Den 27. ging das ganze Regiment nach Züllichau, wo wir um 11 Uhr anlangten. Mir wurde Quartier gegeben beym Bürgermeister Segenitz, dessen Ehefrau eine Schwester von dem unglücklichen zu Berlin ausgestäupten Geheimen Rath Wilken war.
NB. Zu Blumberg vernahm auch, daß der Prediger in Pom- merzig Hr. Samuel Borchart ein redlicher Mann wär. Die Leute, bey denen mein Quartier bekam waren ungemein red- lich, dienstfertig und gottesfürchtig.
In Züllichau verhielt sich der Lieutenant von Klöden und der Hr. Capitain sehr grob gegen mich und ließ mir sagen künftig noch gröber zu seyn, doch dieses mir nicht unmittelbar, sondern durch andere. Er praetendirte mein quartier, das mir durch ein billet, da ich noch eine Stunde eher ankam als er, war zugetheilet worden. Ich sprach des Abends Hrn. Cantor Kannengießer daselbst, der mich des Abends mit sich zum essen nahm wo ich Hrn. Diaconum Kampe nebst seiner Frau antraff. Ich wurde nicht wenig erquicket.
Den 28. war Ruhetag. Ich besuchte das Waisenhaus und dessen Buchladen. Hr. pastor Steinbart an demselben bewieß mir viel Liebe. Gott hat ihn reichlich begnadigt.
Am 1. März marschirte das Prinz Leopoldsche Regiment, sammt seinem Prediger Seegebart, in Schlesien hinein. Seegebart setzte das Tagebuch bis zum Beginn der Winterquartiere (18. November 1741) fort. Dann giebt er uns noch -- in einem Briefe an den Professor Michaelis in Halle -- eine Beschreibung seiner Betheiligung an der Bataille von Chotusitz, aus der wir im Text die Hauptstelle bereits citirt haben.
Das Tagebuch macht in dem Ernst und der Milde seiner christli- chen Gesinnung einen außerordentlich günstigen Eindruck. Muth und Frömmigkeit, Selbstbeherrschung und vornehmes Empfinden, vor allem Demuth, Wachsamkeit und Strenge gegen sich selbst, treten einem fast auf jeder Seite entgegen. Zugleich ist es ein vorzügliches Zeit- und Sittenbild, wie wir deren -- in Bezug auf diese Schicht der Gesell- schaft -- nicht allzu viele haben.
Dorf Etzin selbst, was noch hinzuzufügen bleibt, ist inzwischen zu großem Theile niedergebrannt. Ich schrieb den Aufsatz 1862; wenige Jahre später zerstörte ein großes Feuer die nördliche Hälfte des Dorfs, darunter einige der am malerischsten gelegenen Häuser. Die hochgelegene Kirche und das alte Pfarrhaus (so ich recht berichtet bin) blieben ver- schont.
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Den 27. ging das ganze Regiment nach Züllichau, wo wir um 11 Uhr anlangten. Mir wurde Quartier gegeben beym Bürgermeiſter Segenitz, deſſen Ehefrau eine Schweſter von dem unglücklichen zu Berlin ausgeſtäupten Geheimen Rath Wilken war.
NB. Zu Blumberg vernahm auch, daß der Prediger in Pom- merzig Hr. Samuel Borchart ein redlicher Mann wär. Die Leute, bey denen mein Quartier bekam waren ungemein red- lich, dienſtfertig und gottesfürchtig.
In Züllichau verhielt ſich der Lieutenant von Klöden und der Hr. Capitain ſehr grob gegen mich und ließ mir ſagen künftig noch gröber zu ſeyn, doch dieſes mir nicht unmittelbar, ſondern durch andere. Er praetendirte mein quartier, das mir durch ein billet, da ich noch eine Stunde eher ankam als er, war zugetheilet worden. Ich ſprach des Abends Hrn. Cantor Kannengießer daſelbſt, der mich des Abends mit ſich zum eſſen nahm wo ich Hrn. Diaconum Kampe nebſt ſeiner Frau antraff. Ich wurde nicht wenig erquicket.
Den 28. war Ruhetag. Ich beſuchte das Waiſenhaus und deſſen Buchladen. Hr. pastor Steinbart an demſelben bewieß mir viel Liebe. Gott hat ihn reichlich begnadigt.
