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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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zu entziehn. In einem allerschlimmsten Falle, der ihn dann
schließlich auch bis an die Grenze der Relegation brachte, ging er
soweit, sich auf die Brüstung des ersten Ranges zu schwingen und
höhnisch in den Applaus des enthusiastischen Hauses einstimmend,
mit seinen Füßen Beifall zu klatschen.

Eine weitere Unterbrechung, die seine Studien erlitten, wenn
von Unterbrechung überhaupt die Rede sein konnte, waren die Duelle,
die gelegentlich in etwas zeitraubender Weise vor sich gingen. So
ward eins derselben, das zwischen Königsberg und Heidelberg con-
trahirt worden war, halben Weges und zwar in Berlin ausge-
fochten. Jeder Partner machte per Schnellzug 80 Meilen; Rendez-
vous: Hasenheide. Man rieb sich den Schlaf aus den Augen
und schoß sich. Die Kugeln gingen in die Luft. Aber wenn er
seinen Gegner auch nicht getroffen hatte, so traf er dafür -- eine
Stunde später Unter den Linden -- seinen Vater, der einiger-
maßen überrascht war, den im Heidelberger Colleg Vermutheten
an dieser Stelle zu finden.

Ein anderes Vorkommniß dieses Studienjahres mag hier noch
erzählt werden, weil es das heitere Gegenstück zu jenem Unter-
nehmen ist, das zwei Jahre später seinem Leben ein Ende machte.
Wer sich der Müh unterziehen will, zwischen den beiden Fällen zu
vergleichen, wird sie bis in die kleinsten Züge hinein gleich finden.
Nur die Zeitläufte waren anders geworden. Und daran ging er
zu Grunde.

Der Sommer 1868 war der Pariser Ausstellungs-Sommer.
Ende Juni, an der Table d'hote eines Heidelberger Hotels sitzend,
hörte er, wie der in den Salon tretende Oberkellner mit lauter
Stimme anfragte: "Ein Zwei-Tage-Billet für Paris: Wer der
Herren ....." "Ich", klang es von der entgegengesetzten Seite
der Tafel her und eine Viertelstunde später (es war höchste Zeit)
saß unser Studiosus juris bereits im Coupe und dampfte auf
Paris zu. Wie er ging und stand, hatte er die Reise angetreten.
Auch ohne Geld. Die paar Gulden, die er bei sich führte, waren
schon verausgabt, eh er noch in den Pariser Ostbahnhof einfuhr.
Er liebte es, Alles vom Moment und seinem guten Glück ab-
hängen zu lassen. Und siehe da, in Paris ließ es ihn nicht im
Stich. Einer der ersten, denen er auf dem Boulevard des Italiens

zu entziehn. In einem allerſchlimmſten Falle, der ihn dann
ſchließlich auch bis an die Grenze der Relegation brachte, ging er
ſoweit, ſich auf die Brüſtung des erſten Ranges zu ſchwingen und
höhniſch in den Applaus des enthuſiaſtiſchen Hauſes einſtimmend,
mit ſeinen Füßen Beifall zu klatſchen.

Eine weitere Unterbrechung, die ſeine Studien erlitten, wenn
von Unterbrechung überhaupt die Rede ſein konnte, waren die Duelle,
die gelegentlich in etwas zeitraubender Weiſe vor ſich gingen. So
ward eins derſelben, das zwiſchen Königsberg und Heidelberg con-
trahirt worden war, halben Weges und zwar in Berlin ausge-
fochten. Jeder Partner machte per Schnellzug 80 Meilen; Rendez-
vous: Haſenheide. Man rieb ſich den Schlaf aus den Augen
und ſchoß ſich. Die Kugeln gingen in die Luft. Aber wenn er
ſeinen Gegner auch nicht getroffen hatte, ſo traf er dafür — eine
Stunde ſpäter Unter den Linden — ſeinen Vater, der einiger-
maßen überraſcht war, den im Heidelberger Colleg Vermutheten
an dieſer Stelle zu finden.

