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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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lassen. Ja ich muß gestehen, daß mir's oft wie ein Brand im
Herzen gewesen, und mehrmalen mußt ich mich mit Gewalt zurück-
ziehen, damit ich mich nicht übernähme oder meine Natur zu sehr
schwächete. Wollt ich zuweilen 3 Verse schreiben, so wurden gleich
12, 15 oder gar 30 daraus. Manchesmal konnte die Feder dem
schnellen Zuflusse nicht einmal folgen. Oft mußt ich's, wenn ich
so hintereinander geschrieben, erst überlesen, um zu wissen, was es
wär, und mich dann selbst wundern, daß das da stund, was ich
fand. Und so sind diese langen Lieder der ersten Sammlung ent-
standen. Ich nahm mir vor, ein Lied in gewöhnlicher Größe zu
schreiben, aber wenn ich hineinkam, sind oft 40, 50, 100, 200 und
mehr Verse fertig geworden."

Er fährt dann fort:

"Was ich in so großer Geschwindigkeit niedergeschrieben, ich
hab es hinterher vielmal durchgelesen, einiges oft umgeschmolzen,
anderes lange liegen lassen; aber das ist wahr, daß ich anderes,
das so recht aus dem Herzen gequollen, nie geändert habe. Die
Ursach ist, weil das am ersten und natürlichsten wieder in die
Herzen hineinfließet, was ohne Zwang heraus geströmet ist ....
Fraget nur die Dichter dieser Welt, ob sich nicht Aehnliches bei
ihnen findet, wenn sich ein poetisches Feuer bei ihnen reget. Und
was soll nicht erst der herrliche Geist des lebendigen Gottes thun,
wenn er die natürlichen Triebe zur Dichtkunst mit seinen Kräften
anfeuert!

"Es bleibt mir eine unumstößliche Wahrheit, daß alle ver-
nünftigen Regeln der Dichtkunst sehr gut sind und von einem
Dichter nach seiner Gelegenheit mit großem Nutzen gebraucht wer-
den können, daß aber dennoch das Göttliche in der Dichtkunst
nicht anders als auf den Knieen gelernt werden kann. Denn
wenn der Geist aller Geister das Herz des Poeten nicht entflammt,
so weiß ich nicht, ob ich die erhabenste Poesie überhaupt noch eine
göttliche nennen kann .... Die Heiden haben von ihren todten
Götzen treulich gesungen. Aber so viele Dichter unter den Christen
wissen von ihrem lebendigen Gott, von dem Gott aller Götter, ja
von ihrem menschgewordenen Gott, der am Kreuz in seinem Blute
für sie gestorben, nichts zu sagen. Sie holen lieber vermoderte
Stücke von den verfaulten Götzen der Heiden und schmücken sie

laſſen. Ja ich muß geſtehen, daß mir’s oft wie ein Brand im
Herzen geweſen, und mehrmalen mußt ich mich mit Gewalt zurück-
ziehen, damit ich mich nicht übernähme oder meine Natur zu ſehr
ſchwächete. Wollt ich zuweilen 3 Verſe ſchreiben, ſo wurden gleich
12, 15 oder gar 30 daraus. Manchesmal konnte die Feder dem
ſchnellen Zufluſſe nicht einmal folgen. Oft mußt ich’s, wenn ich
ſo hintereinander geſchrieben, erſt überleſen, um zu wiſſen, was es
wär, und mich dann ſelbſt wundern, daß das da ſtund, was ich
fand. Und ſo ſind dieſe langen Lieder der erſten Sammlung ent-
ſtanden. Ich nahm mir vor, ein Lied in gewöhnlicher Größe zu
ſchreiben, aber wenn ich hineinkam, ſind oft 40, 50, 100, 200 und
mehr Verſe fertig geworden.“

Er fährt dann fort:

„Was ich in ſo großer Geſchwindigkeit niedergeſchrieben, ich
hab es hinterher vielmal durchgeleſen, einiges oft umgeſchmolzen,
anderes lange liegen laſſen; aber das iſt wahr, daß ich anderes,
das ſo recht aus dem Herzen gequollen, nie geändert habe. Die
Urſach iſt, weil das am erſten und natürlichſten wieder in die
Herzen hineinfließet, was ohne Zwang heraus geſtrömet iſt ....
Fraget nur die Dichter dieſer Welt, ob ſich nicht Aehnliches bei
ihnen findet, wenn ſich ein poetiſches Feuer bei ihnen reget. Und
was ſoll nicht erſt der herrliche Geiſt des lebendigen Gottes thun,
wenn er die natürlichen Triebe zur Dichtkunſt mit ſeinen Kräften
anfeuert!

