erben ihrer Güter ein. Erlanget von dem Höchſten die Verheißung langen Lebens und bringet ſolches auf 77 Jahr.“
Der lebensvolle Kopf, der aus dem ſchlichten Holzrahmen heraus uns anblickt, iſt aber nicht der Kopf einer 77jährigen Greiſin, ſondern der Kopf einer Frau in den beſten Jahren, deren
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ſeines Schwiegerſohns Conrads von Burgsdorf glänzend auf-
gehen zu ſehn.
[Frau von Burgsdorf.] Die Bildniſſe des alten Kanz-
lers und ſeines Ehegemahls blicken, dem Anbau und der Kanzel
abgewandt, in das alte Kirchenſchiff hinein; an der Innen-Seite
der beiden Pfeiler aber, ſo daß ſie ſich einander in’s Auge blickten,
hingen bis vor Kurzem zwei andre intereſſante Bildniſſe:
das der alten Frau von Burgsdorf, einer Tochter Johanns von
Loeben, und das ihres Enkels des Poeten Canitz. Dieſes tête à tête
zwiſchen Großmutter und Enkel iſt neuerdings geſtört worden;
die Kirchenvorſtände haben das Bildniß des Poeten, ich weiß nicht
aus welchem Grunde, für eine kaum nennenswerthe Summe ver-
kauft. Es iſt dies um ſo beklagenswerther, als die Kirche jedes
andere Bild eher entbehrt haben könnte als dieſes eine. Denn
nicht nur die Glanzzeit Blumbergs fällt in die Tage, wo Canitz
hier heitre Gaſtfreundſchaft übte, nein, das Daſein des Dorfs
überhaupt würde kaum jemals über ſeine nächſte Umgebung hinaus
bekannt geworden ſein, wenn ihm nicht die Alexandriner des
märkiſchen Poeten (Canitz) zu einem Plätzchen in der Literatur-
Geſchichte und zu einem ähnlich guten Klange wie Wandsbeck
oder Gohlis oder Alten-Gleichen verholfen hätten.
Das Bildniß der alten Frau von Burgsdorf, dem wir uns
jetzt zuwenden, iſt wohl erhalten und trägt folgende Inſchrift:
„Die Verwittwete Frau Oberkammerherrin von Burgsdorf, geborne
von Loeben, bekommt nach Abſterben ihrer Frau Mutter alle
Güter, ſo ihr Herr Vater, der Herr Kanzler von Loeben in Beſitz
gehabt; ſtehet ſolchen mit beſondrem Ruhm und Leutſeligkeit vor;
aus Liebe für die Blumberg’ſchen und Eichiſchen Unterthanen
legirt ſie in ihrem Teſtament den Armen von beiden Gütern ein
Capital von 500 Thalern. Sie ſetzet annoch bei ihrem Leben den
klugen Staatsminiſter Freiherrn von Canitz als ihren einzigen
Enkel, zum Erben ihrer Güter ein. Erlanget von dem Höchſten
die Verheißung langen Lebens und bringet ſolches auf 77 Jahr.“
Der lebensvolle Kopf, der aus dem ſchlichten Holzrahmen
heraus uns anblickt, iſt aber nicht der Kopf einer 77jährigen
Greiſin, ſondern der Kopf einer Frau in den beſten Jahren, deren
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/212>, abgerufen am 25.11.2024.
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