Ein anderes Vorkommniß dieſes Studienjahres mag hier noch
erzählt werden, weil es das heitere Gegenſtück zu jenem Unter-
nehmen iſt, das zwei Jahre ſpäter ſeinem Leben ein Ende machte.
Wer ſich der Müh unterziehen will, zwiſchen den beiden Fällen zu
vergleichen, wird ſie bis in die kleinſten Züge hinein gleich finden.
Nur die Zeitläufte waren anders geworden. Und daran ging er
zu Grunde.

Der Sommer 1868 war der Pariſer Ausſtellungs-Sommer.
Ende Juni, an der Table d’hôte eines Heidelberger Hôtels ſitzend,
hörte er, wie der in den Salon tretende Oberkellner mit lauter
Stimme anfragte: „Ein Zwei-Tage-Billet für Paris: Wer der
Herren .....“ „Ich“, klang es von der entgegengeſetzten Seite
der Tafel her und eine Viertelſtunde ſpäter (es war höchſte Zeit)
ſaß unſer Studiosus juris bereits im Coupé und dampfte auf
Paris zu. Wie er ging und ſtand, hatte er die Reiſe angetreten.
Auch ohne Geld. Die paar Gulden, die er bei ſich führte, waren
ſchon verausgabt, eh er noch in den Pariſer Oſtbahnhof einfuhr.
Er liebte es, Alles vom Moment und ſeinem guten Glück ab-
hängen zu laſſen. Und ſiehe da, in Paris ließ es ihn nicht im
Stich. Einer der erſten, denen er auf dem Boulevard des Italiens

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[120/0136] zu entziehn. In einem allerſchlimmſten Falle, der ihn dann ſchließlich auch bis an die Grenze der Relegation brachte, ging er ſoweit, ſich auf die Brüſtung des erſten Ranges zu ſchwingen und höhniſch in den Applaus des enthuſiaſtiſchen Hauſes einſtimmend, mit ſeinen Füßen Beifall zu klatſchen. Eine weitere Unterbrechung, die ſeine Studien erlitten, wenn von Unterbrechung überhaupt die Rede ſein konnte, waren die Duelle, die gelegentlich in etwas zeitraubender Weiſe vor ſich gingen. So ward eins derſelben, das zwiſchen Königsberg und Heidelberg con- trahirt worden war, halben Weges und zwar in Berlin ausge- fochten. Jeder Partner machte per Schnellzug 80 Meilen; Rendez- vous: Haſenheide. Man rieb ſich den Schlaf aus den Augen und ſchoß ſich. Die Kugeln gingen in die Luft. Aber wenn er ſeinen Gegner auch nicht getroffen hatte, ſo traf er dafür — eine Stunde ſpäter Unter den Linden — ſeinen Vater, der einiger- maßen überraſcht war, den im Heidelberger Colleg Vermutheten an dieſer Stelle zu finden. Ein anderes Vorkommniß dieſes Studienjahres mag hier noch erzählt werden, weil es das heitere Gegenſtück zu jenem Unter- nehmen iſt, das zwei Jahre ſpäter ſeinem Leben ein Ende machte. Wer ſich der Müh unterziehen will, zwiſchen den beiden Fällen zu vergleichen, wird ſie bis in die kleinſten Züge hinein gleich finden. Nur die Zeitläufte waren anders geworden. Und daran ging er zu Grunde. Der Sommer 1868 war der Pariſer Ausſtellungs-Sommer. Ende Juni, an der Table d’hôte eines Heidelberger Hôtels ſitzend, hörte er, wie der in den Salon tretende Oberkellner mit lauter Stimme anfragte: „Ein Zwei-Tage-Billet für Paris: Wer der Herren .....“ „Ich“, klang es von der entgegengeſetzten Seite der Tafel her und eine Viertelſtunde ſpäter (es war höchſte Zeit) ſaß unſer Studiosus juris bereits im Coupé und dampfte auf Paris zu. Wie er ging und ſtand, hatte er die Reiſe angetreten. Auch ohne Geld. Die paar Gulden, die er bei ſich führte, waren ſchon verausgabt, eh er noch in den Pariſer Oſtbahnhof einfuhr. Er liebte es, Alles vom Moment und ſeinem guten Glück ab- hängen zu laſſen. Und ſiehe da, in Paris ließ es ihn nicht im Stich. Einer der erſten, denen er auf dem Boulevard des Italiens

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/136>, abgerufen am 24.11.2024.