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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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hörte alles und flüsterte der Gießerin zu: "Du solltest bei Seite
gehn." Seitdem mied sie die öffentlichen Feste.

In diesem Jagdschlosse zu Cöpenick starb Joachim II. am
3. Januar 1571. Eine Wolfsjagd sollte abgehalten werden, trotz
der bittren Kälte die herrschte, und der fünfundsechzigjährige
Joachim freute sich noch einmal des edlen Waidwerks, dran zeit-
lebens sein Herz gehangen hatte. Gegen Abend kehrte er aus den
Müggelsee-Forsten nach Schloß Cöpenick zurück und versammelte
seine Räthe und Diener um sich her. Distelmeier der Kanzler
Mathias von Saldern, Albrecht von Thümen, der General-
Superintendent Musculus, alle waren zugegen. Man setzte sich
zu Tisch und speis'te in christlicher Fröhlichkeit. Der Diskurs ging
bald von geistlichen Dingen und der Page wurde beauftragt,
Dr. Lutheri Predigt über die Weissagung des alten Simeon
vorzulesen. Nach der Vorlesung wurde viel von Christi Tod und
Auferstehung gesprochen, von seiner großen Liebe und seinen bittren
Leiden; dabei zeichnete der Kurfürst ein Crucifix auf den Tisch,
betrachtete es andächtiglich und ging dann zu Bett. Als er einige
Stunden geruht, überfiel ihn eine Pressung auf der Brust, mit
einer starken Ohnmacht. Der Kanzler und die Räthe wurden
geweckt, aber das Uebel wuchs rasch und nach einigen Minuten
verschied der Kurfürst mit den Worten: "das ist gewißlich wahr."*)

*) Nicht im Schlosse zu Cöpenick, aber freilich nur eine halbe Meile da-
von entfernt, in unmittelbarer Nähe des reizend gelegenen Dörfchens Grünau,
starb am 18. Juli 1608 der Enkel Joachims II., Kurfürst Joachim Friedrich,
derselbe, dem die Marken die Gründung des Joachimsthal'schen Gymnasiums
verdanken. Er kam von Storkow und war auf dem Wege nach Berlin, als
ihn der Tod im Wagen überraschte. An der Stelle, wo er muthmaßlich ge-
storben ist, hat man jetzt ein einfaches, aber eigenthümliches Denkmal errichtet.
Es ist ein Steinbau, eine Art offner Grabkapelle, deren auf vier Pfeilern
ruhendes Dach sich über einem Grabstein wölbt. Zu Häupten dieses Steins,
in der einen Schmalwand der Kapelle (die beiden Breitseiten sind offen und
haben nur ein Gitter) befindet sich ein gußeisernes Kreuz, das einen Kurhut
und darunter die wenigen Worte trägt: "Hier starb den 18. Juli 1608
Joachim Friedrich, Kurfürst von Brandenburg." Der Anblick des Denkmals,
namentlich um die Sommerzeit, wenn man durch den offenen Rundbogen
hindurch die jungen Eichen grünen sieht, die das Kapellchen umstehn, ist über-
aus reizend und malerisch.

hörte alles und flüſterte der Gießerin zu: „Du ſollteſt bei Seite
gehn.“ Seitdem mied ſie die öffentlichen Feſte.

In dieſem Jagdſchloſſe zu Cöpenick ſtarb Joachim II. am
3. Januar 1571. Eine Wolfsjagd ſollte abgehalten werden, trotz
der bittren Kälte die herrſchte, und der fünfundſechzigjährige
Joachim freute ſich noch einmal des edlen Waidwerks, dran zeit-
lebens ſein Herz gehangen hatte. Gegen Abend kehrte er aus den
Müggelſee-Forſten nach Schloß Cöpenick zurück und verſammelte
ſeine Räthe und Diener um ſich her. Diſtelmeier der Kanzler
Mathias von Saldern, Albrecht von Thümen, der General-
Superintendent Musculus, alle waren zugegen. Man ſetzte ſich
zu Tiſch und ſpeiſ’te in chriſtlicher Fröhlichkeit. Der Diskurs ging
bald von geiſtlichen Dingen und der Page wurde beauftragt,
Dr. Lutheri Predigt über die Weiſſagung des alten Simeon
vorzuleſen. Nach der Vorleſung wurde viel von Chriſti Tod und
Auferſtehung geſprochen, von ſeiner großen Liebe und ſeinen bittren
Leiden; dabei zeichnete der Kurfürſt ein Crucifix auf den Tiſch,
betrachtete es andächtiglich und ging dann zu Bett. Als er einige
Stunden geruht, überfiel ihn eine Preſſung auf der Bruſt, mit
einer ſtarken Ohnmacht. Der Kanzler und die Räthe wurden
geweckt, aber das Uebel wuchs raſch und nach einigen Minuten
verſchied der Kurfürſt mit den Worten: „das iſt gewißlich wahr.“*)

