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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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4.

Vor des Künstlerblickes Tiefe
Bleibt Natur nicht Hieroglyphe;
Und was sein wird und gewesen,
Weiß er aus dem Jetzt zu lesen.

Er liebte es, in Versen zu correspondiren, oder seinen Briefen kleine
Strophen beizuschließen. Derart war beispielsweise sein brieflicher Ver-
kehr mit Graf Blankensee und seiner Schwester Minna. Aus Vielem
geb ich nur eins, drei Strophen, die er, von Italien aus, mit einem
Oelblatt an seine Schwester sandte, als Erwiedrung auf einen Veil-
chenstrauß.

Für die holde Veilchengabe,
Schwester, nimm dies Friedensgrün.
Hoffnungsfarbe die ich habe
Daß auch mir einst Blumen blühn.
Dir schon gab sie frommer Glaube,
Und du spendest mild dein Gut;
Doch bei mir schwebt noch die Taube
Mit dem Zweige ob der Fluth.
Du bist friedlich schon gelandet
Wo der Bundesbogen steht.
Daß nicht meine Arche strandet
Schwester! wirke Dein Gebet.

Besonders ansprechend ist das folgende, das sich in seinem Nach-
lasse vorfand.

Geistige Wacht.
Ich sage die Todtenklage,
Ich sage sie alle Tage,
Ich sage sie jede Nacht
Am Königs-Sarkophage
In geistiger Ritterwacht.
Hab' ja in ernsten Tagen
Die Wehr der Wacht getragen
An meines Königs Thron;
Da hab' ich Recht, zu klagen
In alter Treue Ton.
O, würd' ich nun gerufen
Hinan die Himmelsstufen,
Wo seine Krone flammt,
Daß Gottes Gnaden schufen (schaffen möchten)
Mein höchstes Wächteramt.

Diese "Geistige Wacht" -- jedenfalls poetischer als die Wacht
am Rhein
-- ist ganz aus einer bestimmten politischen Situation

4.

Vor des Künſtlerblickes Tiefe
Bleibt Natur nicht Hieroglyphe;
Und was ſein wird und geweſen,
Weiß er aus dem Jetzt zu leſen.

Er liebte es, in Verſen zu correſpondiren, oder ſeinen Briefen kleine
Strophen beizuſchließen. Derart war beiſpielsweiſe ſein brieflicher Ver-
kehr mit Graf Blankenſee und ſeiner Schweſter Minna. Aus Vielem
geb ich nur eins, drei Strophen, die er, von Italien aus, mit einem
Oelblatt an ſeine Schweſter ſandte, als Erwiedrung auf einen Veil-
chenſtrauß.

Für die holde Veilchengabe,
Schweſter, nimm dies Friedensgrün.
Hoffnungsfarbe die ich habe
Daß auch mir einſt Blumen blühn.
Dir ſchon gab ſie frommer Glaube,
Und du ſpendeſt mild dein Gut;
Doch bei mir ſchwebt noch die Taube
Mit dem Zweige ob der Fluth.
Du biſt friedlich ſchon gelandet
Wo der Bundesbogen ſteht.
Daß nicht meine Arche ſtrandet
Schweſter! wirke Dein Gebet.

Beſonders anſprechend iſt das folgende, das ſich in ſeinem Nach-
laſſe vorfand.

Geiſtige Wacht.
Ich ſage die Todtenklage,
Ich ſage ſie alle Tage,
Ich ſage ſie jede Nacht
Am Königs-Sarkophage
In geiſtiger Ritterwacht.
Hab’ ja in ernſten Tagen
Die Wehr der Wacht getragen
An meines Königs Thron;
Da hab’ ich Recht, zu klagen
In alter Treue Ton.
O, würd’ ich nun gerufen
Hinan die Himmelsſtufen,
Wo ſeine Krone flammt,
Daß Gottes Gnaden ſchufen (ſchaffen möchten)
Mein höchſtes Wächteramt.

Dieſe „Geiſtige Wacht“ — jedenfalls poetiſcher als die Wacht
am Rhein
— iſt ganz aus einer beſtimmten politiſchen Situation

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[458/0476] 4. Vor des Künſtlerblickes Tiefe Bleibt Natur nicht Hieroglyphe; Und was ſein wird und geweſen, Weiß er aus dem Jetzt zu leſen. Er liebte es, in Verſen zu correſpondiren, oder ſeinen Briefen kleine Strophen beizuſchließen. Derart war beiſpielsweiſe ſein brieflicher Ver- kehr mit Graf Blankenſee und ſeiner Schweſter Minna. Aus Vielem geb ich nur eins, drei Strophen, die er, von Italien aus, mit einem Oelblatt an ſeine Schweſter ſandte, als Erwiedrung auf einen Veil- chenſtrauß. Für die holde Veilchengabe, Schweſter, nimm dies Friedensgrün. Hoffnungsfarbe die ich habe Daß auch mir einſt Blumen blühn. Dir ſchon gab ſie frommer Glaube, Und du ſpendeſt mild dein Gut; Doch bei mir ſchwebt noch die Taube Mit dem Zweige ob der Fluth. Du biſt friedlich ſchon gelandet Wo der Bundesbogen ſteht. Daß nicht meine Arche ſtrandet Schweſter! wirke Dein Gebet. Beſonders anſprechend iſt das folgende, das ſich in ſeinem Nach- laſſe vorfand. Geiſtige Wacht. Ich ſage die Todtenklage, Ich ſage ſie alle Tage, Ich ſage ſie jede Nacht Am Königs-Sarkophage In geiſtiger Ritterwacht. Hab’ ja in ernſten Tagen Die Wehr der Wacht getragen An meines Königs Thron; Da hab’ ich Recht, zu klagen In alter Treue Ton. O, würd’ ich nun gerufen Hinan die Himmelsſtufen, Wo ſeine Krone flammt, Daß Gottes Gnaden ſchufen (ſchaffen möchten) Mein höchſtes Wächteramt. Dieſe „Geiſtige Wacht“ — jedenfalls poetiſcher als die Wacht am Rhein — iſt ganz aus einer beſtimmten politiſchen Situation

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/476>, abgerufen am 09.11.2024.