des Parks ein anderes Leben gesehen hätten, als die laute Heiter- keit der Cöpenicker Schuljugend, die hier ein prächtiges, von Ge- strüpp durchwachsenes Terrain fand für "Hirsch und Jäger" und "Wanderer und Stadtsoldat."
Jahrzehnte vergingen so. Da zog wieder Leben ein in Schloß Cöpenick, aber welch ein Leben! Die Fenster, die nach dem Wasser hinaus lagen, wurden mit Holz bekleidet, und nur ein schmaler Streifen blieb offen, der dem Lichtstrahl von oben her einen Ein- gang gestattete. Geschlossene Wagen rollten über die Brücke, Alles war in Dunkel und Geheimniß gehüllt; es ging "ein finstrer Geist durch dieses Haus." Die hohen Schwarzpappeln, die alten Wäch- ter am Portal, standen unheimlicher da denn je zuvor und drinnen und draußen war kein Spielen und Lachen mehr. Hunderte saßen hinter den Gitterfenstern, die doch keine Fenster mehr waren, und nichts unterbrach die finstre Stille des Orts; wie das Licht, so schien auch der Klang von seinen Mauern ausgeschlossen. Eine trübe Zeit. Uebermuth hatte gefehlt, und Mangel an Muth hatte zu Gericht gesessen; waghalsige Schwärmerei, mißleitete Begeiste- rung büßten hart für den eitlen Irrthum einer Stunde*).
Und wieder andre Zeiten kamen. Wie einen schweren Traum schüttelte Schloß Cöpenick seine jüngste Vergangenheit ab. Die Fenster blitzten wieder, wenn die Morgensonne darauf fiel, und auf dem Platze, der zwischen Schloß und Schloßkapelle liegt, ent- stand ein Garten. Blumen blühten wieder und eine heitere Jugend hielt ihren Einzug. Eine heitere, denn sie kam nicht, um für Eitelkeit und Uebermuth über Gebühr zu büßen, sie kam, um in Demuth und Bescheidenheit zu lernen. Und diese Jugend weilt noch darin. Allabendlich um die Dämmerstunde, wenn die Orgel zu Gesang und Andacht ruft und Lehrer und Schüler sich im alten Wappensaale des Schlosses versammeln, ist es wohl als ging' es wieder um und als husch' es in den Corridoren auf und nieder, aber die leisen Klageworte des Kurprinzen, der hier Schutz
*) In Schloß Cöpenick befanden sich damals die "Demagogen" in Unter- suchungshaft. -- Jetzt ist es Seminar.
des Parks ein anderes Leben geſehen hätten, als die laute Heiter- keit der Cöpenicker Schuljugend, die hier ein prächtiges, von Ge- ſtrüpp durchwachſenes Terrain fand für „Hirſch und Jäger“ und „Wanderer und Stadtſoldat.“
Jahrzehnte vergingen ſo. Da zog wieder Leben ein in Schloß Cöpenick, aber welch ein Leben! Die Fenſter, die nach dem Waſſer hinaus lagen, wurden mit Holz bekleidet, und nur ein ſchmaler Streifen blieb offen, der dem Lichtſtrahl von oben her einen Ein- gang geſtattete. Geſchloſſene Wagen rollten über die Brücke, Alles war in Dunkel und Geheimniß gehüllt; es ging „ein finſtrer Geiſt durch dieſes Haus.“ Die hohen Schwarzpappeln, die alten Wäch- ter am Portal, ſtanden unheimlicher da denn je zuvor und drinnen und draußen war kein Spielen und Lachen mehr. Hunderte ſaßen hinter den Gitterfenſtern, die doch keine Fenſter mehr waren, und nichts unterbrach die finſtre Stille des Orts; wie das Licht, ſo ſchien auch der Klang von ſeinen Mauern ausgeſchloſſen. Eine trübe Zeit. Uebermuth hatte gefehlt, und Mangel an Muth hatte zu Gericht geſeſſen; waghalſige Schwärmerei, mißleitete Begeiſte- rung büßten hart für den eitlen Irrthum einer Stunde*).
