ruhig weggeführt und die Einweihungsfeier unter grünem Dach und zwitschernden Vögeln gehalten; aber der alte Eibenbaum im Sitzungssaale des Herrenhauses, -- das ging doch nicht. Man kam also auf die Idee einer Verpflanzung. Der König bot Sanssouci, der Prinz von Preußen Babelsberg zu diesem Be- hufe an. Wer wäre nicht bereit gewesen, dem Alten eine Stätte zu bereiten. Consultationen wurden abgehalten und die Frage aufgeworfen, "ob es wohl ginge"; aber selbst die geschicktesten Operateure der Gartenkunst mochten keine Garantie des Gelingens übernehmen. So wurde denn der Plan einer "Verpflanzung im Großen" aufgegeben und statt dessen die Idee einer Ver- schiebung, einer Verpflanzung im Kleinen aufgenommen. Man wollte den Baum loslösen, den Garten abschrägen und nun den losgelösten Baum, mit Hülfe der Schrägung, bis mitten in den Garten hineinschieben. Aber auch diese Procedur wurde, als zu bedenklich, ad acta gelegt und endlich beschlossen, den Baum am alten Platze zu lassen. Da unser Freund nicht in der Lage war, sich den Baumeistern zu bequemen, so blieb diesen nichts übrig, als ihrerseits nachzugeben und die Mauer des zu bauen- den Hauses an dem Baume entlang zu ziehen. Man hat ihm die Mauer empfindlich nahe gerückt, aber der Alte, über Aerger und Rancune längst weg, reicht ruhig seine Zweige zum Fenster hinein -- ein Gruß, keine Drohung.
Seine Erlebnisse indeß, auch seine Gefährdungen während der Bauzeit sind hiermit noch nicht zu Ende erzählt. Während des Baues (so hatte es der hohe Fürsprecher gewollt) war der Baum mit einem Brettergerüst umkleidet worden, in dem er ziemlich geborgen stand, eine Art Verschlag, der die hübsche Summe von 300 Thalern gekostet hatte. Der Freund in Sans- souci gab es gern für seinen Freund im Reckeschen Garten. Der Vorschlag war gut gemeint und that auch seine Dienste; aber er that sie doch nicht ganz. Mauerstaub und Berliner Staub dringen überall hin; sie finden den feinsten Spalt aus, wie Luft und Licht. Als endlich das Haus stand und mit dem Baugerüst zugleich auch der Verschlag des Baumes fiel, da ging
ruhig weggeführt und die Einweihungsfeier unter grünem Dach und zwitſchernden Vögeln gehalten; aber der alte Eibenbaum im Sitzungsſaale des Herrenhauſes, — das ging doch nicht. Man kam alſo auf die Idee einer Verpflanzung. Der König bot Sansſouci, der Prinz von Preußen Babelsberg zu dieſem Be- hufe an. Wer wäre nicht bereit geweſen, dem Alten eine Stätte zu bereiten. Conſultationen wurden abgehalten und die Frage aufgeworfen, „ob es wohl ginge“; aber ſelbſt die geſchickteſten Operateure der Gartenkunſt mochten keine Garantie des Gelingens übernehmen. So wurde denn der Plan einer „Verpflanzung im Großen“ aufgegeben und ſtatt deſſen die Idee einer Ver- ſchiebung, einer Verpflanzung im Kleinen aufgenommen. Man wollte den Baum loslöſen, den Garten abſchrägen und nun den losgelöſten Baum, mit Hülfe der Schrägung, bis mitten in den Garten hineinſchieben. Aber auch dieſe Procedur wurde, als zu bedenklich, ad acta gelegt und endlich beſchloſſen, den Baum am alten Platze zu laſſen. Da unſer Freund nicht in der Lage war, ſich den Baumeiſtern zu bequemen, ſo blieb dieſen nichts übrig, als ihrerſeits nachzugeben und die Mauer des zu bauen- den Hauſes an dem Baume entlang zu ziehen. Man hat ihm die Mauer empfindlich nahe gerückt, aber der Alte, über Aerger und Rancune längſt weg, reicht ruhig ſeine Zweige zum Fenſter hinein — ein Gruß, keine Drohung.
