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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Ich kehre, nach dieser Excursion in die Eibenwelt im All-
gemeinen, zu unserer Eibe im Besonderen, im Herrenhausgarten,
zurück.

Auch an ihr gingen diese "zehn Jahre preußischer Geschichte"
nicht unbeachtet vorüber, ja einen der schönsten Tage feierte sie
mit. Noch wichtiger, sie bereitete der Feier die Stätte: unter
ihrem Dache gab am 20. September 1866 das Herrenhaus dem
siegreich heimkehrenden Heere ein Festmahl. Der König saß
unmittelbar rechts neben dem Eibenstamm und sah den Mittel-
gang des Gartens hinunter. Das Schrägdach des Leinwand-
zeltes war in geschickten Verschlingungen, streifenweise, durch
das Gezweig der Eibe gezogen; rings umher brannte das Gas
in Sonnen und Sternen, ein Anblick, von dem der alte Baum
in seinen Jugendtagen schwerlich geträumt haben mochte. Als
das Fest auf seiner Höhe war, erhob sich Graf Eberhard Stol-
berg zu einer Ansprache, begrüßte den König und schloß dann
prophetisch fast: "und sollten Euer Majestät noch einmal zu
den Waffen rufen, so wird Ihr Volk, wie es jetzt für seinen
König geblutet und gesiegt hat, neue Thaten mit eisernem
Griffel in das Buch unserer glorreichen Geschichte schreiben."
Der König antwortete: ".... Sie wissen nicht wie schwer es
einem Fürsten wird, das Wort "Krieg" auszusprechen. Es
war ein gewagter Krieg... Die Armee hat alle meine Erwar-
tungen übertroffen... Ich nehme gern die Gelegenheit wahr,
derselben meinen Dank zu sagen; zuerst Meinem Sohne, hier
zu meiner Rechten, Meinem Neffen Friedrich Karl, den comman-
direnden Generalen, unter denen ich einen schmerzlich ver-
misse. (Wahrscheinlich Hiller v. Gärtringen.) Auch Ihnen
Graf Stolberg."

Das war im Herbst 1866. Dem siegreichen Kriege, als
eigentlichste Schöpfung desselben, folgte, das Jahr darauf, der
"norddeutsche Reichstag", der, von 1867 bis 1870 in
den Räumen des Herrenhauses tagend, nun auch seinerseits in
Beziehungen zu unserem alten Eibenbaume trat. In die heiter-
sten. Die Debatten-Flüchtlinge, so oft es das Wetter erlaubte,

Ich kehre, nach dieſer Excurſion in die Eibenwelt im All-
gemeinen, zu unſerer Eibe im Beſonderen, im Herrenhausgarten,
zurück.

Auch an ihr gingen dieſe „zehn Jahre preußiſcher Geſchichte“
nicht unbeachtet vorüber, ja einen der ſchönſten Tage feierte ſie
mit. Noch wichtiger, ſie bereitete der Feier die Stätte: unter
ihrem Dache gab am 20. September 1866 das Herrenhaus dem
ſiegreich heimkehrenden Heere ein Feſtmahl. Der König ſaß
unmittelbar rechts neben dem Eibenſtamm und ſah den Mittel-
gang des Gartens hinunter. Das Schrägdach des Leinwand-
zeltes war in geſchickten Verſchlingungen, ſtreifenweiſe, durch
das Gezweig der Eibe gezogen; rings umher brannte das Gas
in Sonnen und Sternen, ein Anblick, von dem der alte Baum
in ſeinen Jugendtagen ſchwerlich geträumt haben mochte. Als
das Feſt auf ſeiner Höhe war, erhob ſich Graf Eberhard Stol-
berg zu einer Anſprache, begrüßte den König und ſchloß dann
prophetiſch faſt: „und ſollten Euer Majeſtät noch einmal zu
den Waffen rufen, ſo wird Ihr Volk, wie es jetzt für ſeinen
König geblutet und geſiegt hat, neue Thaten mit eiſernem
Griffel in das Buch unſerer glorreichen Geſchichte ſchreiben.“
Der König antwortete: „.... Sie wiſſen nicht wie ſchwer es
einem Fürſten wird, das Wort „Krieg“ auszuſprechen. Es
war ein gewagter Krieg… Die Armee hat alle meine Erwar-
tungen übertroffen… Ich nehme gern die Gelegenheit wahr,
derſelben meinen Dank zu ſagen; zuerſt Meinem Sohne, hier
zu meiner Rechten, Meinem Neffen Friedrich Karl, den comman-
direnden Generalen, unter denen ich einen ſchmerzlich ver-
miſſe. (Wahrſcheinlich Hiller v. Gärtringen.) Auch Ihnen
Graf Stolberg.“