*) Nicht im Schloſſe zu Cöpenick, aber freilich nur eine halbe Meile da-
von entfernt, in unmittelbarer Nähe des reizend gelegenen Dörfchens Grünau,
ſtarb am 18. Juli 1608 der Enkel Joachims II., Kurfürſt Joachim Friedrich,
derſelbe, dem die Marken die Gründung des Joachimsthal’ſchen Gymnaſiums
verdanken. Er kam von Storkow und war auf dem Wege nach Berlin, als
ihn der Tod im Wagen überraſchte. An der Stelle, wo er muthmaßlich ge-
ſtorben iſt, hat man jetzt ein einfaches, aber eigenthümliches Denkmal errichtet.
Es iſt ein Steinbau, eine Art offner Grabkapelle, deren auf vier Pfeilern
ruhendes Dach ſich über einem Grabſtein wölbt. Zu Häupten dieſes Steins,
in der einen Schmalwand der Kapelle (die beiden Breitſeiten ſind offen und
haben nur ein Gitter) befindet ſich ein gußeiſernes Kreuz, das einen Kurhut
und darunter die wenigen Worte trägt: „Hier ſtarb den 18. Juli 1608
Joachim Friedrich, Kurfürſt von Brandenburg.“ Der Anblick des Denkmals,
namentlich um die Sommerzeit, wenn man durch den offenen Rundbogen
hindurch die jungen Eichen grünen ſieht, die das Kapellchen umſtehn, iſt über-
aus reizend und maleriſch.
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[91/0107] hörte alles und flüſterte der Gießerin zu: „Du ſollteſt bei Seite gehn.“ Seitdem mied ſie die öffentlichen Feſte. In dieſem Jagdſchloſſe zu Cöpenick ſtarb Joachim II. am 3. Januar 1571. Eine Wolfsjagd ſollte abgehalten werden, trotz der bittren Kälte die herrſchte, und der fünfundſechzigjährige Joachim freute ſich noch einmal des edlen Waidwerks, dran zeit- lebens ſein Herz gehangen hatte. Gegen Abend kehrte er aus den Müggelſee-Forſten nach Schloß Cöpenick zurück und verſammelte ſeine Räthe und Diener um ſich her. Diſtelmeier der Kanzler Mathias von Saldern, Albrecht von Thümen, der General- Superintendent Musculus, alle waren zugegen. Man ſetzte ſich zu Tiſch und ſpeiſ’te in chriſtlicher Fröhlichkeit. Der Diskurs ging bald von geiſtlichen Dingen und der Page wurde beauftragt, Dr. Lutheri Predigt über die Weiſſagung des alten Simeon vorzuleſen. Nach der Vorleſung wurde viel von Chriſti Tod und Auferſtehung geſprochen, von ſeiner großen Liebe und ſeinen bittren Leiden; dabei zeichnete der Kurfürſt ein Crucifix auf den Tiſch, betrachtete es andächtiglich und ging dann zu Bett. Als er einige Stunden geruht, überfiel ihn eine Preſſung auf der Bruſt, mit einer ſtarken Ohnmacht. Der Kanzler und die Räthe wurden geweckt, aber das Uebel wuchs raſch und nach einigen Minuten verſchied der Kurfürſt mit den Worten: „das iſt gewißlich wahr.“ *) *) Nicht im Schloſſe zu Cöpenick, aber freilich nur eine halbe Meile da- von entfernt, in unmittelbarer Nähe des reizend gelegenen Dörfchens Grünau, ſtarb am 18. Juli 1608 der Enkel Joachims II., Kurfürſt Joachim Friedrich, derſelbe, dem die Marken die Gründung des Joachimsthal’ſchen Gymnaſiums verdanken. Er kam von Storkow und war auf dem Wege nach Berlin, als ihn der Tod im Wagen überraſchte. An der Stelle, wo er muthmaßlich ge- ſtorben iſt, hat man jetzt ein einfaches, aber eigenthümliches Denkmal errichtet. Es iſt ein Steinbau, eine Art offner Grabkapelle, deren auf vier Pfeilern ruhendes Dach ſich über einem Grabſtein wölbt. Zu Häupten dieſes Steins, in der einen Schmalwand der Kapelle (die beiden Breitſeiten ſind offen und haben nur ein Gitter) befindet ſich ein gußeiſernes Kreuz, das einen Kurhut und darunter die wenigen Worte trägt: „Hier ſtarb den 18. Juli 1608 Joachim Friedrich, Kurfürſt von Brandenburg.“ Der Anblick des Denkmals, namentlich um die Sommerzeit, wenn man durch den offenen Rundbogen hindurch die jungen Eichen grünen ſieht, die das Kapellchen umſtehn, iſt über- aus reizend und maleriſch.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/107>, abgerufen am 24.11.2024.