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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Venus zu Ehren, als zum Ruhm des Kreuzes singen; aber
die Reime Hans Sachsens machen alle Werke Günthers zu
Schanden, weil doch so manche Seele daran seelig glauben kann."

So weit er selbst. Man muß es ihm lassen, daß er seine
Sache gut zu führen weiß; bescheiden und bewußt -- jedes an
rechter Stelle. Einem aufmerksamen Leser kann übrigens nicht
entgehen, wie diese Rechenschaftsablegung zugleich alle Punkte
in den Vordergrund stellt, über die die Ansichten auseinander
gehen können. Er war ein christlicher "Improvisator," ja, in
allen Ehren sei es gesagt, eine Art von Psychographendichter;
er ließ die Feder laufen. Wir kommen an anderer Stelle
darauf zurück.

Alles, was wir aus ihm citirt haben, ist einer Vorrede
entnommen, die er im Jahre 1750 schrieb. Er war damals
25 Jahre alt, predigte seit sechs Jahren, war im Amte seit
drei, hatte Frau und Kind und konnte auf eine literarische
Thätigkeit blicken, die bereits damals über 200 Lieder umfaßte,
einzelne dieser Lieder über 200 Strophen lang. Eine Pro-
ductionskraft, die auf diesem Gebiete kein anderer deutscher
Dichter aufzuweisen hat; auch nicht die Meistersänger, an deren
Dichtungsart die didaktische Weise Woltersdorf's am meisten
erinnert.

Seine poetische Thätigkeit war übrigens im Großen und
Ganzen mit 1750 abgeschlossen. Es waren ihm noch 11 Lebens-
jahre beschieden; aber die Mühen des Lebens, die Sorgen des
Amtes wurden doch so übermächtig, daß selbst sein lebendiger
Strom versiegte. Er trat 1755 an die Spitze des nach dem
Halleschen Vorbilde errichteten Bunzlauer Waisenhauses und
wirkte an demselben in Segen. Aber sein schwacher Körper
brach endlich unter der Last zusammen. Sein Biograph schreibt:
"Man darf sagen, er hatte sich im Dienst des Herrn ver
zehrt."

Der 17. December 1761 war sein letzter Tag. Die
Schmerzen nahmen zu, seine Klagen ab. Als seine Frau mit
einem seiner Kinder weinend am Bette stand, sagte er mit

Venus zu Ehren, als zum Ruhm des Kreuzes ſingen; aber
die Reime Hans Sachſens machen alle Werke Günthers zu
Schanden, weil doch ſo manche Seele daran ſeelig glauben kann.“

So weit er ſelbſt. Man muß es ihm laſſen, daß er ſeine
Sache gut zu führen weiß; beſcheiden und bewußt — jedes an
rechter Stelle. Einem aufmerkſamen Leſer kann übrigens nicht
entgehen, wie dieſe Rechenſchaftsablegung zugleich alle Punkte
in den Vordergrund ſtellt, über die die Anſichten auseinander
gehen können. Er war ein chriſtlicher „Improviſator,“ ja, in
allen Ehren ſei es geſagt, eine Art von Pſychographendichter;
er ließ die Feder laufen. Wir kommen an anderer Stelle
darauf zurück.

Alles, was wir aus ihm citirt haben, iſt einer Vorrede
entnommen, die er im Jahre 1750 ſchrieb. Er war damals
25 Jahre alt, predigte ſeit ſechs Jahren, war im Amte ſeit
drei, hatte Frau und Kind und konnte auf eine literariſche
Thätigkeit blicken, die bereits damals über 200 Lieder umfaßte,
einzelne dieſer Lieder über 200 Strophen lang. Eine Pro-
ductionskraft, die auf dieſem Gebiete kein anderer deutſcher
Dichter aufzuweiſen hat; auch nicht die Meiſterſänger, an deren
Dichtungsart die didaktiſche Weiſe Woltersdorf’s am meiſten
erinnert.

Seine poetiſche Thätigkeit war übrigens im Großen und
Ganzen mit 1750 abgeſchloſſen. Es waren ihm noch 11 Lebens-
jahre beſchieden; aber die Mühen des Lebens, die Sorgen des
Amtes wurden doch ſo übermächtig, daß ſelbſt ſein lebendiger
Strom verſiegte. Er trat 1755 an die Spitze des nach dem
Halleſchen Vorbilde errichteten Bunzlauer Waiſenhauſes und
wirkte an demſelben in Segen. Aber ſein ſchwacher Körper
brach endlich unter der Laſt zuſammen. Sein Biograph ſchreibt:
„Man darf ſagen, er hatte ſich im Dienſt des Herrn ver
zehrt.“

Der 17. December 1761 war ſein letzter Tag. Die
Schmerzen nahmen zu, ſeine Klagen ab. Als ſeine Frau mit
einem ſeiner Kinder weinend am Bette ſtand, ſagte er mit

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[426/0444] Venus zu Ehren, als zum Ruhm des Kreuzes ſingen; aber die Reime Hans Sachſens machen alle Werke Günthers zu Schanden, weil doch ſo manche Seele daran ſeelig glauben kann.“ So weit er ſelbſt. Man muß es ihm laſſen, daß er ſeine Sache gut zu führen weiß; beſcheiden und bewußt — jedes an rechter Stelle. Einem aufmerkſamen Leſer kann übrigens nicht entgehen, wie dieſe Rechenſchaftsablegung zugleich alle Punkte in den Vordergrund ſtellt, über die die Anſichten auseinander gehen können. Er war ein chriſtlicher „Improviſator,“ ja, in allen Ehren ſei es geſagt, eine Art von Pſychographendichter; er ließ die Feder laufen. Wir kommen an anderer Stelle darauf zurück. Alles, was wir aus ihm citirt haben, iſt einer Vorrede entnommen, die er im Jahre 1750 ſchrieb. Er war damals 25 Jahre alt, predigte ſeit ſechs Jahren, war im Amte ſeit drei, hatte Frau und Kind und konnte auf eine literariſche Thätigkeit blicken, die bereits damals über 200 Lieder umfaßte, einzelne dieſer Lieder über 200 Strophen lang. Eine Pro- ductionskraft, die auf dieſem Gebiete kein anderer deutſcher Dichter aufzuweiſen hat; auch nicht die Meiſterſänger, an deren Dichtungsart die didaktiſche Weiſe Woltersdorf’s am meiſten erinnert. Seine poetiſche Thätigkeit war übrigens im Großen und Ganzen mit 1750 abgeſchloſſen. Es waren ihm noch 11 Lebens- jahre beſchieden; aber die Mühen des Lebens, die Sorgen des Amtes wurden doch ſo übermächtig, daß ſelbſt ſein lebendiger Strom verſiegte. Er trat 1755 an die Spitze des nach dem Halleſchen Vorbilde errichteten Bunzlauer Waiſenhauſes und wirkte an demſelben in Segen. Aber ſein ſchwacher Körper brach endlich unter der Laſt zuſammen. Sein Biograph ſchreibt: „Man darf ſagen, er hatte ſich im Dienſt des Herrn ver zehrt.“ Der 17. December 1761 war ſein letzter Tag. Die Schmerzen nahmen zu, ſeine Klagen ab. Als ſeine Frau mit einem ſeiner Kinder weinend am Bette ſtand, ſagte er mit

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/444>, abgerufen am 24.11.2024.