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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Schwedt als Hauptträger des Verschwendungs-Systems bezeichnet
worden war, glücklich zu entfernen und stand bereits auf dem Punkte,
sich als erster Minister und Plenipotentiaire am Hofe zu Cöpenick
zu etabliren, als die beiden alten Günstlinge der Prinzessin, die bis
dahin auf gegnerischem Fuße gestanden und ihre Macht balancirt
hatten, sich zum Untergange des Eindringlings verschworen. Kam-
merherr von Wangenheim und Hofprediger St. Aubin*)
schlossen Frieden, entlarvten den immer mächtiger werdenden Frei-
herrn als eine Kreatur des Schwedter Markgrafen und stürzten
ihn auf der Stelle. Kammerherr von Wangenheim, von dem
eigenes hervorgehoben wird, daß er ein sehr starker Mann gewesen,
übernahm zu größerer Sicherheit die Executive seiner eigenen Maß-
regeln und schaffte den gestürzten Nebenbuhler bis vor das Portal
des Schlosses.

So lebte man damals in Schloß Cöpenick. Klein und be
deutungslos vergingen die Tage, die selbst in der überkommenen
Ausstattung und Einrichtung nicht das Geringste geändert zu ha-
ben scheinen. Wie konnten sie auch! Der prinzeßliche Hof zu
Cöpenick war ein bloßes Filial des markgräflichen Hofes zu Schwedt,
der doch seinerseits auch nur wieder ein Filial, eine bedeutungs-
lose Abzweigung des Berlin-Potsdamschen Hofes war.

*) Hofprediger St. Aubin erhielt von der Prinzessin die kleine reizende,
dicht bei Cöpenick gelegene Besitzung als Geschenk, die den Namen "Bellevue"
führt. Dies Bellevue ist ein Garten mitten im märkischen Sand, eine Oase
in mehr als einer Beziehung. Mr. St. Aubin erbaute sich daselbst ein
Herrenhaus, ein "Schlößchen" mit Speisehalle und Gartensaal, mit Bibliothek
und Empfangszimmern. Es wechselte oft die Besitzer. Um 1850 besaß es
Bernhard von Lepel, der hier, in poetischer Zurückgezogenheit, einige seiner
besten Sachen dichtete, z. B. "die Zauberin Kirke". 1852 war "Bellevue" der
Sommeraufenthalt Franz Kuglers und Paul Heyse's. Einige Jahre
später ging es in den Besitz des Pastor Pabst über, der, früher Gesandt-
schaftsprediger in Rom, zu dem Bonmot Veranlassung gab "in Rom seien jetzt
zwei Päbste". Comfort, Kunst und Dichtung waren immer an dieser Stelle
zu Haus und niemand gewann Hausrecht hier, der nicht zuvor in Rom ge-
wesen war. Ich selbst habe die Zimmer des Schlößchens nie anders gesehen
als im Schmuck italienischer Bilder, und oft lagen mehr Pinienäpfel auf den
Schränken und Kommoden des Gartensaals umher, als Tannäpfel in den
Steigen des Gartens draußen.

Schwedt als Hauptträger des Verſchwendungs-Syſtems bezeichnet
worden war, glücklich zu entfernen und ſtand bereits auf dem Punkte,
ſich als erſter Miniſter und Plenipotentiaire am Hofe zu Cöpenick
zu etabliren, als die beiden alten Günſtlinge der Prinzeſſin, die bis
dahin auf gegneriſchem Fuße geſtanden und ihre Macht balancirt
hatten, ſich zum Untergange des Eindringlings verſchworen. Kam-
merherr von Wangenheim und Hofprediger St. Aubin*)
ſchloſſen Frieden, entlarvten den immer mächtiger werdenden Frei-
herrn als eine Kreatur des Schwedter Markgrafen und ſtürzten
ihn auf der Stelle. Kammerherr von Wangenheim, von dem
eigenes hervorgehoben wird, daß er ein ſehr ſtarker Mann geweſen,
übernahm zu größerer Sicherheit die Executive ſeiner eigenen Maß-
regeln und ſchaffte den geſtürzten Nebenbuhler bis vor das Portal
des Schloſſes.

So lebte man damals in Schloß Cöpenick. Klein und be
deutungslos vergingen die Tage, die ſelbſt in der überkommenen
Ausſtattung und Einrichtung nicht das Geringſte geändert zu ha-
ben ſcheinen. Wie konnten ſie auch! Der prinzeßliche Hof zu
Cöpenick war ein bloßes Filial des markgräflichen Hofes zu Schwedt,
der doch ſeinerſeits auch nur wieder ein Filial, eine bedeutungs-
loſe Abzweigung des Berlin-Potsdamſchen Hofes war.

