von Olmütz ist die Eibe ein äußerst seltener Baum, und die Bauern von Mittel- und Nordwest-Mähren machen daher vor der Charwoche oft 8 bis 10 Meilen weite Reisen zu Fuß, nur um von einem verein- zelt dastehenden Eiben-Strauch oder Baum Zweige für den Palmsonn- tag abreißen zu können. Auch in Niederösterreich scheint die Eibe hie und da noch zu diesem Zwecke verwendet zu werden. So ist es uns bekannt, daß bei Traismauer ein alter Eibenbaum, der beiläufig einen Fuß Durchmesser hat, zur Osterzeit vom dortigen forstlichen Aufsichts- Personale förmlich bewacht werden muß, damit er nicht seiner Aeste zu den "Palmbuschen" beraubt werde.
Bei den Alten war er den Göttern der Unterwelt geweiht, wohl aus dem Grunde, weil die Nadeln dieses Baumes giftig sind und schon die Ausdünstung seiner Krone zarteren Naturen Unwohlsein verursacht. Der alte Plinius erzählt gar, daß die Ausdünstung des Taxus zur Blüthezeit den Tod bringe, was eine ungeheure Uebertreibung ist. In unseren Gegenden beißen Hirsche, Rehe und auch Schafe und Kühe nicht selten die Spitzen der Eiben ab, wahrscheinlich um sie in kleinen Mengen als eine Art Gewürz zu verzehren. Größere Mengen von Eibenzweigen, mit denen Hausthiere absichtlich gefüttert wurden, brach- ten denselben aber in wenigen Stunden den Tod, obwohl Ziegen z. B. sich die auch für sie giftigen Zweige recht gut schmecken ließen. Die rothen Beeren, welche von süßlichem Geschmacke sind, werden in Deutsch- land häufig von Kindern ohne Schaden verzehrt.
Ueber den Eibenbaum-Club, dessen ich im Text Erwähnung gethan habe, sind mir noch folgende Zeilen zugegangen: "Was die Ver- söhnung der Parteien angeht, die sich mehr als einmal unter dem Eiben- baume vollzog, so würde ein bekannter märkischer Schriftsteller, zugleich Reichstagsmitglied, mit seiner in hohem Alter bewahrten Frische, viel- leicht am besten im Stande sein, Ihnen eine launige Erzählung zu liefern; andrerseits -- da von ihm persönlich die meisten Schlagwörter, Einfälle, Scherze ausgegangen sind, -- wird er sich selbst nicht in Scene setzen, am wenigsten aber die gebotene Diskretion und Rücksicht gegen seine Collegen außer Acht lassen wollen. Nie hat eine Zeitung über den heitern Club etwas gebracht und eben deshalb konnte man so vertrau- lich gegen einander sein. Sie wissen, wie Herr Hans Blum wegen seiner Plaudereien, die allerdings in sich viel Unschickliches enthielten, angesehn wurde und daß auch, was den Eibenbaum-Club angeht, jede Indiskretion wieder schlecht machen könnte, was bis dahin unter den Zweigen des Baumes Gutes geschehen ist."
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von Olmütz iſt die Eibe ein äußerſt ſeltener Baum, und die Bauern von Mittel- und Nordweſt-Mähren machen daher vor der Charwoche oft 8 bis 10 Meilen weite Reiſen zu Fuß, nur um von einem verein- zelt daſtehenden Eiben-Strauch oder Baum Zweige für den Palmſonn- tag abreißen zu können. Auch in Niederöſterreich ſcheint die Eibe hie und da noch zu dieſem Zwecke verwendet zu werden. So iſt es uns bekannt, daß bei Traismauer ein alter Eibenbaum, der beiläufig einen Fuß Durchmeſſer hat, zur Oſterzeit vom dortigen forſtlichen Aufſichts- Perſonale förmlich bewacht werden muß, damit er nicht ſeiner Aeſte zu den „Palmbuſchen“ beraubt werde.
Bei den Alten war er den Göttern der Unterwelt geweiht, wohl aus dem Grunde, weil die Nadeln dieſes Baumes giftig ſind und ſchon die Ausdünſtung ſeiner Krone zarteren Naturen Unwohlſein verurſacht. Der alte Plinius erzählt gar, daß die Ausdünſtung des Taxus zur Blüthezeit den Tod bringe, was eine ungeheure Uebertreibung iſt. In unſeren Gegenden beißen Hirſche, Rehe und auch Schafe und Kühe nicht ſelten die Spitzen der Eiben ab, wahrſcheinlich um ſie in kleinen Mengen als eine Art Gewürz zu verzehren. Größere Mengen von Eibenzweigen, mit denen Hausthiere abſichtlich gefüttert wurden, brach- ten denſelben aber in wenigen Stunden den Tod, obwohl Ziegen z. B. ſich die auch für ſie giftigen Zweige recht gut ſchmecken ließen. Die rothen Beeren, welche von ſüßlichem Geſchmacke ſind, werden in Deutſch- land häufig von Kindern ohne Schaden verzehrt.