Seine Erlebniſſe indeß, auch ſeine Gefährdungen während der Bauzeit ſind hiermit noch nicht zu Ende erzählt. Während des Baues (ſo hatte es der hohe Fürſprecher gewollt) war der Baum mit einem Brettergerüſt umkleidet worden, in dem er ziemlich geborgen ſtand, eine Art Verſchlag, der die hübſche Summe von 300 Thalern gekoſtet hatte. Der Freund in Sans- ſouci gab es gern für ſeinen Freund im Reckeſchen Garten. Der Vorſchlag war gut gemeint und that auch ſeine Dienſte; aber er that ſie doch nicht ganz. Mauerſtaub und Berliner Staub dringen überall hin; ſie finden den feinſten Spalt aus, wie Luft und Licht. Als endlich das Haus ſtand und mit dem Baugerüſt zugleich auch der Verſchlag des Baumes fiel, da ging
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ruhig weggeführt und die Einweihungsfeier unter grünem Dach
und zwitſchernden Vögeln gehalten; aber der alte Eibenbaum im
Sitzungsſaale des Herrenhauſes, — das ging doch nicht. Man
kam alſo auf die Idee einer Verpflanzung. Der König bot
Sansſouci, der Prinz von Preußen Babelsberg zu dieſem Be-
hufe an. Wer wäre nicht bereit geweſen, dem Alten eine Stätte
zu bereiten. Conſultationen wurden abgehalten und die Frage
aufgeworfen, „ob es wohl ginge“; aber ſelbſt die geſchickteſten
Operateure der Gartenkunſt mochten keine Garantie des Gelingens
übernehmen. So wurde denn der Plan einer „Verpflanzung
im Großen“ aufgegeben und ſtatt deſſen die Idee einer Ver-
ſchiebung, einer Verpflanzung im Kleinen aufgenommen. Man
wollte den Baum loslöſen, den Garten abſchrägen und nun den
losgelöſten Baum, mit Hülfe der Schrägung, bis mitten in den
Garten hineinſchieben. Aber auch dieſe Procedur wurde, als
zu bedenklich, ad acta gelegt und endlich beſchloſſen, den Baum
am alten Platze zu laſſen. Da unſer Freund nicht in der Lage
war, ſich den Baumeiſtern zu bequemen, ſo blieb dieſen nichts
übrig, als ihrerſeits nachzugeben und die Mauer des zu bauen-
den Hauſes an dem Baume entlang zu ziehen. Man hat ihm
die Mauer empfindlich nahe gerückt, aber der Alte, über Aerger
und Rancune längſt weg, reicht ruhig ſeine Zweige zum Fenſter
hinein — ein Gruß, keine Drohung.
Seine Erlebniſſe indeß, auch ſeine Gefährdungen während
der Bauzeit ſind hiermit noch nicht zu Ende erzählt. Während
des Baues (ſo hatte es der hohe Fürſprecher gewollt) war der
Baum mit einem Brettergerüſt umkleidet worden, in dem er
ziemlich geborgen ſtand, eine Art Verſchlag, der die hübſche
Summe von 300 Thalern gekoſtet hatte. Der Freund in Sans-
ſouci gab es gern für ſeinen Freund im Reckeſchen Garten.
Der Vorſchlag war gut gemeint und that auch ſeine Dienſte;
aber er that ſie doch nicht ganz. Mauerſtaub und Berliner
Staub dringen überall hin; ſie finden den feinſten Spalt aus,
wie Luft und Licht. Als endlich das Haus ſtand und mit dem
Baugerüſt zugleich auch der Verſchlag des Baumes fiel, da ging
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/76>, abgerufen am 25.11.2024.
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