„Es bleibt mir eine unumſtößliche Wahrheit, daß alle ver-
nünftigen Regeln der Dichtkunſt ſehr gut ſind und von einem
Dichter nach ſeiner Gelegenheit mit großem Nutzen gebraucht wer-
den können, daß aber dennoch das Göttliche in der Dichtkunſt
nicht anders als auf den Knieen gelernt werden kann. Denn
wenn der Geiſt aller Geiſter das Herz des Poeten nicht entflammt,
ſo weiß ich nicht, ob ich die erhabenſte Poeſie überhaupt noch eine
göttliche nennen kann .... Die Heiden haben von ihren todten
Götzen treulich geſungen. Aber ſo viele Dichter unter den Chriſten
wiſſen von ihrem lebendigen Gott, von dem Gott aller Götter, ja
von ihrem menſchgewordenen Gott, der am Kreuz in ſeinem Blute
für ſie geſtorben, nichts zu ſagen. Sie holen lieber vermoderte
Stücke von den verfaulten Götzen der Heiden und ſchmücken ſie

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[157/0173] laſſen. Ja ich muß geſtehen, daß mir’s oft wie ein Brand im Herzen geweſen, und mehrmalen mußt ich mich mit Gewalt zurück- ziehen, damit ich mich nicht übernähme oder meine Natur zu ſehr ſchwächete. Wollt ich zuweilen 3 Verſe ſchreiben, ſo wurden gleich 12, 15 oder gar 30 daraus. Manchesmal konnte die Feder dem ſchnellen Zufluſſe nicht einmal folgen. Oft mußt ich’s, wenn ich ſo hintereinander geſchrieben, erſt überleſen, um zu wiſſen, was es wär, und mich dann ſelbſt wundern, daß das da ſtund, was ich fand. Und ſo ſind dieſe langen Lieder der erſten Sammlung ent- ſtanden. Ich nahm mir vor, ein Lied in gewöhnlicher Größe zu ſchreiben, aber wenn ich hineinkam, ſind oft 40, 50, 100, 200 und mehr Verſe fertig geworden.“ Er fährt dann fort: „Was ich in ſo großer Geſchwindigkeit niedergeſchrieben, ich hab es hinterher vielmal durchgeleſen, einiges oft umgeſchmolzen, anderes lange liegen laſſen; aber das iſt wahr, daß ich anderes, das ſo recht aus dem Herzen gequollen, nie geändert habe. Die Urſach iſt, weil das am erſten und natürlichſten wieder in die Herzen hineinfließet, was ohne Zwang heraus geſtrömet iſt .... Fraget nur die Dichter dieſer Welt, ob ſich nicht Aehnliches bei ihnen findet, wenn ſich ein poetiſches Feuer bei ihnen reget. Und was ſoll nicht erſt der herrliche Geiſt des lebendigen Gottes thun, wenn er die natürlichen Triebe zur Dichtkunſt mit ſeinen Kräften anfeuert! „Es bleibt mir eine unumſtößliche Wahrheit, daß alle ver- nünftigen Regeln der Dichtkunſt ſehr gut ſind und von einem Dichter nach ſeiner Gelegenheit mit großem Nutzen gebraucht wer- den können, daß aber dennoch das Göttliche in der Dichtkunſt nicht anders als auf den Knieen gelernt werden kann. Denn wenn der Geiſt aller Geiſter das Herz des Poeten nicht entflammt, ſo weiß ich nicht, ob ich die erhabenſte Poeſie überhaupt noch eine göttliche nennen kann .... Die Heiden haben von ihren todten Götzen treulich geſungen. Aber ſo viele Dichter unter den Chriſten wiſſen von ihrem lebendigen Gott, von dem Gott aller Götter, ja von ihrem menſchgewordenen Gott, der am Kreuz in ſeinem Blute für ſie geſtorben, nichts zu ſagen. Sie holen lieber vermoderte Stücke von den verfaulten Götzen der Heiden und ſchmücken ſie

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/173>, abgerufen am 22.11.2024.