Und wieder andre Zeiten kamen. Wie einen ſchweren Traum ſchüttelte Schloß Cöpenick ſeine jüngſte Vergangenheit ab. Die Fenſter blitzten wieder, wenn die Morgenſonne darauf fiel, und auf dem Platze, der zwiſchen Schloß und Schloßkapelle liegt, ent- ſtand ein Garten. Blumen blühten wieder und eine heitere Jugend hielt ihren Einzug. Eine heitere, denn ſie kam nicht, um für Eitelkeit und Uebermuth über Gebühr zu büßen, ſie kam, um in Demuth und Beſcheidenheit zu lernen. Und dieſe Jugend weilt noch darin. Allabendlich um die Dämmerſtunde, wenn die Orgel zu Geſang und Andacht ruft und Lehrer und Schüler ſich im alten Wappenſaale des Schloſſes verſammeln, iſt es wohl als ging’ es wieder um und als huſch’ es in den Corridoren auf und nieder, aber die leiſen Klageworte des Kurprinzen, der hier Schutz
*) In Schloß Cöpenick befanden ſich damals die „Demagogen“ in Unter- ſuchungshaft. — Jetzt iſt es Seminar.
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des Parks ein anderes Leben geſehen hätten, als die laute Heiter-
keit der Cöpenicker Schuljugend, die hier ein prächtiges, von Ge-
ſtrüpp durchwachſenes Terrain fand für „Hirſch und Jäger“ und
„Wanderer und Stadtſoldat.“
Jahrzehnte vergingen ſo. Da zog wieder Leben ein in Schloß
Cöpenick, aber welch ein Leben! Die Fenſter, die nach dem Waſſer
hinaus lagen, wurden mit Holz bekleidet, und nur ein ſchmaler
Streifen blieb offen, der dem Lichtſtrahl von oben her einen Ein-
gang geſtattete. Geſchloſſene Wagen rollten über die Brücke, Alles
war in Dunkel und Geheimniß gehüllt; es ging „ein finſtrer Geiſt
durch dieſes Haus.“ Die hohen Schwarzpappeln, die alten Wäch-
ter am Portal, ſtanden unheimlicher da denn je zuvor und drinnen
und draußen war kein Spielen und Lachen mehr. Hunderte ſaßen
hinter den Gitterfenſtern, die doch keine Fenſter mehr waren, und
nichts unterbrach die finſtre Stille des Orts; wie das Licht, ſo
ſchien auch der Klang von ſeinen Mauern ausgeſchloſſen. Eine
trübe Zeit. Uebermuth hatte gefehlt, und Mangel an Muth hatte
zu Gericht geſeſſen; waghalſige Schwärmerei, mißleitete Begeiſte-
rung büßten hart für den eitlen Irrthum einer Stunde *).
Und wieder andre Zeiten kamen. Wie einen ſchweren Traum
ſchüttelte Schloß Cöpenick ſeine jüngſte Vergangenheit ab. Die
Fenſter blitzten wieder, wenn die Morgenſonne darauf fiel, und
auf dem Platze, der zwiſchen Schloß und Schloßkapelle liegt, ent-
ſtand ein Garten. Blumen blühten wieder und eine heitere
Jugend hielt ihren Einzug. Eine heitere, denn ſie kam nicht, um
für Eitelkeit und Uebermuth über Gebühr zu büßen, ſie kam, um
in Demuth und Beſcheidenheit zu lernen. Und dieſe Jugend weilt
noch darin. Allabendlich um die Dämmerſtunde, wenn die Orgel
zu Geſang und Andacht ruft und Lehrer und Schüler ſich im
alten Wappenſaale des Schloſſes verſammeln, iſt es wohl als
ging’ es wieder um und als huſch’ es in den Corridoren auf und
nieder, aber die leiſen Klageworte des Kurprinzen, der hier Schutz
*) In Schloß Cöpenick befanden ſich damals die „Demagogen“ in Unter-
ſuchungshaft. — Jetzt iſt es Seminar.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/121>, abgerufen am 24.11.2024.
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