*) Hofprediger St. Aubin erhielt von der Prinzeſſin die kleine reizende,
dicht bei Cöpenick gelegene Beſitzung als Geſchenk, die den Namen „Bellevue“
führt. Dies Bellevue iſt ein Garten mitten im märkiſchen Sand, eine Oaſe
in mehr als einer Beziehung. Mr. St. Aubin erbaute ſich daſelbſt ein
Herrenhaus, ein „Schlößchen“ mit Speiſehalle und Gartenſaal, mit Bibliothek
und Empfangszimmern. Es wechſelte oft die Beſitzer. Um 1850 beſaß es
Bernhard von Lepel, der hier, in poetiſcher Zurückgezogenheit, einige ſeiner
beſten Sachen dichtete, z. B. „die Zauberin Kirke“. 1852 war „Bellevue“ der
Sommeraufenthalt Franz Kuglers und Paul Heyſe’s. Einige Jahre
ſpäter ging es in den Beſitz des Paſtor Pabſt über, der, früher Geſandt-
ſchaftsprediger in Rom, zu dem Bonmot Veranlaſſung gab „in Rom ſeien jetzt
zwei Päbſte“. Comfort, Kunſt und Dichtung waren immer an dieſer Stelle
zu Haus und niemand gewann Hausrecht hier, der nicht zuvor in Rom ge-
weſen war. Ich ſelbſt habe die Zimmer des Schlößchens nie anders geſehen
als im Schmuck italieniſcher Bilder, und oft lagen mehr Pinienäpfel auf den
Schränken und Kommoden des Gartenſaals umher, als Tannäpfel in den
Steigen des Gartens draußen.
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[100/0116] Schwedt als Hauptträger des Verſchwendungs-Syſtems bezeichnet worden war, glücklich zu entfernen und ſtand bereits auf dem Punkte, ſich als erſter Miniſter und Plenipotentiaire am Hofe zu Cöpenick zu etabliren, als die beiden alten Günſtlinge der Prinzeſſin, die bis dahin auf gegneriſchem Fuße geſtanden und ihre Macht balancirt hatten, ſich zum Untergange des Eindringlings verſchworen. Kam- merherr von Wangenheim und Hofprediger St. Aubin *) ſchloſſen Frieden, entlarvten den immer mächtiger werdenden Frei- herrn als eine Kreatur des Schwedter Markgrafen und ſtürzten ihn auf der Stelle. Kammerherr von Wangenheim, von dem eigenes hervorgehoben wird, daß er ein ſehr ſtarker Mann geweſen, übernahm zu größerer Sicherheit die Executive ſeiner eigenen Maß- regeln und ſchaffte den geſtürzten Nebenbuhler bis vor das Portal des Schloſſes. So lebte man damals in Schloß Cöpenick. Klein und be deutungslos vergingen die Tage, die ſelbſt in der überkommenen Ausſtattung und Einrichtung nicht das Geringſte geändert zu ha- ben ſcheinen. Wie konnten ſie auch! Der prinzeßliche Hof zu Cöpenick war ein bloßes Filial des markgräflichen Hofes zu Schwedt, der doch ſeinerſeits auch nur wieder ein Filial, eine bedeutungs- loſe Abzweigung des Berlin-Potsdamſchen Hofes war. *) Hofprediger St. Aubin erhielt von der Prinzeſſin die kleine reizende, dicht bei Cöpenick gelegene Beſitzung als Geſchenk, die den Namen „Bellevue“ führt. Dies Bellevue iſt ein Garten mitten im märkiſchen Sand, eine Oaſe in mehr als einer Beziehung. Mr. St. Aubin erbaute ſich daſelbſt ein Herrenhaus, ein „Schlößchen“ mit Speiſehalle und Gartenſaal, mit Bibliothek und Empfangszimmern. Es wechſelte oft die Beſitzer. Um 1850 beſaß es Bernhard von Lepel, der hier, in poetiſcher Zurückgezogenheit, einige ſeiner beſten Sachen dichtete, z. B. „die Zauberin Kirke“. 1852 war „Bellevue“ der Sommeraufenthalt Franz Kuglers und Paul Heyſe’s. Einige Jahre ſpäter ging es in den Beſitz des Paſtor Pabſt über, der, früher Geſandt- ſchaftsprediger in Rom, zu dem Bonmot Veranlaſſung gab „in Rom ſeien jetzt zwei Päbſte“. Comfort, Kunſt und Dichtung waren immer an dieſer Stelle zu Haus und niemand gewann Hausrecht hier, der nicht zuvor in Rom ge- weſen war. Ich ſelbſt habe die Zimmer des Schlößchens nie anders geſehen als im Schmuck italieniſcher Bilder, und oft lagen mehr Pinienäpfel auf den Schränken und Kommoden des Gartenſaals umher, als Tannäpfel in den Steigen des Gartens draußen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/116>, abgerufen am 24.11.2024.