Ueber den Eibenbaum-Club, deſſen ich im Text Erwähnung gethan habe, ſind mir noch folgende Zeilen zugegangen: „Was die Ver- ſöhnung der Parteien angeht, die ſich mehr als einmal unter dem Eiben- baume vollzog, ſo würde ein bekannter märkiſcher Schriftſteller, zugleich Reichstagsmitglied, mit ſeiner in hohem Alter bewahrten Friſche, viel- leicht am beſten im Stande ſein, Ihnen eine launige Erzählung zu liefern; andrerſeits — da von ihm perſönlich die meiſten Schlagwörter, Einfälle, Scherze ausgegangen ſind, — wird er ſich ſelbſt nicht in Scene ſetzen, am wenigſten aber die gebotene Diskretion und Rückſicht gegen ſeine Collegen außer Acht laſſen wollen. Nie hat eine Zeitung über den heitern Club etwas gebracht und eben deshalb konnte man ſo vertrau- lich gegen einander ſein. Sie wiſſen, wie Herr Hans Blum wegen ſeiner Plaudereien, die allerdings in ſich viel Unſchickliches enthielten, angeſehn wurde und daß auch, was den Eibenbaum-Club angeht, jede Indiskretion wieder ſchlecht machen könnte, was bis dahin unter den Zweigen des Baumes Gutes geſchehen iſt.“
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von Olmütz iſt die Eibe ein äußerſt ſeltener Baum, und die Bauern
von Mittel- und Nordweſt-Mähren machen daher vor der Charwoche
oft 8 bis 10 Meilen weite Reiſen zu Fuß, nur um von einem verein-
zelt daſtehenden Eiben-Strauch oder Baum Zweige für den Palmſonn-
tag abreißen zu können. Auch in Niederöſterreich ſcheint die Eibe hie
und da noch zu dieſem Zwecke verwendet zu werden. So iſt es uns
bekannt, daß bei Traismauer ein alter Eibenbaum, der beiläufig einen
Fuß Durchmeſſer hat, zur Oſterzeit vom dortigen forſtlichen Aufſichts-
Perſonale förmlich bewacht werden muß, damit er nicht ſeiner Aeſte zu
den „Palmbuſchen“ beraubt werde.
Bei den Alten war er den Göttern der Unterwelt geweiht, wohl
aus dem Grunde, weil die Nadeln dieſes Baumes giftig ſind und ſchon
die Ausdünſtung ſeiner Krone zarteren Naturen Unwohlſein verurſacht.
Der alte Plinius erzählt gar, daß die Ausdünſtung des Taxus zur
Blüthezeit den Tod bringe, was eine ungeheure Uebertreibung iſt. In
unſeren Gegenden beißen Hirſche, Rehe und auch Schafe und Kühe
nicht ſelten die Spitzen der Eiben ab, wahrſcheinlich um ſie in kleinen
Mengen als eine Art Gewürz zu verzehren. Größere Mengen von
Eibenzweigen, mit denen Hausthiere abſichtlich gefüttert wurden, brach-
ten denſelben aber in wenigen Stunden den Tod, obwohl Ziegen z. B.
ſich die auch für ſie giftigen Zweige recht gut ſchmecken ließen. Die
rothen Beeren, welche von ſüßlichem Geſchmacke ſind, werden in Deutſch-
land häufig von Kindern ohne Schaden verzehrt.
Ueber den Eibenbaum-Club, deſſen ich im Text Erwähnung
gethan habe, ſind mir noch folgende Zeilen zugegangen: „Was die Ver-
ſöhnung der Parteien angeht, die ſich mehr als einmal unter dem Eiben-
baume vollzog, ſo würde ein bekannter märkiſcher Schriftſteller, zugleich
Reichstagsmitglied, mit ſeiner in hohem Alter bewahrten Friſche, viel-
leicht am beſten im Stande ſein, Ihnen eine launige Erzählung zu
liefern; andrerſeits — da von ihm perſönlich die meiſten Schlagwörter,
Einfälle, Scherze ausgegangen ſind, — wird er ſich ſelbſt nicht in Scene
ſetzen, am wenigſten aber die gebotene Diskretion und Rückſicht gegen
ſeine Collegen außer Acht laſſen wollen. Nie hat eine Zeitung über den
heitern Club etwas gebracht und eben deshalb konnte man ſo vertrau-
lich gegen einander ſein. Sie wiſſen, wie Herr Hans Blum wegen
ſeiner Plaudereien, die allerdings in ſich viel Unſchickliches enthielten,
angeſehn wurde und daß auch, was den Eibenbaum-Club angeht, jede
Indiskretion wieder ſchlecht machen könnte, was bis dahin unter
den Zweigen des Baumes Gutes geſchehen iſt.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/453>, abgerufen am 24.11.2024.
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