M. W. Heffter in seiner trefflichen Geschichte Brandenburgs stellt sogar die Hypothese auf, daß aus diesem alten heidnischen Tempelbau, zunächst ohne wesentliche Umgestaltung, die später so berühmt gewordene Marienkirche auf dem Harlunger-Berge hervorgegangen sei. Wir halten dies für wahrscheinlicher als nicht, finden indessen den Beweis dafür weniger in der eigenthümlichen, in allem Wesentlichen aber doch immer noch byzantinischen For- mengebung dieser Kirche, als in dem historisch nachgewiesenen Umstande, daß sich unter den märkischen Wenden der Uebergang aus dem Heidenthum ins Christenthum im Wesentlichen ruhig vollzogen zu haben scheint, so ruhig etwa wie 400 Jahre später der Uebergang aus dem Katholicismus in den Protestantismus. Der Fürst (Pribislaw) wurde Christ; das Volk folgte, theilwei- se widerwillig, aber doch vielfach auch willig und zwanglos. Man hatte sich bereits mit und nebeneinander eingelebt, und der bloße Umstand, daß das gestürzte Bild des Triglaff nicht verbrannt oder zerstört, vielmehr, allen bekannt und allen zu- gänglich, bis 1526 in einer Seitenkapelle der Marienkirche auf- bewahrt wurde (in welchem Jahre Christian II. von Dänemark es unter Zulassung Joachim's I. mit fortnehmen durfte), deu- tet darauf hin, daß die innere Wandlung der Gemüther sich friedfertig genug vollzogen und der Christengott den Wenden- gott ruhig bei Seite gedrängt hatte. Diese Umwandlung des Triglaff-Tempels in eine Marienkirche erfolgte zwischen 1136 und 41; sechshundert Jahre hat vom Harlunger-Berge aus die berühmte Marienkirche in's Land gesehen. Ihre Entstehung bezeichnete den endlichen Sieg des Christenthums über das Hei- denthum im Lande zwischen Elbe und Oder. Auf der Stätte des Triglaff-Tempels ging ein neues Leben auf, und der drei- einige Gott sprach hinfort statt des dreiköpfigen Gottes zu sei- nem Volke.
beschreiben hören. (Allerdings ist diese Angabe kein Beweis, daß das "Templein" wirklich heidnisch gewesen sei. Das Kreuzgewölbe spricht sehr dagegen. Als man hier Landes Kreuzgewölbe baute, war es mit dem Wendenthum schon vorbei.)
M. W. Heffter in ſeiner trefflichen Geſchichte Brandenburgs ſtellt ſogar die Hypotheſe auf, daß aus dieſem alten heidniſchen Tempelbau, zunächſt ohne weſentliche Umgeſtaltung, die ſpäter ſo berühmt gewordene Marienkirche auf dem Harlunger-Berge hervorgegangen ſei. Wir halten dies für wahrſcheinlicher als nicht, finden indeſſen den Beweis dafür weniger in der eigenthümlichen, in allem Weſentlichen aber doch immer noch byzantiniſchen For- mengebung dieſer Kirche, als in dem hiſtoriſch nachgewieſenen Umſtande, daß ſich unter den märkiſchen Wenden der Uebergang aus dem Heidenthum ins Chriſtenthum im Weſentlichen ruhig vollzogen zu haben ſcheint, ſo ruhig etwa wie 400 Jahre ſpäter der Uebergang aus dem Katholicismus in den Proteſtantismus. Der Fürſt (Pribislaw) wurde Chriſt; das Volk folgte, theilwei- ſe widerwillig, aber doch vielfach auch willig und zwanglos. Man hatte ſich bereits mit und nebeneinander eingelebt, und der bloße Umſtand, daß das geſtürzte Bild des Triglaff nicht verbrannt oder zerſtört, vielmehr, allen bekannt und allen zu- gänglich, bis 1526 in einer Seitenkapelle der Marienkirche auf- bewahrt wurde (in welchem Jahre Chriſtian II. von Dänemark es unter Zulaſſung Joachim’s I. mit fortnehmen durfte), deu- tet darauf hin, daß die innere Wandlung der Gemüther ſich friedfertig genug vollzogen und der Chriſtengott den Wenden- gott ruhig bei Seite gedrängt hatte. Dieſe Umwandlung des Triglaff-Tempels in eine Marienkirche erfolgte zwiſchen 1136 und 41; ſechshundert Jahre hat vom Harlunger-Berge aus die berühmte Marienkirche in’s Land geſehen. Ihre Entſtehung bezeichnete den endlichen Sieg des Chriſtenthums über das Hei- denthum im Lande zwiſchen Elbe und Oder. Auf der Stätte des Triglaff-Tempels ging ein neues Leben auf, und der drei- einige Gott ſprach hinfort ſtatt des dreiköpfigen Gottes zu ſei- nem Volke.
