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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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wollte man's verbieten, aber einer der' zufällig anwesenden Freunde
des Hauses legte sich in's Mittel und sagte: "Wozu verbieten?
Glauben Sie mir, es ist gleichgültig was wir thun. Es giebt
keine Sicherheiten und eigentlich auch keine Unsicherheiten. Unser
Schicksal findet uns und faßt uns zu bestimmter Zeit und an
bestimmter Stelle."

Dies sollte sich in Leben und Tod Alexander Anderssens
bewähren.


Alexander Anderssen.
Fähnrich im 4. Ulanenregiment.

Erschossen zu Thionville am 29. Oktober 1870.

Alexander Anderssen, der Blondkopf dessen die vorstehenden
Zeilen erwähnten, ward am 19. November 1847 zu Berlin ge-
boren. Mit dem zehnten Jahre kam er auf das Werdersche Gym-
nasium. Von früh auf zeigte er den Charakter, dem er bis zu
seiner letzten Stunde treu blieb: er war nervös und energisch,
lebhaft und verschlossen zugleich. "Nur nichts verrathen" bildete
die Devise seines Lebens und Diskretion war die vornehmste seiner
Tugenden. Gleichgiltig gegen Lob, war ihm der Tadel beinah
erwünscht, sicherlich dann, wenn er ihm eingebildet oder wirklich
das Gefühl seiner Unschuld entgegensetzen konnte. Mit Passion
nahm er Dinge auf sich, die seine Commilitonen verschuldet hat-
ten; kam Strafe, so desto besser. Man kann von ihm sagen, daß
er von Jugend auf die Leidenschaft des Martyriums besaß. All'
das kleidete ihm aber, weil es nichts Angeflogenes, sondern der
Ausdruck seiner Natur war. Was vollends versöhnte, war, daß
er nie feige umkehrte oder vor den Folgen seiner Handelsweise
erschrak.

1867 verließ er Berlin, um in Heidelberg Jura zu studiren.
Es waren die ersten Semester, und sie verliefen wie erste Heidel-
berger Semester zu verlaufen pflegen. Pedelle und Nachtwächter
wußten alsbald von ihm zu erzählen, mehr noch die Schauspiele-
rinnen, insonderheit die, denen er sich gemüßigt sah, seine Gunst

wollte man’s verbieten, aber einer der’ zufällig anweſenden Freunde
des Hauſes legte ſich in’s Mittel und ſagte: „Wozu verbieten?
Glauben Sie mir, es iſt gleichgültig was wir thun. Es giebt
keine Sicherheiten und eigentlich auch keine Unſicherheiten. Unſer
Schickſal findet uns und faßt uns zu beſtimmter Zeit und an
beſtimmter Stelle.“

Dies ſollte ſich in Leben und Tod Alexander Anderſſens
bewähren.


Alexander Anderſſen.
Fähnrich im 4. Ulanenregiment.

Erſchoſſen zu Thionville am 29. Oktober 1870.

Alexander Anderſſen, der Blondkopf deſſen die vorſtehenden
Zeilen erwähnten, ward am 19. November 1847 zu Berlin ge-
boren. Mit dem zehnten Jahre kam er auf das Werderſche Gym-
naſium. Von früh auf zeigte er den Charakter, dem er bis zu
ſeiner letzten Stunde treu blieb: er war nervös und energiſch,
lebhaft und verſchloſſen zugleich. „Nur nichts verrathen“ bildete
die Deviſe ſeines Lebens und Diskretion war die vornehmſte ſeiner
Tugenden. Gleichgiltig gegen Lob, war ihm der Tadel beinah
erwünſcht, ſicherlich dann, wenn er ihm eingebildet oder wirklich
das Gefühl ſeiner Unſchuld entgegenſetzen konnte. Mit Paſſion
nahm er Dinge auf ſich, die ſeine Commilitonen verſchuldet hat-
ten; kam Strafe, ſo deſto beſſer. Man kann von ihm ſagen, daß
er von Jugend auf die Leidenſchaft des Martyriums beſaß. All’
das kleidete ihm aber, weil es nichts Angeflogenes, ſondern der
Ausdruck ſeiner Natur war. Was vollends verſöhnte, war, daß
er nie feige umkehrte oder vor den Folgen ſeiner Handelsweiſe
erſchrak.

1867 verließ er Berlin, um in Heidelberg Jura zu ſtudiren.
Es waren die erſten Semeſter, und ſie verliefen wie erſte Heidel-
berger Semeſter zu verlaufen pflegen. Pedelle und Nachtwächter
wußten alsbald von ihm zu erzählen, mehr noch die Schauſpiele-
rinnen, inſonderheit die, denen er ſich gemüßigt ſah, ſeine Gunſt

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[119/0135] wollte man’s verbieten, aber einer der’ zufällig anweſenden Freunde des Hauſes legte ſich in’s Mittel und ſagte: „Wozu verbieten? Glauben Sie mir, es iſt gleichgültig was wir thun. Es giebt keine Sicherheiten und eigentlich auch keine Unſicherheiten. Unſer Schickſal findet uns und faßt uns zu beſtimmter Zeit und an beſtimmter Stelle.“ Dies ſollte ſich in Leben und Tod Alexander Anderſſens bewähren. Alexander Anderſſen. Fähnrich im 4. Ulanenregiment. Erſchoſſen zu Thionville am 29. Oktober 1870. Alexander Anderſſen, der Blondkopf deſſen die vorſtehenden Zeilen erwähnten, ward am 19. November 1847 zu Berlin ge- boren. Mit dem zehnten Jahre kam er auf das Werderſche Gym- naſium. Von früh auf zeigte er den Charakter, dem er bis zu ſeiner letzten Stunde treu blieb: er war nervös und energiſch, lebhaft und verſchloſſen zugleich. „Nur nichts verrathen“ bildete die Deviſe ſeines Lebens und Diskretion war die vornehmſte ſeiner Tugenden. Gleichgiltig gegen Lob, war ihm der Tadel beinah erwünſcht, ſicherlich dann, wenn er ihm eingebildet oder wirklich das Gefühl ſeiner Unſchuld entgegenſetzen konnte. Mit Paſſion nahm er Dinge auf ſich, die ſeine Commilitonen verſchuldet hat- ten; kam Strafe, ſo deſto beſſer. Man kann von ihm ſagen, daß er von Jugend auf die Leidenſchaft des Martyriums beſaß. All’ das kleidete ihm aber, weil es nichts Angeflogenes, ſondern der Ausdruck ſeiner Natur war. Was vollends verſöhnte, war, daß er nie feige umkehrte oder vor den Folgen ſeiner Handelsweiſe erſchrak. 1867 verließ er Berlin, um in Heidelberg Jura zu ſtudiren. Es waren die erſten Semeſter, und ſie verliefen wie erſte Heidel- berger Semeſter zu verlaufen pflegen. Pedelle und Nachtwächter wußten alsbald von ihm zu erzählen, mehr noch die Schauſpiele- rinnen, inſonderheit die, denen er ſich gemüßigt ſah, ſeine Gunſt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/135>, abgerufen am 24.11.2024.