Das war im Herbſt 1866. Dem ſiegreichen Kriege, als
eigentlichſte Schöpfung deſſelben, folgte, das Jahr darauf, der
„norddeutſche Reichstag“, der, von 1867 bis 1870 in
den Räumen des Herrenhauſes tagend, nun auch ſeinerſeits in
Beziehungen zu unſerem alten Eibenbaume trat. In die heiter-
ſten. Die Debatten-Flüchtlinge, ſo oft es das Wetter erlaubte,

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[63/0081] Ich kehre, nach dieſer Excurſion in die Eibenwelt im All- gemeinen, zu unſerer Eibe im Beſonderen, im Herrenhausgarten, zurück. Auch an ihr gingen dieſe „zehn Jahre preußiſcher Geſchichte“ nicht unbeachtet vorüber, ja einen der ſchönſten Tage feierte ſie mit. Noch wichtiger, ſie bereitete der Feier die Stätte: unter ihrem Dache gab am 20. September 1866 das Herrenhaus dem ſiegreich heimkehrenden Heere ein Feſtmahl. Der König ſaß unmittelbar rechts neben dem Eibenſtamm und ſah den Mittel- gang des Gartens hinunter. Das Schrägdach des Leinwand- zeltes war in geſchickten Verſchlingungen, ſtreifenweiſe, durch das Gezweig der Eibe gezogen; rings umher brannte das Gas in Sonnen und Sternen, ein Anblick, von dem der alte Baum in ſeinen Jugendtagen ſchwerlich geträumt haben mochte. Als das Feſt auf ſeiner Höhe war, erhob ſich Graf Eberhard Stol- berg zu einer Anſprache, begrüßte den König und ſchloß dann prophetiſch faſt: „und ſollten Euer Majeſtät noch einmal zu den Waffen rufen, ſo wird Ihr Volk, wie es jetzt für ſeinen König geblutet und geſiegt hat, neue Thaten mit eiſernem Griffel in das Buch unſerer glorreichen Geſchichte ſchreiben.“ Der König antwortete: „.... Sie wiſſen nicht wie ſchwer es einem Fürſten wird, das Wort „Krieg“ auszuſprechen. Es war ein gewagter Krieg… Die Armee hat alle meine Erwar- tungen übertroffen… Ich nehme gern die Gelegenheit wahr, derſelben meinen Dank zu ſagen; zuerſt Meinem Sohne, hier zu meiner Rechten, Meinem Neffen Friedrich Karl, den comman- direnden Generalen, unter denen ich einen ſchmerzlich ver- miſſe. (Wahrſcheinlich Hiller v. Gärtringen.) Auch Ihnen Graf Stolberg.“ Das war im Herbſt 1866. Dem ſiegreichen Kriege, als eigentlichſte Schöpfung deſſelben, folgte, das Jahr darauf, der „norddeutſche Reichstag“, der, von 1867 bis 1870 in den Räumen des Herrenhauſes tagend, nun auch ſeinerſeits in Beziehungen zu unſerem alten Eibenbaume trat. In die heiter- ſten. Die Debatten-Flüchtlinge, ſo oft es das Wetter erlaubte,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/81>, abgerufen am 26.11.2024.