beſchreiben hören. (Allerdings iſt dieſe Angabe kein Beweis, daß das „Templein“ wirklich heidniſch geweſen ſei. Das Kreuzgewölbe ſpricht ſehr dagegen. Als man hier Landes Kreuzgewölbe baute, war es mit dem Wendenthum ſchon vorbei.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0048"n="30"/>
M. W. <hirendition="#g">Heffter</hi> in ſeiner trefflichen Geſchichte Brandenburgs<lb/>ſtellt ſogar die Hypotheſe auf, daß aus dieſem alten heidniſchen<lb/>
Tempelbau, zunächſt ohne weſentliche Umgeſtaltung, die ſpäter<lb/>ſo berühmt gewordene Marienkirche auf dem Harlunger-Berge<lb/>
hervorgegangen ſei. Wir halten dies für wahrſcheinlicher als nicht,<lb/>
finden indeſſen den Beweis dafür weniger in der eigenthümlichen,<lb/>
in allem Weſentlichen aber doch immer noch byzantiniſchen For-<lb/>
mengebung dieſer Kirche, als in dem hiſtoriſch nachgewieſenen<lb/>
Umſtande, daß ſich unter den märkiſchen Wenden der Uebergang<lb/>
aus dem Heidenthum ins Chriſtenthum im Weſentlichen <hirendition="#g">ruhig</hi><lb/>
vollzogen zu haben ſcheint, ſo ruhig etwa wie 400 Jahre ſpäter<lb/>
der Uebergang aus dem Katholicismus in den Proteſtantismus.<lb/>
Der Fürſt (Pribislaw) wurde Chriſt; das Volk folgte, theilwei-<lb/>ſe widerwillig, aber doch vielfach auch willig und zwanglos.<lb/>
Man hatte ſich bereits mit und nebeneinander eingelebt, und<lb/>
der bloße Umſtand, daß das geſtürzte Bild des Triglaff nicht<lb/>
verbrannt oder zerſtört, vielmehr, allen bekannt und allen zu-<lb/>
gänglich, bis 1526 in einer Seitenkapelle der Marienkirche auf-<lb/>
bewahrt wurde (in welchem Jahre Chriſtian <hirendition="#aq">II.</hi> von Dänemark<lb/>
es unter Zulaſſung Joachim’s <hirendition="#aq">I.</hi> mit fortnehmen durfte), deu-<lb/>
tet darauf hin, daß die innere Wandlung der Gemüther ſich<lb/>
friedfertig genug vollzogen und der Chriſtengott den Wenden-<lb/>
gott ruhig bei Seite gedrängt hatte. Dieſe Umwandlung des<lb/>
Triglaff-Tempels in eine Marienkirche erfolgte zwiſchen 1136<lb/>
und 41; ſechshundert Jahre hat vom Harlunger-Berge aus die<lb/>
berühmte Marienkirche in’s Land geſehen. Ihre Entſtehung<lb/>
bezeichnete den endlichen Sieg des Chriſtenthums über das Hei-<lb/>
denthum im Lande zwiſchen Elbe und Oder. Auf der Stätte<lb/>
des Triglaff-Tempels ging ein neues Leben auf, und der drei-<lb/>
einige Gott ſprach hinfort ſtatt des dreiköpfigen Gottes zu ſei-<lb/>
nem Volke.</p><lb/><notexml:id="note-0048"prev="#note-0047"place="foot"n="*)"><hirendition="#g">beſchreiben hören</hi>. (Allerdings iſt dieſe Angabe kein Beweis, daß<lb/>
das „Templein“ wirklich heidniſch geweſen ſei. Das Kreuzgewölbe<lb/>ſpricht ſehr dagegen. Als man hier Landes Kreuzgewölbe baute, war<lb/>
es mit dem Wendenthum ſchon vorbei.)</note><lb/></div></div></body></text></TEI>
[30/0048]
M. W. Heffter in ſeiner trefflichen Geſchichte Brandenburgs
ſtellt ſogar die Hypotheſe auf, daß aus dieſem alten heidniſchen
Tempelbau, zunächſt ohne weſentliche Umgeſtaltung, die ſpäter
ſo berühmt gewordene Marienkirche auf dem Harlunger-Berge
hervorgegangen ſei. Wir halten dies für wahrſcheinlicher als nicht,
finden indeſſen den Beweis dafür weniger in der eigenthümlichen,
in allem Weſentlichen aber doch immer noch byzantiniſchen For-
mengebung dieſer Kirche, als in dem hiſtoriſch nachgewieſenen
Umſtande, daß ſich unter den märkiſchen Wenden der Uebergang
aus dem Heidenthum ins Chriſtenthum im Weſentlichen ruhig
vollzogen zu haben ſcheint, ſo ruhig etwa wie 400 Jahre ſpäter
der Uebergang aus dem Katholicismus in den Proteſtantismus.
Der Fürſt (Pribislaw) wurde Chriſt; das Volk folgte, theilwei-
ſe widerwillig, aber doch vielfach auch willig und zwanglos.
Man hatte ſich bereits mit und nebeneinander eingelebt, und
der bloße Umſtand, daß das geſtürzte Bild des Triglaff nicht
verbrannt oder zerſtört, vielmehr, allen bekannt und allen zu-
gänglich, bis 1526 in einer Seitenkapelle der Marienkirche auf-
bewahrt wurde (in welchem Jahre Chriſtian II. von Dänemark
es unter Zulaſſung Joachim’s I. mit fortnehmen durfte), deu-
tet darauf hin, daß die innere Wandlung der Gemüther ſich
friedfertig genug vollzogen und der Chriſtengott den Wenden-
gott ruhig bei Seite gedrängt hatte. Dieſe Umwandlung des
Triglaff-Tempels in eine Marienkirche erfolgte zwiſchen 1136
und 41; ſechshundert Jahre hat vom Harlunger-Berge aus die
berühmte Marienkirche in’s Land geſehen. Ihre Entſtehung
bezeichnete den endlichen Sieg des Chriſtenthums über das Hei-
denthum im Lande zwiſchen Elbe und Oder. Auf der Stätte
des Triglaff-Tempels ging ein neues Leben auf, und der drei-
einige Gott ſprach hinfort ſtatt des dreiköpfigen Gottes zu ſei-
nem Volke.
*)
*) beſchreiben hören. (Allerdings iſt dieſe Angabe kein Beweis, daß
das „Templein“ wirklich heidniſch geweſen ſei. Das Kreuzgewölbe
ſpricht ſehr dagegen. Als man hier Landes Kreuzgewölbe baute, war
es mit dem Wendenthum ſchon vorbei.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/48>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.