Am 1. März marſchirte das Prinz Leopoldſche Regiment, ſammt ſeinem Prediger Seegebart, in Schleſien hinein. Seegebart ſetzte das Tagebuch bis zum Beginn der Winterquartiere (18. November 1741) fort. Dann giebt er uns noch — in einem Briefe an den Profeſſor Michaelis in Halle — eine Beſchreibung ſeiner Betheiligung an der Bataille von Chotuſitz, aus der wir im Text die Hauptſtelle bereits citirt haben.
Das Tagebuch macht in dem Ernſt und der Milde ſeiner chriſtli- chen Geſinnung einen außerordentlich günſtigen Eindruck. Muth und Frömmigkeit, Selbſtbeherrſchung und vornehmes Empfinden, vor allem Demuth, Wachſamkeit und Strenge gegen ſich ſelbſt, treten einem faſt auf jeder Seite entgegen. Zugleich iſt es ein vorzügliches Zeit- und Sittenbild, wie wir deren — in Bezug auf dieſe Schicht der Geſell- ſchaft — nicht allzu viele haben.
Dorf Etzin ſelbſt, was noch hinzuzufügen bleibt, iſt inzwiſchen zu großem Theile niedergebrannt. Ich ſchrieb den Aufſatz 1862; wenige Jahre ſpäter zerſtörte ein großes Feuer die nördliche Hälfte des Dorfs, darunter einige der am maleriſchſten gelegenen Häuſer. Die hochgelegene Kirche und das alte Pfarrhaus (ſo ich recht berichtet bin) blieben ver- ſchont.
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Den 27. ging das ganze Regiment nach Züllichau, wo wir um
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Segenitz, deſſen Ehefrau eine Schweſter von dem unglücklichen zu Berlin
ausgeſtäupten Geheimen Rath Wilken war.
NB. Zu Blumberg vernahm auch, daß der Prediger in Pom-
merzig Hr. Samuel Borchart ein redlicher Mann wär. Die
Leute, bey denen mein Quartier bekam waren ungemein red-
lich, dienſtfertig und gottesfürchtig.
In Züllichau verhielt ſich der Lieutenant von Klöden und der Hr.
Capitain ſehr grob gegen mich und ließ mir ſagen künftig noch gröber
zu ſeyn, doch dieſes mir nicht unmittelbar, ſondern durch andere. Er
praetendirte mein quartier, das mir durch ein billet, da ich noch
eine Stunde eher ankam als er, war zugetheilet worden. Ich ſprach
des Abends Hrn. Cantor Kannengießer daſelbſt, der mich des Abends
mit ſich zum eſſen nahm wo ich Hrn. Diaconum Kampe nebſt ſeiner
Frau antraff. Ich wurde nicht wenig erquicket.
Den 28. war Ruhetag. Ich beſuchte das Waiſenhaus und deſſen
Buchladen. Hr. pastor Steinbart an demſelben bewieß mir viel Liebe.
Gott hat ihn reichlich begnadigt.
Am 1. März marſchirte das Prinz Leopoldſche Regiment, ſammt
ſeinem Prediger Seegebart, in Schleſien hinein. Seegebart ſetzte das
Tagebuch bis zum Beginn der Winterquartiere (18. November 1741)
fort. Dann giebt er uns noch — in einem Briefe an den Profeſſor
Michaelis in Halle — eine Beſchreibung ſeiner Betheiligung an der
Bataille von Chotuſitz, aus der wir im Text die Hauptſtelle bereits
citirt haben.
Das Tagebuch macht in dem Ernſt und der Milde ſeiner chriſtli-
chen Geſinnung einen außerordentlich günſtigen Eindruck. Muth und
Frömmigkeit, Selbſtbeherrſchung und vornehmes Empfinden, vor allem
Demuth, Wachſamkeit und Strenge gegen ſich ſelbſt, treten einem faſt
auf jeder Seite entgegen. Zugleich iſt es ein vorzügliches Zeit- und
Sittenbild, wie wir deren — in Bezug auf dieſe Schicht der Geſell-
ſchaft — nicht allzu viele haben.
Dorf Etzin ſelbſt, was noch hinzuzufügen bleibt, iſt inzwiſchen zu
großem Theile niedergebrannt. Ich ſchrieb den Aufſatz 1862; wenige
Jahre ſpäter zerſtörte ein großes Feuer die nördliche Hälfte des Dorfs,
darunter einige der am maleriſchſten gelegenen Häuſer. Die hochgelegene
Kirche und das alte Pfarrhaus (ſo ich recht berichtet bin) blieben ver-
ſchont.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/469>, abgerufen am 17.02.2025.
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